
Der MÜNCHNER MERKUR bemerkt zur Rede von Friedrich Merz in der Generaldebatte: "In seiner Regierungserklärung bat der Kanzler um etwas, was ihm die meisten Deutschen nach sechs Monaten im Amt nicht mehr schenken wollen: Geduld. Und wer wollte ihnen das verdenken? Die Wirtschaft stagniert seit 2019, die Arbeitslosenzahlen steigen, die Industrie flieht. Geduld ist ein Luxus, den sich unser Land nicht mehr leisten kann. Und doch: Eine bessere Wahl als Friedrich Merz, der viel verspricht, aber wegen der Blockade der SPD nur in Mini-Schritten vorankommt, hat unser Land im Moment nicht", glaubt der MÜNCHNER MERKUR.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE wirft dem Kanzler Überheblichkeit vor: "Eine funktionierende Demokratie zeichnet sich durch politische Repräsentation und das Prinzip der Volkssouveränität aus. Der Bundeskanzler erweckt jedoch den Eindruck – die Generaldebatte zeigte es wieder –, über allem zu stehen: Er macht es richtig, die anderen haben es nur noch nicht begriffen."
DIE TAGESZEITUNG - TAZ - notiert: "Er kann also auch anders. Friedrich Merz, der scharfzüngige Redner, der gern mal provoziert und polarisiert, schlug bei der Generaldebatte im Bundestag neue Töne an. In fast präsidialem Stil sprach er von Gemeinsinn und Konsens, rief zu Zusammenhalt und Interessenausgleich auf. Und wird damit Altkanzlerin Angela Merkel plötzlich ziemlich ähnlich. Vielleicht heißt von Mutti lernen ja doch siegen lernen?", überlegt die TAZ.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint zum Auftritt des Kanzlers: "Friedrich Merz versucht den innenpolitischen Befreiungsschlag als Außenkanzler. In seiner Regierungserklärung im Bundestag gibt sich der Regierungschef staatsmännisch, kommt zwischen der Innenpolitik wieder und wieder auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen zurück. Merz' Rede ist rhetorisch runtergedimmt. Mit dem Job als Kanzler geht ein anderer Sound einher als jener, für den er als Oppositionsführer bekannt war. Aber die Botschaft ist klar: Es ist der Appell an die eigenen Reihen, sich nicht in kleinteiligen Auseinandersetzungen zu verlieren, nicht die Stabilität der Koalition aufs Spiel zu setzen und sich auf die Verantwortung für das Land und Europa zu besinnen", resümiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Wuppertal hätte sich mehr Substanz in der Rede des Kanzlers gewünscht, kommt aber zu dem Schluss: "Merz ist nicht in der Lage, die Diskussion auf die Ergebnisse zu verlagern, die seine Regierung zweifellos bereits erreicht hat. Das gelingt ihm deshalb nicht, weil sich der Politikbetrieb in Deutschland in den vergangenen Jahren und mit steigender Intensität in Empörungswettbewerbe verstrickt. Deren Auslöser sind naturgemäß die sogenannten sozialen Medien, in denen jeder auch noch so großen Unsinn ungebremst verbreiten darf. Und die Made im Speck ist die AfD, die sich auf diesem Wege auch in der Generaldebatte im Bundestag zum Zentrum vieler Reden von Abgeordneten gemacht hat. Es geht mithin nicht mehr um Politik, sondern um Darstellung von Politik. Das Geschäft mit der Ordnung von Staat und Gesellschaft ist ein Showgeschäft geworden. Und gerade die gegenwärtigen Regierungsparteien beherrschen es nicht", findet die WESTDEUTSCHE ZEITUNG.
