17. September 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die israelische Bodenoffensive in Gaza-Stadt sowie das Urteil zum tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim. Zunächst geht es aber um Polens erneute Forderung nach Reparationszahlungen an Deutschland.

Karol Nawrocki, Präsident von Polen, wird mit militärischen Ehren begrüßt.
Polnischer Präsident Nawrocki in Berlin (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
"Es war keine Überraschung, dass der polnische Präsident zu seinem Antrittsbesuch in Berlin die astronomisch hohe Reparationsforderung mitbrachte, die in Warschau erhoben wird", findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Nawrocki selbst spielte im Wahlkampf diese Karte. Gleichzeitig müssten er und seine Gesinnungsgenossen aber auch wissen, wie illusorisch es ist, von Deutschland achtzig Jahre nach Kriegsende Reparationszahlungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro zu verlangen", heißt es in der F.A.Z.
"Die Erinnerung an die Wehrmachtsverbrechen in Polen sind dort sehr präsent, in Deutschland hingegen kaum", meint die STUTTGARTER ZEITUNG. "Es ist verständlich, dass diese Ignoranz viele Polen trifft. Deshalb ist wichtig, dass Deutschland weiter Verantwortung übernimmt. Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung schlägt vor, dass Deutschland Sicherheitsgarantien für Polen übernehmen könnte – was sehr sinnvoll wäre. Zum anderen müssen sich die Deutschen mit den furchtbaren Taten ihrer Vorfahren in Polen auseinandersetzen", fordert die STUTTGARTER ZEITUNG.
"Für die meisten Historiker und Völkerrechtler sind neue polnische Reparationsansprüche nicht zu begründen", ist in der Zeitung DIE GLOCKE aus Oelde zu lesen. "Schon im Zuge des Potsdamer Abkommens hat das Land nach 1945 Reparationen unter anderem in Form von Demontagen und der Abtretung der früheren deutschen Ostgebiete erhalten. 1953 erklärte Polen völkerrechtlich bindend einen Verzicht auf weitere Entschädigungen. Auch die Zwei-plus-Vier-Verträge 1990 zur deutschen Wiedervereinigung sahen ausdrücklich keine weiteren Leistungen Deutschlands vor. Das Gleiche gilt für den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991", unterstreicht DIE GLOCKE.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG merkt an: "Berlin sagte nach dem jüngsten Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum umgehend zu, die vereinbarte Überwachung des Luftraums durch Kampfjets der Bundeswehr zu verlängern und auszuweiten. Was der Sicherheit Polens dient, dient auch der Sicherheit Deutschlands. Anstatt sich also an Vergangenem zu verkämpfen, sollte man in Warschau die Zukunft in den Blick nehmen – und sich von dem einer kruden Logik folgenden Entschädigungsanspruch verabschieden", empfiehlt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Im Prozess um den tödlichen Messerangriff auf dem Marktplatz von Mannheim ist der Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm erinnert: "Kaum ein Mord hat Baden-Württemberg so aufgewühlt wie jener am Polizisten Rouven Laur in Mannheim im vergangenen Jahr. Er wurde umgebracht durch den von islamistischen Hasspredigern aufgehetzten afghanischen Flüchtling Sulaiman A., dem Deutschland einst 2013 Schutz und Obhut gab. Viele Polizisten schämten sich damals ihrer Tränen nicht, Politiker und Bürger litten mit ihnen. Strafrechtlich ist nun ein Strich gezogen. Es ist eine Binsenweisheit, dass kein noch so hartes Urteil der Familie Laur ihren geliebten Sohn und Bruder zurückbringt. Aber natürlich ist das Urteil, die lebenslange Haftstrafe mit der Erklärung der besonderen Schwere der Schuld ein Signal. Ein Signal der Härte, aber auch, dass ein Rechtsstaat keinen Gedanken an Rache verschwenden kann, sondern auf Unrecht mit Recht antwortet", betont die SÜDWEST PRESSE.
