05. November 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Stimmen zur Diskussion um den Umgang mit syrischen Flüchtlingen in Deutschland und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Triage.

Symbolbild Bundesverfassungsgericht
Das Triage-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Thema in der Presseschau. (imago | Political-Moments)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt zur Karlsruher Entscheidung: "Vor ihrer Verantwortung drücken wollen sich die Ärzte nicht. Das ist richtig so. Sie ziehen auch dann nicht zurück, wenn es um die Triage geht. Einige Ärzte hatten mit ihrer Haltung jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Sie haben sich gegen eine Regelung aus der Corona-Zeit zur Wehr gesetzt, die ihnen im Fall einer Pandemie Vorgaben machen würde, wie sie die Behandlung von Patienten priorisieren müssen. In Karlsruhe scheiterte die Regelung nun, weil dem Bund die Kompetenz für diesen Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit fehlte. Die Entscheidung sendet ein Signal an jene, die behaupten, dass das Land nicht zu einer Aufarbeitung der Pandemie in der Lage sei. Nicht jeder staatliche Eingriff damals war richtig. Wo Regelungen zu weit gingen, werden sie korrigiert", hält die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fest.
In der STUTTGARTER ZEITUNG ist zu lesen: "Es gehört nicht zu den Kernaufgaben des Bundesverfassungsgerichtes, der Politik das Leben einfach zu machen. Das haben unter anderem die Entscheidungen gezeigt, die das Klimaschutzgesetz oder den Nachtragshaushalt der Ampel gegeißelt haben. In seinen finanziellen Auswirkungen wird der nun ergangene Beschluss zur Triage nicht vergleichbar dramatisch werden. Das Zeug, heftige Wallungen zu verursachen, hat der Richterspruch aber allemal. Die Diskussion darüber, wessen Leben unter welchen Umständen gerettet werden kann – und im Umkehrschluss: welches nicht – hat während der Coronajahre hitzigste Debatten produziert. Damit kann nun, da die entsprechende Regel gekippt worden ist, wieder gerechnet werden. Denn mit Hinweisen darauf, wie es denn richtig gegangen wäre, gehen die Richter eher sparsam um", merkt die STUTTGARTER ZEITUNG an.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz betont: "Die Richter kritisieren nicht, dass der Bund Ärzten in die Berufsfreiheit hineinredet, sondern den Bundesländern in ihre Gesetzgebungskompetenz. Das sei nicht verfassungskonform."
"Ein Urteil darüber, ob auch nur ein einziges verbleibendes Lebensjahr eines behinderten Greises weniger wert wäre als fünfzig prognostizierte Lebensjahre einer jugendlichen Sportskanone, steht niemandem zu", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG und ergänzt: "Dem Staat schon gar nicht, wenn sein Handeln nicht in Barbarei ausarten soll. Das klarzustellen und die himmelschreiende Extremsituation der Triage einzig und allein an den akuten – nicht den langfristigen! – Überlebenschancen der Patienten auszurichten, war der Sinn des überarbeiteten Infektionsschutzgesetzes aus der Zeit der Ampel-Regierung. Hoffentlich sorgen die Länder nun schnell für gleichwertigen Ersatz."
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz findet: "Die Gefahr, dass Ärzte durch starre Vorgaben in ihrem Handeln eingeschränkt werden, ist groß. Jede Notlage ist und war anders, für die gesamte Gesellschaft war die Pandemie eine Ausnahmelage. Der Staat musste und muss den Medizinern die Beinfreiheit lassen, um in der jeweiligen Situation das Richtige tun und damit so viele Menschen wie möglich retten zu können. Nicht auszudenken, wenn Ärzte ihre Entscheidungen, die sie nach bestem Wissen und Gewissen treffen, später bürokratisch rechtfertigen müssen und diese Sorge ihr Denken und Handeln schon in der Notlage blockiert. Die Richter stärken Ärzte und deren Therapiefreiheit. Zugleich weisen sie den Medizinern damit eine größere Eigenverantwortung zu", erläutert die RHEIN-ZEITUNG.
"Enttäuschend ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht auf die Kompetenzfragen beschränkt und die eigentliche verfassungsrechtliche Kritik aus der Ärzteschaft ignoriert hat", kritisiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER: "Offen bleibt so vor allem, ob die sogenannte Ex-Post-Triage verboten werden darf oder sogar verboten werden muss. Wer bekommt nun im Zweifel die knappen Plätze auf der Intensivstation? Wer zuerst erkrankt ist? Oder wer eher überleben kann?"