"Bei aller Polemik, die gestern im Bundestag zu hören war, die Generaldebatte hatte beinahe etwas Wohltuendes", heißt es hingegen in den Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN. "Denn unerwartet viel wurde über politische Inhalte gesprochen. Der Kanzler machte seine Punkte, die AfD machte ihre. Die AfD versucht derzeit, mit programmatischer Positionierung auch in spröden Fragen wie der Rentenpolitik ihre vermeintliche Seriosität unter Beweis zu stellen. Dass sich die übrigen Parteien damit aber auseinandersetzen, ist neu. Doch es funktioniert. Plötzlich muss sich die AfD erklären. Wenn dann AfD-Chef Tino Chrupalla die Grünen als 'Schädlinge' bezeichnet, lässt das tief blicken. Wer so krass redet, ist in der Defensive. In die muss man die AfD drängen, indem man ihre Pläne auseinandernimmt. Pauschale Verdammung hat zu nichts geführt", unterstreicht die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die in Düsseldorf erscheinende RHEINISCHE POST schreibt nach der Rede von AfD-Chefin Weidel: "Neben den üblichen, düsteren Szenarien und den scharfen Attacken: So stark, so offen hat die AfD die Union wohl noch nie umworben wie zu Beginn der Generaldebatte im Bundestag. Das zeigt, es ist etwas ins Rutschen gekommen im Land. Die AfD wittert Morgenluft, weil der Herbst der Reformen im Nebel verschwunden ist, oder aber die beschlossenen Maßnahmen etwa für die Wirtschaft noch nicht wirken und der weitere Reformbedarf groß ist. Die AfD hat im Parlament unverhohlen die Machtfrage gestellt und versucht, in die an der Brandmauer taumelnde Union einen noch tieferen Keil zu treiben. Und der Kanzler? Der hat die vergifteten Avancen nur mittelmäßig abgewehrt", hat die RHEINISCHE POST beobachtet.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint dagegen: "Merz grenzte sich erfreulich klar von der AfD ab – während sich Unionsfraktionschef Jens Spahn bemüßigt fühlte, auch die Brandmauer seiner CDU zur Linken weiter hochzuziehen. Als wäre sie genauso nötig wie die Brandmauer zu einer rechtsextremen, rassistischen Partei. So wichtig es ist, die Politik der AfD gemeinsam zu geißeln – ihr Aufstieg wird nur durch eine erfolgreiche demokratische Regierung gestoppt", ist sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU sicher.
Damit zum zweiten Thema. Die schwarz-rote Koalition will die Idee von Bürgerräten begleitend zur Parlamentsarbeit offenbar nicht fortführen. Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Die Idee der Bürgerräte im Bundestag scheint vorerst Geschichte zu sein, auch wenn im Koalitionsvertrag etwas anderes steht und manch ein Sozialdemokrat daran festhalten möchte. Doch dass die Stabsstelle Bürgerräte aufgelöst wurde, ist ein deutliches Zeichen: Einen weiteren Bürgerrat wird es wohl erst einmal nicht geben. Und das ist gut so; auch wenn die Idee hinter dem ersten von der Ampel ins Leben gerufenen Bürgerrat gut klang: Es sollte mehr Teilhabe ermöglicht und die Demokratie gestärkt werden. 160 per Los ermittelte Bürger sollten die Vielfalt der Gesellschaft abbilden und sich dem Thema Ernährung widmen. Ob die Ernährung in diesen Zeiten ein vorrangiges Problem für die Bürger im Land ist, sei dahingestellt, ebenso die Frage, was der Rat in dieser Hinsicht gebracht hat. Wichtiger ist: Derartige Bürgerräte sind weder ein Mini-Deutschland noch beseitigen sie Politikverdrossenheit", urteilt die F.A.Z.
Die Zeitung ND.DER TAG sieht es anders: "In Zeiten wachsender Politikverdrossenheit sind solche Formate dringend nötig. Aber Bundestagspräsidentin Julia Klöckner warnte davor, der Eindruck könne entstehen, die Rolle der Parlamentarier werde eingeschränkt. Das ist Unsinn: Bürgerräte erarbeiten nur Empfehlungen, stärken aber die Zivilgesellschaft – und auf die kommt es heute mehr denn je an. Eine lebendige Gesellschaft ist der beste Schutz gegen ein weiteres Erstarken der AfD", argumentiert ND.DER TAG.
"Der Bürgerrat Ernährung aus der Zeit der Ampelkoalition wird nun als einziges derartiges Projekt des Bundestages in die Geschichte eingehen", hält die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) fest. "Angesichts der Ergebnisse muss man darüber nicht traurig sein. Die Teilnehmer arbeiteten zwar einen Bericht aus. Passiert ist danach aber nichts. Weder die Ampel noch die schwarz-rote Koalition griffen die Ideen auf. Wer den Mut nicht hat, die Ideen von Bürgerräten in Politik umzusetzen, sollte diese Art der Beteiligung gar nicht erst einführen. Eine Simulation von direkter Demokratie erzeugt statt Bürgernähe eher Frust", befindet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG, mit der diese Presseschau endet.
