
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Die Glücksgöttin soll wieder ins Spiel kommen können, wenn es nach Ansicht der Koalition doch Grund gibt, sich Sorgen um Deutschlands Sicherheit zu machen. Das wäre der Fall, wenn Putin sich weiter dem Pazifismus verweigerte und nicht genug Freiwillige zur Bundeswehr fänden, um auf die der NATO zugesagte Zahl von aktiven Soldaten und Reservisten zu kommen. Dann müsste der Bundestag die Wehrpflicht wieder reaktivieren. Das hätte angesichts der Bedrohungslage schon jetzt geschehen sollen. Doch gegen die Wehrpflicht gibt es in der SPD weiter Widerstände", moniert die F.A.Z.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemerkt: "Das Ausmaß der sicherheitspolitischen Bedrohung ist bei vielen Abgeordneten immer noch nicht angekommen. Ganz bestimmt nicht bei etlichen in der SPD, die ihren Ruf als Friedenspartei dadurch bewahren wollte, dass sie sich jedem Automatismus zum Pflichtdienst widersetzt hat, sollten nicht genug Freiwillige da sein. So riskiert sie, dass die Aufstockung der Bundeswehr scheitert. Zwar kann der Bundestag in Zukunft Pflichtelemente noch beschließen. Aber das Projekt wird dadurch mühsamer und verliert Zeit. Die Union wiederum stellt sich gern als Partei der Wehrpflicht hin, obwohl sie selbst diese 2011 ausgesetzt hat – doch erstaunlicherweise sind ihre Unterhändler, vor allem Norbert Röttgen, Pistorius sogar in den Rücken gefallen", kritisiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
DIE TAGESZEITUNG - TAZ - meint dagegen: "Dass die SPD nicht bereit war, hier klein beizugeben, ist erfreulich. Das heißt jedoch nicht, dass die leidige Wehrpflichtdebatte damit endlich vorbei ist. Falls sich weniger freiwillige Soldat:innen als von Pistorius erhofft finden, wird sie schnell und mit voller Wucht wieder hochkommen. Entsprechend sollten Gegner:innen eines Zwangsdienstes nicht die trügerische Hoffnung haben, sie hätten die Schlacht bereits gewonnen", steht in der TAZ.
DER TAGESSPIEGEL glaubt: "Union und SPD haben sich nun nach dem amateurhaften Streit vor Monatsfrist professionell zusammengerauft und das Minimum dessen beschlossen, was jetzt nötig ist. Die Debatte über das, was folgen muss, wird aber nicht lange auf sich warten lassen."
T-ONLINE aus Berlin notiert: "Es soll ein Losverfahren ins Spiel kommen, aber nur als 'Ultima Ratio', also wenn alle Stricke reißen. Mit anderen Worten: Hier endete die Kraft zur Einigung. Der eigentliche Knackpunkt, was passiert, wenn der Freiwilligenansatz scheitert, wird in die Zukunft verschoben, weil er in der Gegenwart nicht gelöst werden konnte. Sollten sich also wirklich nicht genügend Freiwillige finden lassen, droht ein weiterer chaotischer Gesetzgebungsprozess", befürchtet T-ONLINE aus Berlin.
Die STUTTGARTER ZEITUNG stellt heraus: "Falls es nicht genügend Freiwillige gibt, soll nun doch eine Lotterie entscheiden, wer unser Land verteidigt - nicht die Besten, sondern Zufallsopfer. Entschlossenheit sieht anders aus."
