15. November 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert wird die durch die US-Regierung vorgenommene Einstufung der deutschen "Antifa Ost" als Terrorgruppe. Thema sind aber zunächst die Beschlüsse des Koalitonsausschusses von Union und SPD.

Ein Flugzeug startet im letzten Abendlicht auf dem Flughafen Frankfurt am Main.
Ein Flugzeug im Abendlicht (Symbolbild) (dpa / Boris Roessler)
Die TAZ schreibt: "'Wir machen unsere Hausaufgaben', sagte Vizekanzler Lars Klingbeil zu den Ergebnissen. Fragt sich nur: Wer hat die Hausaufgaben aufgegeben? Im Falle der Luftverkehrsabgabe war es definitiv nicht die zurzeit in Brasilien laufende Weltklimakonferenz."
Die STUTTGARTER ZEITUNG ergänzt: "Wer einerseits wie Merz und dessen Partei sinnvollerweise für marktwirtschaftliche Methoden im Kampf gegen den Klimawandel eintritt, kann andererseits die Verteuerung klimaschädlichen Verhaltens nicht ständig unterlaufen – durch höhere Pendlerpauschalen oder jetzt einen Nachlass auf die Ticketsteuer. Das konterkariert alles Wortgeklingel zum Thema Klimaschutz. Und abgesehen davon: Wie kleinkariert sind solche Koalitionsbeschlüsse, gemessen an der Anforderung, vor der die Bundesregierung tatsächlich steht. Sie muss eine habhafte Wirtschaftskrise, die das Land mehr und mehr lähmt, endlich in den Griff bekommen. Wenn der Koalition nicht mehr dazu einfällt als ein Rabatt auf die Ticketsteuer, arbeitet sie am eigenen Scheitern", prognostiziert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR führt aus: "Die Ticketsteuer sinkt schon wieder, und die Industrie kriegt endlich ihre von Robert Habeck versprochenen Energiesubventionen. Am Abschied vom Verbrenner-Aus wird gebastelt. Doch machen diese Notmaßnahmen noch keinen 'Herbst der Reformen', allenfalls einen Herbst der Reparaturen: CDU, CSU und SPD wickeln mit ihren Beschlüssen nur ihre falsche Politik der letzten Jahre ab. Die Volksparteien geben damit zu, dass die klimapolitisch gewollte Verteuerung der Energie die deutsche Wirtschaft an den Rand des Abgrunds geführt hat", moniert der MÜNCHNER MERKUR.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kann keine Aufbruchstimmung erkennen: "Die Beschlüsse sind – abgesehen vom Industriestrompreis und der niedrigeren Luftverkehrssteuer – eher kompliziert, noch vage oder ziemlich technisch. Andererseits sind sie gerade in ihrer Kleinteiligkeit und Komplexität die perfekte Illustration, was Regieren in der ebenfalls höchst komplexen Gegenwart bedeutet: ein zähes, von ständiger Kompromissfindung geprägtes Vorwärtskommen auf schwierigem Gelände. Das Problem dieser Regierung aber ist, dass sie ihre Schritt-für-Schritt-Politik als großen Wurf zu vermarkten versucht, während jeder sehen kann, dass sie sich vor besonders heiklen, aber eben auch besonders wichtigen Entscheidungen drückt", vermerkt die SÜDDEUTSCHE.
Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN finden: "Vom 'Herbst der Reformen' hat Bundeskanzler Merz mal gesprochen – aber leider das Jahr nicht genannt. Was 2025 passiert, ist definitiv zu wenig."
Die FREIE PRESSE blickt auch auf den Haushalt 2026 und notiert: "Merz orientiert sich mit seinem Politikstil bislang stark an den Großen Koalitionen unter Merkel, die er selbst immer kritisiert hat. Das bedeutet, Schwarz-Rot hat eine hohe Bereitschaft, Konflikte mit Geld zuzuschütten. Genau dieses Geld haben sich Merz und Klingbeil durch die Änderungen an der Schuldenbremse verschafft. Es soll in die Verteidigung und in die Infrastruktur fließen. Aber die Haushaltsjongleure haben ein großes, keinesfalls lobenswertes Geschick darin bewiesen, Geldposten kreativ hin- und herzuschieben", beobachtet die FREIE PRESSE aus Chemnitz.