Die Diskussion über den Umgang mit syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland greift die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf: "Die große Kunst in der Politik ist es, auch bei schwierigen Themen den richtigen Ton zu treffen. Das Spitzenpersonal der CDU zeigt dieser Tage einmal mehr, dass es diese Kunst, nun ja, nicht immer beherrscht. Kurz nachdem die so unnötige wie selbstverschuldete 'Stadtbild'-Debatte endlich abgeklungen ist, diskutiert das Land über Syrerinnen und Syrer in Deutschland. Fast alle sind sich einig, dass es richtig ist, etwa 10.000 Straftäter und andere Ausreisepflichtige nach Syrien abzuschieben, sobald das möglich ist. Die Hauptbotschaften der Union aber sind andere: 'Wir wissen ja, dass ein ganz großer Teil der Syrer zurückkehrenwill', sagt Bundeskanzler Friedrich Merz, 'das werden wir fördern.' Sein Fraktionschef Jens Spahn sekundiert, es sei 'patriotische Pflicht', dass die Geflüchteten zurück gingen und 'ihre Heimat' wieder aufbauten. Man darf diese Äußerungen in vieler Hinsicht fragwürdig finden", so die Meinung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg verteidigt Merz: "Ob nun aus Überzeugung oder Sachzwängen heraus: Der Bundeskanzler macht die Heimkehr der Syrer zur Chefsache. Kriminelle Flüchtlinge sollen Deutschland zwangsweise verlassen, die anderen freiwillig. Das will Merz auch dem syrischen Interimspräsidenten al-Schaara erklären, den er nach Berlin eingeladen hat. Damit erhält die Migration den Stellenwert, den die Koalition zwar in Absichtserklärungen betont, ihr aber bis auf die Grenzkontrollen nicht gegeben hat. Das zeigt sich im fatalen Auftritt des Außenministers Wadephul, der in Syrien befand, dass eine Rückkehr unzumutbar sei. Wadephul ist nach einem Vierteljahrhundert in der Bundestagsblase ins Amt aufgestiegen. Besonders häufig war er bisher im Krisenherd Nahost unterwegs, ohne erkennbare Wirkung. Zudem ließ er eine China-Reise platzen. Nun versucht der Kanzler selbst, Diplomatie mit Ertrag zu betreiben. Wadephul wird in dieser Regierung nicht mehr gebraucht", so das Urteil der VOLKSSTIMME.
Anderer Meinung ist die Zeitung ND.DER TAG: "Bundeskanzler Merz lädt sich gerne illustre Gäste ein, die sich durch ein gebrochenes Verhältnis zu Demokratie und Menschenrechten auszeichnen. So steht der Kriegsverbrecher Netanjahu, in Personalunion israelischer Regierungschef, seit Merz' Amtsantritt auf dessen Gästewunschliste; sein Besuch in Deutschland lässt jedoch noch auf sich warten. Dafür kommt jetzt offenbar der selbst ernannte syrische Übergangspräsident al-Scharaa, der einst unter dem Kampfnamen al-Dscholani für einen an islamistischen Kriterien orientierten Staat focht. Dass er dabei auch schwere Menschenrechtsverbrechen begangen haben könnte, ist mehr als wahrscheinlich. Alles vergessen? Für Merz schon, denn nur ein Ziel zählt: das Terrain zu ebnen für eine massenhafte freiwillige Rückkehr syrischer Geflüchteter aus Deutschland in ihr Heimatland; Reiseunlustige werden auch unfreiwillig abgeschoben", soweit ND.DER TAG aus Berlin.
Der frühere US-Vize-Präsident Dick Cheney ist gestorben. Die NÜRNBERGER ZEITUNG erinnert an den Stellvertreter von George W. Bush, der unter anderem für seine Befürwortung des Irak-Krieges kritisiert wurde: "Dick Cheney war nie ein Neokonservativer. Bis in die späten 1990er Jahre agierte der Republikaner als Realist alter Schule, frei von ideologischem Furor. Das änderte sich an 9/11. Die beklemmenden Stunden im Bunker des Weißen Hauses veränderten, so schildern es Weggefährten, Cheney für immer. Noch am selben Abend äußerte er die Furcht vor einem Anschlag mit Massenvernichtungswaffen. Cheneys Leben zeigte, was passiert, wenn Paranoia die Grundlage für Politik wird. Sie ist dann nämlich schlicht: Wahnsinn", konstatiert die NÜRNBERGER ZEITUNG.