
Der MÜNCHNER MERKUR schreibt: "So deftig hat sich noch nicht oft ein Kanzler von einer seiner Ministerinnen abwatschen lassen müssen. 'Bullshit', vornehm übersetzt totaler Quatsch, sei die Behauptung von Friedrich Merz, die Deutschen könnten sich ihren Sozialstaat nicht mehr leisten, sagt Arbeitsministerin Bärbel Bas. Solange die SPD noch immer genügend 'Reiche' findet, die für die Party blechen sollen, stimmt das sogar. Fragt sich nur, wie lange die sich das noch gefallen lassen. Schon jetzt tragen die zehn Prozent Spitzenverdiener 55 Prozent des Steueraufkommens, und das Viertel der bestverdienenden Steuerzahler finanziert 77 Prozent der Einnahmen des Fiskus. Irgendwann könnten die Melkkühe der Nation feststellen, dass es auch im Ausland grüne Weiden gibt. Oder dass ein Leben nicht nur aus Arbeit bestehen muss", bemerkt der MÜNCHNER MERKUR.
DIE TAGESZEITUNG - TAZ - kommentiert: "Das unablässig ins Feld geführte Bürgergeld eignet sich vor allem als Fetisch, um den Frust auf eine vergleichsweise kleine Gruppe zu lenken. Bei denen allerdings keine 'zweistelligen Milliardenbeträge' zu holen sind, wie Merz noch im Wahlkampf propagierte. Denn das Verfassungsgericht hat den Staat auf Einhaltung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet. Es gehört zum Prinzip des deutschen Sozialstaats, dass jene, die mehr haben, mehr beitragen. Das gilt allerdings nur noch bedingt. Gerade Erb:innen von Millionen- und Milliardenvermögen zahlen kaum Steuern. Eine Steuer von unter einem Prozent auf Vermögen über einer halben Million brächte laut Oxfam sogar mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr. Gibt’s nur im Kommunismus? Nein, in der Schweiz", stellt die TAZ heraus.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG folgert: "Der kalkulierte Ausbruch der früheren Bundestagspräsidentin in Fäkalsprache konterkariert die Kuschelbilder der Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD. Harmonische Bilder von Jens Spahn und Matthias Miersch vor malerischer Kulisse in Würzburg oder im Sonderzug nach Kiew können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Frust in beiden Koalitionsparteien über den jeweils anderen Partner nichts Gutes für den schon von der Ampel vor einem Jahr angepeilten und dringend notwendigen 'Herbst der Reformen' verheißt. Im dritten Jahr der Rezession müsste auch der SPD klar geworden sein, dass sie mit der 'Hartz-IV-Traumatherapie' des Bürgergelds vor allem der AfD den Status der vermeintlich wahren Arbeiterpartei verschafft", analysiert die F.A.Z.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg stellt fest: "Ab sofort hat das Bundeskabinett eine veritable Nebenregierung: Die von der sozialdemokratischen Ministerin Bärbel Bas eingesetzte Kommission zur Reform des Sozialstaates. Was dieses Gremium zu Stande bringen wird, dürfte entscheidend für den Weiterbestand von Schwarz-Rot sein. Wenn der anstehende Sozialabbau wirklich die Basis der Gesellschaft ansägen sollte, kann das in handfestem Protest auf der Straße münden. Wie ehedem beim Hartz-IV. Doch das Gedächtnis von Politikern kann kurz sein, wenn es um ihre Interessen geht", moniert die VOLKSSTIMME.
FREIE PRESSE aus Chemnitz betont: "Merz sollte eines klar sein: Es wird schwierig genug, eine politische Mehrheit in der eigenen Koalition für echte Sozialreformen zu bekommen. Wenn er eine gesellschaftliche Mehrheit gewinnen will, muss ihm mehr einfallen als der bloße Ruf nach Einschnitten. Gerhard Schröders Agenda 2010 sollte für Fordern und Fördern stehen. Hart umkämpft war sie auch deshalb, weil der Aspekt des Förderns zu stark aus dem Blick geriet", erinnert die FREIE PRESSE.