Die ZEIT sieht es so: "Inzwischen wird immer deutlicher, wie verschwenderisch die Regierung die finanziellen Spielräume nutzt, die sie sich durch die Aufnahme neuer Schulden geschaffen hat. Führende Ökonomen sind überzeugt: Ein erheblicher Teil der Mittel wird gar nicht zusätzlich investiert, sondern verwendet, um Haushaltslöcher zu schließen – allen Warnungen zum Trotz. Das ist nicht nur fatal, weil die Regierung es anders versprochen hatte. Sondern auch, weil Investitionen in die Infrastruktur dringend nötig sind. Die Regierung hat sich selbst unnötigerweise in eine vertrackte Situation gebracht. Trotz des Sondervermögens ist die Finanzlage im Kernhaushalt enorm angespannt. Doch Schwarz-Rot hat es weder geschafft, die Ausgaben im Haushalt deutlich zu begrenzen, noch die Einnahmen durch Steuerreformen zu verbessern. Vielmehr werden geplante Steuerentlastungen zum Beispiel für die Gastronomie, für Pendler oder die Landwirtschaft den Haushalt künftig zusätzlich belasten – ohne dass dadurch Wachstumseffekte zu erwarten sind. Von der Mütterrente ganz zu schweigen", kritisiert die ZEIT.
Auch die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG bemängelt: "Das Geld fließt – anders als angekündigt – nicht in neue Projekte, sondern in bereits Versprochenes. Der Haushalt 2026 ist ein Blankoscheck, für dessen Deckung nachfolgenden Generationen herangezogen werden. Mit ihrem Geld müssen dann nicht nur die Klimawandelfolgen, sondern auch eine nicht gekannte Schuldenlast finanziert werden. Statt zu neuen Schulden zu greifen, hätte Schwarz-Rot sich lieber der Finanzmärkte angenommen. Wenn immer mehr Geld ohne traditionelle Arbeit – zum Beispiel an Aktienmärkten – verdient wird, dann muss der Staat genau diese Quellen steuer- und abgabentechnisch erschließen. Das wäre ein in jeder Beziehung fairer Ansatz", heißt es in der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Themenwechsel. Die US-Regierung hat die linksextreme Gruppierung "Antifa Ost" aus Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Zeitung ND.DER TAG findet, dass die Trump-Regierung - Zitat - "verzweifelt nach Feindbildern sucht": "Aus ihrer Sicht musste sie nach der Tötung des rechtsextremen und regierungstreuen Aktivisten Charlie Kirk Taten liefern. Das bisherige Ergebnis ist jedoch mangelhaft. Man muss die Aktionen, die 'Antifa Ost' vorgeworfen werden, nicht romantisieren. Aber wer diesen von deutschen Behörden und Medien zur kriminellen Vereinigung hochstilisierten Zusammenhang in eine Reihe mit islamistischen Gruppen und rechtsterroristischen Banden stellt, betreibt Propaganda zum politischen Eigenzweck. Antifa-Gruppen erstellen keine Todeslisten und horten keine Waffen. Die US-Regierung verfolgt mit dieser Einstufung das Ziel, progressive Bewegungen in den USA und weltweit an der Seite von Orbán, Wilders & Co. weiter einzuschüchtern", meint ND.DER TAG.
Die WELT sieht das ganz anders: "Die Entscheidung der Regierung Trump ist bemerkenswert und wäre in Deutschland kaum denkbar. Linksextreme Gewalt wird hierzulande nicht selten verharmlost und relativiert; häufig schwingt sogar untergründige Sympathie mit, so als ob strafbare Handlungen eher gerechtfertigt wären, wenn sie auf 'gerechtem Zorn' und 'hehren Idealen' basieren. Das lässt sich auch an aktuellen Beispielen festmachen. Als in der vergangenen Woche das Auto des AfD-Politikers Bernd Baumann in Flammen aufging, blieb es hinsichtlich Solidaritätsbekundungen eher still. Während der Rechtsstaat bei rechten Netzwerken mit maximalem Einsatz agiert, erscheint das Vorgehen gegen linksextreme Strukturen zögerlicher. Zwar wird auch hier ermittelt, doch der öffentliche Druck, die mediale Wucht und die politische Entschlossenheit fallen deutlich geringer aus", moniert die WELT.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER blickt noch einmal anders auf das Thema und fragt: "Was interessiert den US-Präsidenten eine linksextreme Gruppe in Ostdeutschland? Dahinter steckt ein innenpolitischer Feldzug gegen 'Links'. Nach der Ermordung des Aktivisten Charlie Kirk sagte er 'linksextremen Verrückten' den Kampf an und erklärte die Antifa in den USA zur Terrorgruppe – ein Schritt, dessen rechtliche Grundlage unklar ist, weil er nur für ausländische Gruppen vorgesehen ist. Selbst das FBI stellte 2020 fest, die US-Antifa sei eine Ideologie, keine Organisation. Deshalb lässt Trump nun linksextreme Gruppen aus dem Ausland auf die Terrorliste setzen – auch wenn sie für die USA unbedeutend sind. Vor allem drückt Trump der Antifa-Bewegung so den Terror-Stempel auf. Trump schockte vor dem Amtsantritt mit der Idee, das Militär gegen 'Feinde im Innern' einzusetzen. Sein Vize-Stabschef Stephen Miller sagte, die Demokraten seien keine Partei, sondern eine 'inländische extremistische Organisation'. Das ist mehr als besorgniserregend", findet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.