
Die TAGESZEITUNG - TAZ - führt aus: "Über einzelne Formulierungen der Richter kann man diskutieren. Ja, das sollte man auch. Bereits in der Vergangenheit hatte das Gericht gelegentlich über das Ziel hinausgeschossen und zu viel Macht an sich gezogen. Was jedoch unbestritten bleibt: Figuren wie Bolsonaro muss man klare Grenzen setzen. Für ihn stand nie zur Debatte, eine Wahlniederlage zu akzeptieren. Er hat das mehrfach unmissverständlich klargemacht, nie einen Hehl aus seinen Absichten gemacht. Putsch, politische Morde, ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten. Diese Pläne existierten, wie die Anklage eindeutig belegt. Die entschlossene Reaktion des Gerichts hat Brasilien deshalb vor einer echten Katastrophe bewahrt", findet die TAZ.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU verweist auf die Ermittlungsarbeit: "Zeugenaussagen, Dokumente und verbriefte Treffen im Präsidentenpalast belegen, dass Bolsonaro Ende 2022 erst den Ausnahmezustand ausrufen und dann Wahlsieger Lula da Silva an der Machtübernahme hindern wollte. Bolsonaro war Kopf einer kriminellen Vereinigung, ein Verbrecher. Brasilien schrumpfte unter ihm zu einer Bananenrepublik. Die politische Karriere Bolsonaros ist beendet, er wird nicht mehr an die Macht zurückkehren. Und das ist auch gut so. Er ist ein Anti-Demokrat, Rassist, Frauenfeind und Hassprediger", urteilt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest: "Bolsonaro selbst ist zur Urteilsverkündung nicht erschienen, aller Voraussicht nach wird er die Haft auch nicht antreten müssen. Seine Anwälte haben angekündigt, in Berufung zu gehen, und auf politischer Ebene laufen bereits Bemühungen seiner Mitstreiter im Kongress, eine Amnestie für den Wortführer der extremen Rechten durchzusetzen. Und selbst wenn das nicht hilft, werden sich gesundheitliche Gründe finden lassen, damit der 70 Jahre alte Bolsonaro nicht ins Gefängnis gehen muss", prognostiziert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der Berliner TAGESSPIEGEL geht auf die Anhänger des früheren Staatschefs ein: "Seit Monaten werben sie für ein Gesetz, das Bolsonaro und seinen Komplizen nach der Verurteilung Amnestie gewähren soll. Sie verbreiten den Verschwörungsglauben, dass in Brasilien eine 'Diktatur der Richterroben' herrsche und das Oberste Gericht politisch motiviert sei. Das zeigt: Am Ende ist Bolsonaro vor allem das prominente Gesicht einer rechtsradikalen Bewegung, die über Jahre entstanden ist. Sie wird im Zweifel auch ohne ihn existieren", vermutet der TAGESSPIEGEL.
Die Zeitung ND DER TAG zieht einen Vergleich: "Was passieren kann, wenn sich Typen wie Bolsonaro durchsetzen, zeigen die USA: Dort wird im Rekordtempo alles niedergeschlagen, was Donald Trumps autoritärem Projekt im Weg steht, nachdem sein Staatsstreich nie vor Gericht verhandelt worden war. Brasilien zeigt, dass es auch anders geht."
Themenwechsel. Bundesgesundheitsministerin Warken hat eine Expertenkommission einberufen, die Vorschläge für eine grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vorlegen soll. Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg ist skeptisch und glaubt: "Auf drastische Reformen muss Deutschland weiter warten. So soll die nun eingesetzte Kommission erst im März 2026 'kurzfristige' Maßnahme zur Stabilisierung der Kassen vorstellen. Grundlegende Strukturreformen sollen sogar erst Ende 2026 präsentiert werden. Da bereits seit Jahren ganze Pakete mit Expertenvorschlägen zur Reform der GKV existieren, beweist die Einsetzung der Kommission nur eins: In der Gesundheitspolitik gibt es kein Erkenntnis- sondern ein Verantwortungsproblem. Die Bundesregierung scheut – wie die Regierungen vor ihr –, unangenehme Entscheidungen zu treffen", kritisiert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN verlangen, die Experten müssten deutlich "schneller Ergebnisse liefern als geplant. Mancher mag in dem Vorgehen eine Lernkurve der Regierenden erkennen, die bislang gerne stoisch auf ihren Arbeitsvertrag verwiesen. Denn wenn die Kosten für das Gesundheitssystem weiter in dem Maße steigen wie zuletzt, und an den Beitragszahler weitergegeben werden, treibt der Unmut die Menschen stetig in die Arme von Populisten."
