28. Oktober 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden der Zustand der Koalition und das Bürgervotum für eine mögliche Olympia-Bewerbung Münchens. Beachtung findet auch die politische Entwicklung in Argentinien.

Präsident Milei steht zwischen einer Menschenmenge und jubelt mit ausgestreckten Armen.
Präsident Milei hat in Argentinien einen Erfolg in den Zwischenwahlen. (AP / Rodrigo Abd)
"Die Zwischenwahlen zum Kongress haben Präsident Milei einen überraschend klaren Wahlsieg beschert", konstatiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Der Sieg seines Bündnisses, der die politische Basis der Regierung im Kongress stärkt, gilt als wegweisend für die Fortsetzung des eingeschlagenen harten Spar- und Reformkurses. Nun kommt der schwierige Teil der Aufgabe. Milei muss strukturelle Reformen auf den Weg bringen. Mit permanenter Konfrontation, mit Dekreten und Vetos kommt er dabei nicht weiter. Es braucht Konsens und Kompromiss, um klare Mehrheiten zu bilden", schreibt die F.A.Z.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU führt aus: "Das überraschende Wahlergebnis in Argentinien muss man als eine Wette auf die Zukunft lesen. Die Menschen in dem südamerikanischen Krisenstaat setzen darauf, dass die von der rechtspopulistischen, neoliberalen Regierung versprochenen Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen auch wirklich kommen. Bisher haben sie nur die Schattenseiten des monumentalen Reformprogramms mit der Kettensäge zu spüren bekommen: Seit nahezu zwei Jahren verarbeitet Staatschef Javier Milei die argentinische Wirtschaft im Wesentlichen zu Kleinholz. Er hat Arbeitsplätze vernichtet, Subventionen kassiert, Preise freigegeben. Die Medizin war bisher bitter, die Gesundung ist noch nicht eingetreten", vermerkt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die USA hatten Argentinien vor der Abstimmung Hilfen für die angeschlagene Währung des Landes in Aussicht gestellt. Nach Einschätzung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG war das ein Grund für Mileis Wahlerfolg: "US-Präsident Trump knüpfte sein milliardenschweres Hilfspaket an eine Bedingung: Die Argentinier sollten bei der Zwischenwahl für Milei stimmen, nur dann werde das Geld fließen. Zumindest bei einem Teil der Wählerschaft dürfte das verfangen haben, auch weil die Erinnerung an den Staatsbankrott von 2001 noch sehr präsent ist. Wichtiger aber ist - und das ist der zweite Grund: Viele Menschen in Argentinien haben keinen Anlass zu glauben, dass es ihnen unter einer anderen politischen Führung besser erginge. Die linken Peronisten um die Ex-Präsidentin Kirchner haben das Land in den vergangenen Jahrzehnten abgewirtschaftet", erinnert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die Zeitung ND DER TAG formuliert es so: "Die Ansage von Trump ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. 40 Milliarden frische US-Dollars an Kredit und Währungsswap ja – aber nur unter einer Bedingung: Milei muss weiter als Präsident die Zügel in der Hand halten und seinen ultrarechten Anpassungskurs fortsetzen dürfen. Voraussetzung dafür war eine Stärkung bei den Zwischenwahlen zum Kongress. Die ist gelungen. Doch der wirtschaftliche Crash, der durch die frischen Dollars aufgeschoben wird, ist unvermeidbar, wenn Milei seinen Kurs beibehält. Der überbewertete Peso bricht Argentiniens Wirtschaft das Genick. Die Zeichen stehen jetzt schon eindeutig auf Rezession. Den Argentinier*innen droht ein böses Erwachen", befürchtet ND DER TAG.
Die Zeitung DIE WELT bewertet die Lage anders. "Die Hoffnung, dass es in Argentinien weiter aufwärts geht, ist berechtigt. Denn das Potenzial dieses geschundenen Landes, das einst zu den reichsten der Welt zählte, ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Und Milei verfolgt ambitionierte Wirtschaftsziele. Bundeskanzler Friedrich Merz versprach Deutschland bekanntlich ebenfalls ein wirtschaftliches Comeback. Doch schon vor seiner Wahl hatte der CDU-Vorsitzende klar gemacht, dass er Milei keinesfalls als Vorbild sieht. 'Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, tritt die Menschen mit Füßen', sagte Merz damals. Inzwischen sollte ihm klar geworden sein, dass dies ein krasses Fehlurteil war. Und viele Merz-Wähler fragen sich heute, ob der Kanzler mit seiner schwarz-roten Koalition überhaupt einen Kurs verfolgt, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder flott zu machen", heißt es in DER WELT.