Der Bundestagsvizepräsident Nouripour von den Grünen hat sich für eine Bündelung von Wahlterminen in Deutschland ausgesprochen. Dafür sollte die Bundestagswahl seiner Ansicht nach nur noch alle fünf statt bislang alle vier Jahre stattfinden. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) meint: "Irgendwo ist immer Wahlkampf, da hat Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour recht. Das gilt vor allem, seit jede Landtags- und neuerdings auch mindestens jede zweite Kommunalwahl zu einer kleinen Bundestagswahl ausgerufen wird. Diese Entwicklung wieder umzukehren, ist vermutlich unmöglich, weswegen eine andere Lösung her muss. Nouripour hat dazu einen guten, wenngleich nicht ganz neuen Vorschlag gemacht. Wenn Bund, Länder und Gemeinden das gemeinsam hinkriegten, wäre zugleich ein wunderbarer Beweis für die Reformfähigkeit dieses Landes erbracht", heißt es in der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU notiert: "Natürlich hat die Idee Schwächen. Ministerpräsident:innen könnten bei einer Vereinheitlichung darunter leiden, dass ihnen ihre womöglich gute Bilanz nichts nutzt, weil man der Bundesregierung bei Landtagswahlen einen Denkzettel verpassen will. Eine Umstellung würde Umdenken erzwingen. Für die Bundespolitik wäre die Vereinheitlichung von Wahlterminen aber ein Segen, weil dazwischen konzentrierter gearbeitet werden könnte; ansonsten obsiegt viel zu oft parteipolitische Nutzenlogik."
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN mahnen: "Die selbstbewussten Landesparlamente legen ebenso wie die Kommunen Wert darauf, als eigenständige Kräfte wahrgenommen zu werden. Würden sie alle an einem Tag neu bestimmt, könnte man von einer Art 'zweiter' Bundestagswahl nach dem Muster der amerikanischen Midterms sprechen. Das will kaum einer."
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin kritisiert: "Bundespolitiker sollten ihren Kollegen in Ländern und Städten überlassen, wann sie ihr Parlament oder ihren Oberbürgermeister zu wählen gedenken. Ein frühzeitiges Scheitern einer Landesregierung, mithin Neuwahlen, würden einen solchen Zentralismus zerfleddern. In einem Föderalismus mit 16 selbstbewussten Ländern ist fast immer irgendwo Wahl. Mit diesem Ausdruck von Vielfalt muss Berlin klug umgehen, anstatt ihn zu bejammern", ist im TAGESSPIEGEL zu lesen.
Das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in China ist Thema im KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Da gehen Wladimir Putin und Narendra Modi also Hand in Hand, der mutmaßliche russische Kriegsverbrecher und der Premierminister der weltgrößten Demokratie Indien. Beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in China, wo Autokraten und Diktatoren über Frieden, Stabilität und Wohlstand sprechen – oder was sie darunter verstehen. Der Iran, der jede mutige Regung seiner Bürger für mehr Freiheit im eigenen Land mit dem Tod bedroht, und Belarus, das Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine gutheißt, gehören auch zu den Mitgliedern des SOZ. Was das alles mit uns zu tun hat? Ganz einfach: Was dort besprochen wird, hat Einfluss auf die Stärke – oder Schwäche – des Westens, auf Frieden und Sicherheit in Europa und die Wirtschaft in Deutschland", unterstreicht der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die PASSAUER NEUE PRESSE findet: "Leider können Putin, Xi & Co. mit voller Berechtigung die Backen aufblasen. Denn die westliche Welt ist aus den Fugen geraten, genauer gesagt: Der irrlichternde Mann im Weißen Haus hat es geschafft, sie zu destabilisieren", bemängelt die PASSAUER NEUE PRESSE.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg erläutert: "Im Gebiet der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit leben etwa 3,5 Milliarden Menschen, die Wirtschaftsleistung der zehn Mitgliedsstaaten ist deutlich höher als die der EU mit ihren 450 Millionen Bürgern. Der Gipfel in Tianjin dient da als Machtdemonstration. Berlin und Brüssel müssen sowohl im Westen als auch im Osten nach Verbündeten suchen. Die Bundesregierung sollte angesichts der internationalen Bedrohungslage zusammenrücken, die EU ebenso. Die Gefahr ist groß, dass die Menschen hierzulande sonst die Notwendigkeit verkennen, jetzt für den erreichten Wohlstand zu kämpfen, der Unabhängigkeit erst ermöglicht, kulturelle und politische Freiheit bedeutet."