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf erwartet: "Die Ergebnisse der Kommission werden politisch unbequem, das zeichnet sich bereits ab. Und so ist die Kernfrage weniger, was getan werden muss, sondern ob es dafür dann auch ausreichend großen politischen Willen gibt. Werden Union und SPD sich trauen, beispielsweise Leistungen für Patienten zu kürzen und mehr Menschen als Beitragszahler heranzuziehen, etwa Selbstständige? Mit Blick auf die Vergangenheit muss das leider bezweifelt werden", notiert die RHEINISCHE POST.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG empfiehlt, Gesundheitsministerin Warken solle sich auch "kritisch mit dem Argument befassen, übernehme der Bund endlich die 'vollen' Krankenkosten der Bürgergeldbezieher, sei die ärgste Not behoben. Die aus Sicht der Kassen fehlenden zehn Milliarden Euro jährlich will die GKV nun einklagen. Die Finanzierung sei Aufgabe aller Steuerzahler, nicht nur der Versicherten, heißt es. Das ist richtig, ein klar bezifferbarer Anspruch ergibt sich daraus aber nicht. Fachleute weisen darauf hin, dass auch die Beiträge von Geringverdienern oder Teilzeitbeschäftigten die Kosten nicht decken. Doch nach dem Solidarprinzip ist der Leistungsanspruch in der GKV für alle gleich, ob sie nun über- oder unterdurchschnittliche Abgaben zahlen", gibt die F.A.Z. zu bedenken.
Abschließend blicken einige Zeitungen auf die morgigen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt: "Der erste Stimmungstest nach der Bundestagswahl wird wichtige Signale auch über das bevölkerungsreichste Bundesland hinaus senden. Und die könnten die schwarz-rote Regierung noch weiter belasten. Oder sie werden zum Weckruf für die SPD. Während sich die CDU einigermaßen halten dürfte, müssen sich die Genossen in der ersten Wahlrunde auf ein brutales Ergebnis gefasst machen. Sie könnten in ihrem Kernland landesweit erstmals unter die 20-Prozent-Marke rutschen. Besonders hart dürften die Klatschen in ihrer Herzkammer, dem Ruhrpott, werden", vermutet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Ähnlich äußert sich die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Die NRW-Wahl ist fernab aller Umfragen das erste direkte Bürger-Urteil für Schwarz-Rot. Und Kanzler Friedrich Merz aus dem Sauerland erhält ein Zwischenzeugnis aus der Heimat. Verschiebungen gegenüber dem Ergebnis von 2020, als die Union ein Drittel der Stimmen einheimste, wird vor allem die AfD bewirken. Die beliebte Politiker-Ausrede, dass Kommunalwahlen kaum etwas mit dem Bund zu tun haben, zieht diesmal jedenfalls noch weniger als sonst. Deutschland steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, hat kaum noch Geld in den Sozialkassen bei unvorstellbaren Schulden, sieht sich von Russland bedroht und von den USA geleimt. Diese giftige Mixtur werden die Leute im Kopf haben, wenn sie morgen ins Wahllokal aufbrechen", ist sich die VOLKSSTIMME sicher.
Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld ist anderer Meinung: "Wir stimmen nicht darüber ab, wie zufrieden wir mit Merz oder Klingbeil sind. Wir entscheiden, wem wir die Zukunft unserer engsten Umgebung anvertrauen. Wir sollten also am Sonntag wählen gehen und dabei so gerecht sein, wie wir es selbst erwarten würden. Wer hat tatsächlich etwas geleistet in den vergangenen Jahren und wer fällt nur mit Sprüchen auf? Wer hat Ideen, die sich im Kreis oder der Gemeinde umsetzen lassen und wer verkauft Weltanschauung als Kommunalpolitik? Die vielen Fleißigen auf den Wahlzetteln haben diese Gerechtigkeit verdient. Und von denen profitieren wir am Ende alle", unterstreicht die NEUE WESTFÄLISCHE.