Damit kommen wir zur Innenpolitik. In der sogenannte Stadtbild-Debatte haben nun mehrere SPD-Abgeordnete ein Spitzentreffen im Kanzleramt gefordert. Der TAGESSPIEGEL hält fest: "Ist doch klar, wonach das klingt, jedenfalls in den Ohren dessen, den es angeht: Friedrich Merz. Er wird denken, sie wollten ihn vorführen, nach dem Motto: Das hast du davon, wenn du so redest, du hast ja keine Ahnung. Nur, wie Merz gebaut ist, wird er empfindlich reagieren. Ein Tribunal führt selten weiter, nicht unter Partnern, bei Merz erst recht nicht. Wenn sich die SPD-Abgeordneten darüber vorher keine Gedanken gemacht haben sollten, ist es das eine. Schlimmer ist, dass ihre Fraktionsführung, ihre Führung überhaupt, solch ein Vorgehen zulässt. Das lässt auf der anderen Seite, bei der Union, schon auch den Schluss zu, dass es hier nicht in erster Linie um die Sache geht. Die hätte es allerdings verdient. Wohnungsnot, verwahrloste öffentliche Räume, das Gefühl fehlender Sicherheit – sich auf Erreichbares zu verständigen, ist nichts, was Merz und die Seinen ablehnen könnten. Und die SPD-Führung könnte hier mal zeigen, was sie kann. Ob sie es kann," überlegt der TAGESSPIEGEL aus Berlin.
Die VOLKSSTMME kommentiert: "Friedrich Merz hat die Begriffe Stadtbild und Migration bei einem Nullachtfünfzehn-Termin verbunden und damit der CDU mehr konservatives Profil verliehen als drei Parteitage. Die Wucht der ausufernden Debatte zwang die SPD-Führung nun, einen 'Stadtbild'-Gipfel im Kanzleramt vorzuschlagen - um den Merz-Gegnern in der eigenen Partei Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Es ist höchste Zeit, die Folgen der Aufnahme von Millionen Flüchtlingen in Deutschland realistisch zu bilanzieren", fordert die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
"Die beiden Koalitionäre schenken sich nichts", bilanziert die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG. "Ob Richterwahl oder Stadtbild-Debatte: Union und SPD kommunizieren lieber über die Medien oder gar Offene Briefe miteinander, statt das direkte Gespräch zu suchen. Vertrauen entsteht so nicht. Union und SPD hilft nur ein Ausweg: Sie müssen sich zusammenreißen. Wie schon bei der 'Ampel' handelt es sich um keine Traumkoalition. Aber die jetzige Regierung ist zum Erfolg verpflichtet, weil ansonsten diejenigen immer stärker werden, die nicht nur die CDU, sondern die gesamte Demokratie zerstören wollen." Das war die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Zum Schluss der Blick nach München. Dort haben sich die Bürger für eine mögliche Olympia-Bewerbung ihrer Stadt ausgesprochen. Die TAGESZEITUNG blickt über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus: "Nun geht die Münchner Bewerbung mit starkem Rückenwind in das nationale Rennen um eine deutsche Olympiabewerbung. Dass es eine solche geben soll, ist Wunsch des organisierten Sports und im Koalitionsvertrag festgeschriebener politischer Wille. München legt vor und die anderen drei Interessenten müssen nachziehen. Hamburg, Berlin und die Region Rhein-Ruhr haben schon gestaunt, wie München im Sommer vorgeprescht ist mit der Vorstellung seines Olympiakonzepts und mussten - schneller, als ihnen vielleicht lieb war - nachziehen", fasst die TAZ zusammen.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER schreibt: "Das klare 'Ja' zu Olympia in München strahlt weit über Bayern hinaus. Der Bürgerentscheid hat gezeigt: Großprojekte sind in unserer Republik noch gewünscht. Nordrhein-Westfalen will sich ebenfalls um die Spiele 2036, 2040 oder 2044 bewerben - als 'Region Rhein-Ruhr'. Ein Projekt dieser Größe braucht ein Gesicht. Eine Bewerbung, die unter einem diffusen geografischen Sammelnamen firmiert, wird international nicht verstanden. 'Rhein-Ruhr' kennt in der Welt niemand. Dieses Gesicht kann nur Köln sein"; meint der KÖLNER STADT-ANZEIGER.