20. September 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden die Beratungen der EU-Umweltminister über die Klimaschutzziele. Daneben geht es um die politische Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Absetzung der Moderatorin Julia Ruhs. Zunächst jedoch zu den Vorschlägen der EU-Kommission für neue Sanktionen gegen Russland.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, spricht im EU-Hauptquartier in Brüssel.
Ein Thema: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat Vorschläge für ein neues Sanktionspaket gegen Russland vorgestellt (Archivbild). (Virginia Mayo/AP/dpa)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG glaubt: "Die EU muss inzwischen zwei Leute davon überzeugen, dass sie es ernst meint mit ihren Sanktionen gegen Russland: Putin, aber auch Trump. Gemessen daran ist der Vorschlag, den die Kommission für das 19. Sanktionspaket vorgelegt hat, leider nicht ausreichend. Bis zum Januar 2027 soll es immer noch dauern, bis die Einfuhr von Flüssiggas nach Europa vollständig untersagt ist; Ungarn und die Slowakei sollen sogar noch länger Erdgas aus Russland beziehen können. Putin kann also damit rechnen, dass diese Einnahmequellen zur Finanzierung seines Angriffskriegs in der Ukraine noch lange Zeit nicht versiegen. Und von Sekundärsanktionen gegen China und Indien, wie Trump sie fordert, ist auch nicht die Rede in der Vorlage", moniert die F.A.Z.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm stellt fest: "Erst kürzlich hat US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahrgemacht und gegen Indien als erstes Land sogenannte Sekundärsanktionen verhängt, weil es mit Russland Handel treibt. An China, das ebenfalls viel russisches Öl kauft, traut Trump sich bisher nicht heran. Ähnlich unentschlossen sind die Sanktionen der Europäer. Vom russischen Flüssiggas hat Europa sich zum Unmut Trumps bisher immer noch nicht abgekoppelt. Und ob es wie angekündigt bis 2027 damit etwas wird, ist unklar. Vom russischen Öl ganz zu schweigen", gibt die SÜDWEST PRESSE zu bedenken.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU bilanziert die Beratungen der EU-Umweltminister. Diese konnten sich nicht "auf ein klares CO2-Reduktionsziel für 2035 einigen, das als starkes Signal in den bevorstehenden UNO-Klimagipfel in Brasilien hätte getragen werden sollen. Auch die Festlegung des Ziels für 2040 wurde kurzerhand vertagt. Zurück bleibt ein Bild der Uneinigkeit – und der Eindruck, dass die EU, die zuletzt wieder als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz galt, ihre Ambitionen zurückschraubt. Dabei wäre jetzt Führung gefragt. Nach dem Ausstieg der Trump-USA aus dem Pariser Weltklimaabkommen und angesichts weltweit trotz der Beschlüsse weiter steigender Emissionen schaut die Weltöffentlichkeit auf Europa", betont die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die Zeitung ND.DER TAG beleuchtet die deutsche Strategie: "Die angeblich so geschwächte Wirtschaftsmacht Deutschland verfügt nach wie vor über besonderen Einfluss in Brüssel und lässt diesen gerade in Umweltfragen spielen. Die Berliner Vertreter stellen sich aus Imagegründen zwar nicht offen auf die Seite von Viktor Orbán und anderer Ultrarechter, denen jeglicher Klimaschutz fremd ist. Doch de facto macht man auf leisem Wege deren Geschäft, indem man Mehrheitsentscheidungen ausbremst und lieber auf das EU-Gipfel-Einstimmigkeitsprinzip setzt. Wohl wissend, dass dabei wenig Gutes fürs Klima herausspringen wird", schreibt ND.DER TAG.
Die BERLINER MORGENPOST mahnt: "Die Zeit drängt. Im November findet im brasilianischen Belém die diesjährige Weltklimakonferenz statt. Bis dahin sollen alle Vertragsstaaten des Pariser Klimaschutzabkommens neue Pläne vorlegen, wie sie bis 2035 Emissionen senken wollen. Die Logik des Abkommens: Mit jedem neuen Plan sollen die Ziele – und mit ihnen die tatsächliche Politik – ein bisschen ehrgeiziger werden, sodass die Staatengemeinschaft am Ende gemeinsam die große Lücke schließen kann, die jetzt noch existiert zwischen dem Status Quo und dem, wo die Emissionen hinmüssen. Wenn aber jetzt selbst Vorreiter wie die EU sich nicht dazu durchringen können, weiterhin ernsthaft auf Klimaschutz zu setzen, dann wird es schwer, andere davon überzeugen", schätzt die BERLINER MORGENPOST.
Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg beobachtet: "In der öffentlichen Debatte ist, wenn überhaupt über das Klima gesprochen wird, immer häufiger von Klimaanpassung anstatt von Klimaschutz die Rede. Aus Resignation? Oder eher Desinteresse? Es gibt sie zwar noch, das Pariser Klimaabkommen, den European Green Deal, die deutschen Klimaziele. Maßnahmen zur Umsetzung werden aber eher unengagiert abgearbeitet, wenn nicht gleich ausgebremst, abgeschwächt, verschoben. Das hehre 1,5-Grad-Ziel ist kaum mehr zu erreichen. Tun wir halt nur noch, was unbedingt sein muss." Soweit die BADISCHE ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR beschäftigt sich mit der politischen Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Anlass ist das Aus für die Moderatorin Julia Ruhs beim Norddeutschen Rundfunk: "Man ist als Zuschauer ja viel gewöhnt, aber der NDR, Deutschlands Spezialist für betreutes Fernsehen, hat den Bogen jetzt dermaßen überspannt, dass aus dem Murren parteiübergreifend ein Aufschrei geworden ist. CDU-General Linnemann verlangt das Einfrieren des Rundfunkbeitrags, FDP-Urgestein Kubicki die Kündigung des Rundfunkstaatsvertrags, weil die Rundfunkfreiheit, die dieser gewährleisten soll, nicht mehr gegeben sei, wenn große Teile der Bevölkerung mit ihren Sichtweisen vom ÖRR ausgegrenzt werden. Sogar SPD-Chef Klingbeil und Linken-Fraktionschefin Reichinnek ärgern sich über den Fall Ruhs. Natürlich kann der ÖRR trotzdem so weitermachen wie bisher. Doch das wäre gefährlich. Die Programmverantwortlichen müssen sich entscheiden, ob sie ihre Sender wieder zum Zentrum einer lebendigen demokratischen Debatte machen. Oder ob sie auf einen Trump warten wollen, der die Sender schleift, um sie zu seinem Herrschaftsinstrument zu machen", argumentiert der MÜNCHNER MERKUR.
Die FRANKFURTER NEUE PRESSE vertritt diese Ansicht: "In der Situation der angekratzten Glaubwürdigkeit ist die Entscheidung des NDR folgenschwer: Alle Kritiker fühlen sich bestätigt, die Empörungsspirale dreht sich, Julia Ruhs wird ihr Buch noch besser verkaufen. Dass sie beim BR weiter beschäftigt ist, dass mit Tanit Koch eine Konservative als Nachfolgerin eingestellt wurde, interessiert da kaum noch. Denn wenn fast alle Redakteure als rot-grüne Haltungsjournalisten wahrgenommen werden, wirkt eine einzige Sendung, die dazu ein Gegengewicht schaffen soll, nur wie ein Feigenblatt. Doch der gesamte Denkansatz scheint absurd. Streben nach Objektivität bedeutet, dass ein Journalist sich selbst zurücknimmt und versucht, sich so neutral wie möglich einem Thema zu nähern", hält die FRANKFURTER NEUE PRESSE fest.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE findet: "Für die Kritik an journalistischen Angeboten ist es bitter nötig, diese endlich wieder an journalistischen Maßstäben zu bemessen. Zu denen sollte selbstverständlich Ausgewogenheit zählen, nicht die unterstellte politische Verortung einer Moderatorin. 'Klar' jedenfalls ist ein völlig legitimes journalistisches Angebot, das man als journalistisch gelungen oder misslungen bewerten kann. Nicht mehr, nicht weniger. Warum Ruhs es nicht auch künftig im NDR moderieren darf, ist unverständlich. Was den Umgang mit Meinungen angeht: Die muss man aushalten können – gleich, aus welcher Richtung sie kommen", unterstreicht die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Das STRAUBINGER TAGBLATT analysiert: "Das Schlagwort 'Cancel Culture' haben Populisten und Extremisten in der Vergangenheit nicht nur in den USA gerne genutzt, um den öffentlichen Diskurs wieder für Ansichten zu öffnen, die man in liberalen Demokratien für überwunden hielt. Nun vertauschen sie die Rollen und wollen selbst bestimmen, was nicht mehr gesagt und diskutiert werden darf. So erhielt etwa die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali Morddrohungen, nachdem sie im 'heute journal' Kirks 'abscheuliche, rassistische, sexistische und menschenfeindliche Aussagen' ansprach. Auch hierzulande finden sich Menschen, die den rechten Aktivisten als politischen Märtyrer verklären wollen. Wenn sie dafür keinen Widerspruch mehr erhalten, haben sie gewonnen", kommentiert das STRAUBINGER TAGBLATT, mit dem diese Presseschau endet.