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg bemängelt: "Die sogenannte Wehrdienstreform ist kein Schritt nach vorn, sondern ein sicherheitspolitisches Glücksspiel – flächendeckende Musterung, dann ein Losverfahren, als würde der Schutz des Landes verlost werden. Deutschland nennt sich 'Führungsmacht', agiert jedoch wie ein Zauderstaat. Erkenntnisse wären da – doch es fehlt am Mut, Verantwortung zu übernehmen. Die Mutlosigkeit von heute wird zur sicherheitspolitischen Katastrophe von morgen", mahnt die SCHWÄBISCHE ZEITUNG.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE stellt fest: "Regieren bedeutet, Menschen notfalls mit unbequemen Dingen zu konfrontieren. Es gleich richtig durchzuziehen und nach einer parlamentarischen Mehrheit für die Aktivierung der Wehrpflicht zu suchen, wäre der klare Weg gewesen. Jetzt muss die Regierung auf genügend Freiwillige hoffen. Kommen die nicht zusammen, geht das Theater von vorne los", heißt es in der AUGSBURGER ALLGEMEINEN.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg bemerkt: "Sogar ein bisschen Pflicht ist dabei: Wenn schon nicht alle tauglichen jungen Männer zum Militärdienst einrücken müssen, so haben sie doch wenigstens zur Musterung zu erscheinen. Der Wehrbeauftragte Henning Otte empfiehlt diese als 'kostenfreien staatlichen Fitnesstest'. Das ist sein Beitrag zum Start der Karnevalssaison", heißt es in der VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER kommentiert: "Alte weiße Männer bestimmen, dass junge Männer gemustert werden. Dann noch ein Losverfahren, das nicht nur von Verteidigungsexperten höchst kritisch gesehen wird und eine erhöhte Vergütung sowie ein Führerscheinbonus, welche vornehmlich einkommensschwache Schichten anziehen werden, wenn man ehrlich ist. Nach einem gerechten System hört sich das nicht an", urteilt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER betont: "Das Prinzip Freiwilligkeit kommt einer jungen Generation entgegen, die sich mit krassen Zumutungen konfrontiert sieht: bei der Rente, beim Klimawandel, bei den Staatsfinanzen. Ihr jetzt aus dem Stand noch mit einer Pflicht zur Verteidigung einer alternden Republik zu kommen, wäre schon ziemlich dicke. Nur: Wenn man die verteidigungspolitischen Bedürfnisse Deutschlands zum Maßstab nimmt, dann ist der Koalitionskompromiss unzureichend", erklärt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz hebt hervor: "Jenseits dieser Koalitionsplänkelei bleibt der tiefe Einschnitt in das Leben einer oder mehrerer Generationen. Zumindest junge Männer müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, zu welchen Opfern sie bereit sind. Eltern wird der Gedanke quälen, was mit ihren Kindern wird, wenn noch mehr Soldaten gebraucht werden, wenn sich die Bedrohungslage verschärft, wenn es noch schlimmer kommt. Auch die Debatte um eine Dienstpflicht für alle wird wieder an Fahrt aufnehmen. Es bleibt dabei, dass niemand eine Waffe in die Hand nehmen muss, der das nicht will – und das von manchen unterstellte begeisterte Kriegsgeschrei gibt es nicht. Vielmehr ist Trauer angebracht. Trauer über den Verlust deutlich sorgloserer Zeiten für die Jugend." Das war die FREIE PRESSE aus Chemnitz.
Themenwechsel: Bei einer Abstimmung im Europäischen Parlament über die Lieferkettenrichtlinie stimmten die konservative Fraktion der EVP gemeinsam mit Rechtsextremen und Rechtspopulisten dagegen. Die PASSAUER NEUE PRESSE schreibt: "Der Beschluss, dass die EU das Gesetz deutlich vereinfachen will, könnte ein guter Tag für die deutsche Wirtschaft sein – würde das Ergebnis nicht von der Abstimmung im EU-Parlament überschattet. Es waren Abgeordnete vom rechten Rand, die dem Vorschlag zur Mehrheit verhalfen. Das ist natürlich unerfreulich. Eine Abstimmung mit einer breiten Mehrheit wäre perfekt gewesen. Andererseits sind Bevölkerung wie Wirtschaft langsam genervt vom Stillstand wegen Parteiblockaden. Es sollte um ein richtiges Ergebnis gehen, nicht um die Stimmen der Falschen", ist in der PASSAUER NEUEN PRESSE zu lesen.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU argumentiert: "Die Konservativen stimmen lieber mit den extremen Rechten, als in der politischen Mitte und links von sich selbst nach Kompromissen zu suchen. Dass da auch Abgeordnete dabei sind, die Menschen verachten und Europa hassen? Passt schon, es geht ja um die Inhalte, nicht wahr? Da müssen die sturen Sozis eben damit leben, dass Politiker:innen von CDU, CSU und AfD – mal wieder – gemeinsam stimmen. Aber für was eigentlich? Befürworter des nun verabschiedeten Entwurfs würden sagen, dass der Mittelstand vor unnötiger Bürokratie geschützt werden soll. Das ist natürlich eine gute Idee, niemand braucht behördlich angeordnete Beschäftigungstherapie ohne Zweck. Was es allerdings braucht, sind Regeln, die die Werte der EU schützen."