"Angetrieben wurde Sulaiman A. von religiös motiviertem Hass auf Ungläubige", konstatiert das DARMSTÄDTER ECHO. "Als Tatmotiv nannte er den Gaza-Krieg, der sein Leben verändert habe. Das Gericht sah es jedoch als erwiesen an, dass der Afghane sich bereits Jahre zuvor radikalisiert hatte. Das Erschreckende ist, dass diese Wesensveränderung im privaten Umfeld anscheinend unentdeckt blieb oder gar gebilligt wurde. Auch der Attentäter von Solingen begründete sein Verbrechen mit den Ereignissen in Gaza seit dem 7. Oktober 2023. Zwar sind diese Behauptungen mit Vorsicht zu genießen. Jedoch ist offensichtlich, dass das zerstörerische Werk der Hamas im Nahen Osten auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden fällt", notiert das DARMSTÄDTER ECHO.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz beobachtet: "Unsere Gesellschaft lebt zunehmend in Extremen. Wir sprechen immer weniger mit anderen, bilden eine Gesellschaft, die auch deshalb auseinanderdriftet, weil es oft nur darum geht, Botschaften zu platzieren, recht zu haben. Gleichgültig, ob das Argument nachvollziehbar ist, wie begründet das Anliegen überhaupt ist. Die Leitplanken für Urteile sind ein starker Rechtsstaat mit unabhängigen Richtern. Dafür stand Rouven Laur, dafür stehen die meisten Polizisten in Deutschland." So weit die FREIE PRESSE. Und so viel zu diesem Thema.
Die Ausweitung der israelischen Offensive in Gaza hat international deutliche Kritik ausgelöst. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU befürchtet, dass der Häuserkampf blutig wird, nicht nur für die israelische Armee und die Hamas-Kämpfer: "Das ohnehin beschwerliche Leben im Gazastreifen wird noch schwieriger. Zu fürchten ist zudem, dass die israelischen Geiseln in den Händen der Hamas nicht überleben werden. Netanjahu und seine Mitstreitenden machen es obendrein ihren Kritikern leicht, den Unterstützern schwer, und isolieren politisch das Land noch weiter. Und das alles für ein kaum erreichbares Ziel. Die Hamas lässt sich nicht besiegen, sie lässt sich schwächen, was Israel längst erreicht hat."
"Was genau ist Netanjahus Ziel?", fragt sich die TAGESZEITUNGTAZ – aus Berlin: "Nach fast zwei Jahren Krieg bleibt diese Fragen noch immer unbeantwortet. Die Befreiung der Geiseln kann es nicht sein, denn gerade, als es Fortschritte der Verhandlungen zu geben schien, befahl Netanjahu die Exekution führender Hamas-Funktionäre in Katar. Letztlich getroffen wurden fünf rangniedere Hamas-Mitglieder. Die Zerschlagung der Hamas, die der israelische Regierungschef immer wieder betont, erscheint nach zwei Jahren intensiver Kampfhandlungen auf militärischem Weg als offensichtlich nicht machbar", schreibt die TAZ.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER moniert: "Es ist keine gute Entwicklung, dass sich US-Außenminister Rubio dazu hinreißen lässt, eine diplomatische Lösung des Gaza-Konflikts zu bezweifeln. Die USA geben Premierminister Netanjahu damit einen Freibrief. Die erneute Offensive haben selbst israelische Militärs abgelehnt, doch sie hält Netanjahu im Amt, weil sie seine rechtsradikalen Regierungspartner dem Ziel einer Annexion des Gaza-Streifens näherbringt", analysiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt fest: "Nicht nur im Ausland, auch innerhalb Israels wächst die Sorge, dass sich der Staat unter Netanjahu endgültig isoliert, dass seine rechtsreligiöse Regierung zu einem unberechenbaren, unaufhaltsamen Faktor im Nahen Osten wird, nicht mehr zugänglich für Diplomatie und auch nicht für Debatten innerhalb Israels. Die Entwicklung gefährdet die Region – und langfristig auch die Sicherheit von Juden", vermutet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus geht auf das deutsch-israelische Verhältnis ein: "Die Frage, ob man seiner historischen Verantwortung gerecht wird, indem man den jüdischen Staat bedingungslos unterstützt oder indem man ihn vor möglichen Fehlern zu bewahren hilft, ist in der Bundesregierung nicht abschließend geklärt. Allerdings wächst der Druck auf eine Positionierung Deutschlands. In der kommenden Woche wollen Frankreich, Großbritannien und Kanada Palästina als Staat anerkennen. Gleichzeitig wird in der EU heftig über Sanktionen debattiert. Auch in Merz' Regierungskoalition ist man sich nicht einig. Hier könnte es in den kommenden Wochen noch zu heftigen Diskussionen kommen", glaubt die LAUSITZER RUNDSCHAU. Und damit endet diese Presseschau.