16. Oktober 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute geht es noch einmal um den Koalitionsstreit über das Thema Wehrdienst, aber auch um den Umgang mit der AfD im Bundestag und um Wege aus der innenpolitischen Krise in Frankreich.

Soldaten stehen stramm beim Indienststellungsappell des Unterstützungskommandos der Bundeswehr auf der Hardthöhe in Bonn. Die Soldaten tragen ein rotes Barett und graue Uniformen.
Der Streit um die Zukunft des Wehrdienstes steht erneut im Mittelpunkt zahlreicher Zeitungskommentare. (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin schreibt zum ersten Thema: "Natürlich sollen Union und SPD gerade bei einem so weitgehenden Grundrechtseingriff wie einer möglichen Wehrpflicht auch hart miteinander ringen dürfen. Vor- und Nachteile einer von CDU und CSU vorgeschlagenen Musterungs-Lotterie müssen erörtert werden. Der Verteidigungsminister muss seine Kritik daran vorbringen, dass die Truppe damit im Ernstfall nicht über die körperliche Verfassung eines ganzen Wehr-Jahrgangs Bescheid wüsste. Auf gar keinen Fall aber darf es passieren, dass eine Stunden zuvor anberaumte Pressekonferenz, auf der das Ergebnis dieses Ringens der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, einfach sang- und klanglos abgesagt wird." Sie hörten den TAGESSPIEGEL.
DIE ZEIT geht den Vorschlag einer Entscheidung per Los noch einmal kritisch durch. "Unter denjenigen, auf die das Los fällt, sollten die Freiwilligen für den Wehrdienst gewonnen werden. Kämen dabei nicht genügend Männer zusammen, sollte aus dem Pool der Gelosten zwangsverpflichtet werden. Allerdings können diejenigen, die das betrifft, dann wiederum den Kriegsdienst verweigern. Für diese Verweigerer müsste dann ein Ersatzdienst gefunden werden, etwa in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Kindertagesstätten. All das, wie gesagt, nur für diejenigen, die das Los getroffen hat. Das klingt nicht nur unfair. Es dürfte den Grundsatz der Wehrgerechtigkeit verletzen", vermutet DIE ZEIT.
Das Magazin DER SPIEGEL schaut auf die Sozialdemokraten. "Immer wieder hat die SPD in Fragen der Sicherheitspolitik in den vergangenen Jahrzehnten mit sich selbst gehadert. Noch in jüngster Zeit wirkte nach, was in Teilen der SPD als Friedenspolitik gilt und doch eher naiver Wirklichkeitsverzerrung gleicht: 2020 widersetzte sich die Partei in der Koalition mit der Union der Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen. Eine Waffe, die bekanntlich in den jüngsten Kriegen wie in der Ukraine zu einem entscheidenden Faktor geworden ist. Die SPD darf bei der Wehrpflicht nicht erneut alte Fehler machen. Gerade für eine angeschlagene Partei braucht es jetzt Mut zu unpopulären, aber notwendigen Entscheidungen – auch gegen Widerstand in den eigenen Reihen", findet DER SPIEGEL.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg ist ungehalten. "Der Reinfall bei der Wehrdienst-Lotterie untermauert, dass diese Koalition so gut wie kein Gesetz, keine Entscheidung ohne Grundsatzstreit zustande bekommt. Die Konfusion wäre vermeidbar gewesen, wenn die Koalition sich entweder klar für den freiwilligen Wehrdienst oder aber für eine Wehrpflicht entschieden hätte. Dafür fehlte Kanzler Friedrich Merz und seinen Ministern, die in Talkshows vor Entschlossenheit strotzen, der Mut."
Ähnlich kritisch klingt die AUGSBURGER ALLGEMEINE. "Das Problem des Fahrens auf Sicht ist doch: Niemand sieht die Mauer hinter der nächsten Kurve kommen. Und so passiert CDU, CSU und SPD also immer wieder das Gleiche: Sie fahren den Laden ohne Not an die Wand. Jüngste Blechschäden: Rente und Wehrpflicht. Was dem Kanzler fehlt, sind Manager der Macht, die Hindernisse aus dem Weg schaffen, bevor es zur Kollision kommt."
Und die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schließt: "Der Streit um den Wehrdienst dürfte gerade nur Wladimir Putin erfreuen. Während in Russland die Panzer vom Fließband rollen und ein Heer von 1,3 Millionen, teils kriegserfahrenen Soldaten bereit steht, kann man sich hierzulande offenbar nicht einmal darauf verständigen, Menschen anzuschreiben und ihnen ein Angebot zu machen."
Nun zum zweiten Thema. "Angesichts der verheerenden Umfrageergebnisse wird in der CDU mal wieder über den Umgang mit der AfD diskutiert", schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER. "Mit einer Sache hat der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber dabei nicht ganz unrecht: Die vielbeschworene Brandmauer hat den Erfolg der Rechtspopulisten jedenfalls nicht eindämmen können – im Gegenteil." Weiter heißt es dann in dem Kommentar: "Das permanente Gerede über Abgrenzung lässt die AfD geradezu als Sehnsuchtsort erscheinen für die enttäuschten Wähler, die sich nicht für Ideologien interessieren, sondern für Ergebnisse."
Die Zeitung DIE WELT sieht vor allem den bisherigen Kurs von CDU und CSU kritisch. "Noch hat die Union vielleicht die Möglichkeit, einen gewissen Einfluss darauf zu nehmen, wie sich die AfD entwickelt, schließlich ist ihr eigenes Schicksal eng damit verknüpft. Noch. Oder sie macht einfach weiter wie bisher, entkoppelt sich vom Wählerwillen durch linke Koalitionsoptionen und entbindet die AfD vom Beweis auch nur irgendeiner politischen Fähigkeit – bis Letztere irgendwo die absolute Mehrheit knackt, was tatsächlich im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt der Fall sein könnte. Dann hätte die Union nicht nur die Wahl verloren, sondern auch die endgültige Untauglichkeit der Brandmauer demonstriert, allerdings völlig fremdbestimmt und also ziemlich ärmlich." Das war ein Auszug aus der Zeitung DIE WELT.
Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG unterstreicht: "Tatsächlich stellt sich nicht nur für die CDU, sondern auch für die SPD dringender denn je die Frage nach Machtoptionen in Parlamenten, in denen sie gemeinsam nicht mehr die Mehrheit haben, die AfD aber mindestens über eine Sperrminorität verfügt, wenn nicht gar die stärkste Fraktion stellt - und für die Union eine formelle Kooperation mit der Linkspartei ebenso wenig infrage kommt wie jede Art der Berührung mit der AfD seitens der SPD. Anstatt sich an fiktiven Mauern die Köpfe einzurennen und Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu dogmatisieren, wäre es vielleicht klüger, das politischen Feld entlang von Handlungsfeldern mit Linien zu vermessen, die zur Orientierung wie zur Abgrenzung dienen. So ließen sich vielleicht Mehrheiten finden, wo herkömmliche Wege nicht mehr zu Ergebnissen führen", überlegt die F.A.Z.
Die TAZ, die TAGESZEITUNG aus Berlin, fasst sich kurz: "Die AfD will die CDU zerstören, die Gesellschaft spalten und die Gräben so unüberbrückbar vertiefen, dass die Union irgendwann gezwungen sein soll, mit Rechtsextremen zu kooperieren. Die CDU sollte angesichts dieser auch für sie existenziellen Bedrohung stabil und demokratisch bleiben", urteilt die TAZ.
Und zum Schluss noch ein Blick nach Frankreich. "In Paris wird Geschichte geschrieben", steht für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest. "In Echtzeit kann ganz Europa verfolgen, wie die alten Spielregeln der französischen Politik verändert werden. Neu daran ist nicht, dass eine unbeliebte Reform, nun eben die Rentenreform, verschoben wird. Das hat es oft gegeben, aber dahin führten in der Fünften Republik nur zwei Wege: Massenproteste oder ein Wahlsieg der Opposition. Seit Dienstag erlebt Frankreich erstmals die Möglichkeit des parlamentarischen Kompromisses in einer so wichtigen Frage. Da die Regierung auf die Sozialisten angewiesen ist, um nicht abgewählt zuwerden, und die Sozialisten nicht möchten, dass die Assemblée nationale aufgelöst wird, ergibt sich ein gemeinsames Interesse an diesem Weg", schlussfolgert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die Zeitung ND.DER TAG gibt sich ebenfalls eher optimistisch. "Der Premier hat in seiner Regierungserklärung das Aussetzen der Rentenreform angekündigt und die Sozialisten haben in aller Form auf ein Votum gegen die Regierung verzichtet. Auf der Strecke bleibt dabei die Einheit der Linken. Nur ist deren zur Parlamentswahl 2024 gegründetes Wahlbündnis Neue Volksfront schon seit Monaten nur noch ein Schatten seiner selbst. Den Sozialisten scheint es ganz recht zu sein, allein zu stehen, denn so können sie sich besser als potenzielle Regierungspartei profilieren. Vielleicht käme so auch eine Große Koalition zustande. Für Frankreich wäre das ein echtes Novum", betont ND.DER TAG.