
"Die Ereignisse in Gießen an diesem Wochenende sind in keiner Weise erfreulich", bilanziert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Das gilt sowohl für das eigentliche Gründungstreffen der neuen AfD-Jugend als auch für das, was sich außerhalb in der Stadt abgespielt hat. Friedrich Merz hat von einer Auseinandersetzung zwischen ganz links und ganz rechts gesprochen. Beginnen wir mit ganz links: Statt eines friedlichen Aufzugs für Freiheit und Demokratie, wie ihn sich Gießens Oberbürgermeister gewünscht hatte, gab es wieder einmal von Chaoten geprägte Proteste. Es ist leider oftmals das Gleiche: Linke Gewalttäter nutzen Demonstrationen, um vor allem Polizisten mit Steinen, Flaschen, Feuerwerkskörpern und anderen Dingen anzugreifen. Derart verteidigen sie aber nicht die Demokratie, sondern sie verletzen sie. Die Gewalt überschattet auch das, was auf der anderen Seite eigentlich vor sich geht – die Inhalte der AfD-Jugend und die damit verbundenen Gefahren geraten ins Hintertreffen. Damit sind wir bei ganz rechts. Denn dort steht die neue AfD-Jugendorganisation ganz sicher", notiert die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Nun ist sie also da, die 'Generation Deutschland', die neue Jugendorganisation der AfD. Die hat sich in Gießen neu aufgestellt, begleitet von den erwartbaren Bildern prügelnder Vermummter sowie der üblichen Bilanzierung von Verletzten und Festnahmen. Von den tausenden friedlich protestierenden Bürgern spricht am Ende solcher Wochenenden kaum jemand. Schon gar nicht Co-Parteichefin Alice Weidel, die die Gelegenheit nutzte, einfach alle – Gewalttäter, Gewerkschaften, Medien – in einen Topf zu werfen und wieder mal den Vergleich zu einem 'repressiven Regimes' zu ziehen", kritisiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Das HANDELSBLATT stellt fest: "Beim Gründungskongress ihrer neuen Jugendorganisation zeigte die AfD offen, wie stark sie auf die Parole 'millionenfache Remigration' setzt. Jeder Hinweis darauf wurde mit Jubel quittiert. Eine Partei, die auf maximalen Konflikt setzt und unrealistische Forderungen als Lösung verkauft, ist kein Partner für eine verantwortungsvolle Debatte – weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich. Deutschland braucht eine ehrliche und sachliche Diskussion über Migration, Rückführungen und Integration. Dafür gibt es klare Zahlen, rechtliche Grenzen und praktikable Instrumente. Die AfD verweigert sich dieser Realität. Sie setzt auf Täuschung und Polarisierung", urteilt das HANDELSBLATT.
Der WESER-KURIER aus Bremen findet: "Dass Zehntausende Menschen gegen die Versammlung demonstriert haben, ist ein legitimes Zeichen des Protestes gegen die AfD. Kontraproduktiv ist aber zu versuchen, die Veranstaltung gezielt zu blockieren. Über Versammlungsverbote entscheiden hierzulande in letzter Konsequenz ausschließlich Gerichte, nicht Aktivistinnen per Selbstermächtigung. Denn das gibt dieser Partei nur die Gelegenheit, sich als unschuldiges Opfer zu inszenieren. Wer die AfD politisch bekämpfen will, muss ihr konfuses Programm, ihre bösartigen Ausfälle gegenüber Migranten und ihre Nähe zu den Autokraten und Diktatoren zum Thema machen", empfiehlt der WESER-KURIER.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus vermutet: "Die beiden AfD-Chefs wollten eine Jugend unter ihrer Kontrolle und haben sie auch bekommen. Doch damit ist jetzt auch klar: Lassen Weidel und Chrupalla etwaige Skandale einfach laufen, geht das auf ihre Kappe. Aus der Kontrolle erwächst Verantwortung."
Die STUTTGARTER NACHRICHTEN wenden ein: "Nicht nur der Chef der neuen AfD-Jugend, auch große Teile seiner Führungskollegen lassen sehr berechtigte Zweifel daran zu, dass diese Gruppe mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Dass Nachwuchsorganisationen in Teilen radikaler sind als die Mutterparteien, das ist normal. Dass sich deren Führungscrew mit Menschen und Gedanken umgibt, die diesen Staat in seiner Form ablehnen, ist es nicht. Die Nachwuchsgruppe soll nun als Kaderschmiede der Hauptpartei dienen. In welche Richtung die dann treiben wird, das ist absehbar", schätzen die STUTTGARTER NACHRICHTEN.
Die LÜBECKER NACHRICHTEN sind überzeugt: "Die junge Generation AfD arbeitet sich nicht mehr an den 'Altparteien' ab, sie bildet ihre eigene Parallelgesellschaft. Dagegen muss sich die Mehrheit der Bevölkerung wehren. Sie muss aufklären, Flagge zeigen, sich ihrer Werte vergewissern. So wie es Zehntausende in Gießen getan haben. Ebenso legitim ist es, den Protest direkt vor die Halle zu tragen. Und der AfD zu zeigen, dass sie in der Stadt nicht willkommen ist. Doch wer Hass mit Hass begegnet, wer das Grundgesetz verteidigen will, indem er es bricht, bietet nur Material für Weidels nächste Selbstverharmlosung. Die AfD lebt vom Hass. Füttern wir sie nicht damit." So weit die LÜBECKER NACHRICHTEN.
Themenwechsel. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG bemerkt zum Bundesparteitag der Grünen in Hannover: "Die Beschlüsse des Treffens legen einen zweiten Teil der neuen Strategie frei. Neun-Euro-Ticket, Solarbonus, eine Extra-Steuer für Privat- und Luxusflüge, eine Zwangsabgabe aus den Gewinnen fossiler Konzerne und sogar die Neuauflage eines Mietendeckels: Die Grünen rücken nach dem Ausstieg ihrer langjährigen Vordenker Robert Habeck und Annalena Baerbock aus dem Realo-Lager wieder ein Stück nach links. Damit reagiert die Partei auf massive Verluste bei den vergangenen Wahlen an die Linke, gerade unter jungen Wählern. Das große Ziel: den Trend umkehren. Ob das wirklich gelingt, ist offen. Ein Ziel aber erfüllt das Treffen schon mal. Die Grünen fassen trotz schwacher Umfragen Mut", lautet das Fazit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Dass auch die Grünen ein Problem mit ihrer Marke haben, ist unübersehbar" betont die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder): "Es gibt wohl kaum eine Figur, an der das so deutlich wird wie Cem Özdemir. Der Grünen-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg liegt ganz vorn, wenn man Menschen im Land fragt, wen sie am liebsten als Ministerpräsident hätten. Doch in Umfragen liegen die Grünen trotzdem weit abgeschlagen hinter der CDU. Die Marke macht’s. Die Frage ist, welche Schlüsse man daraus zieht. In Hannover haben die Grünen nun einen neuen Kurs in der Klimapolitik beschlossen, der soziale Fragen stärker berücksichtigt. Es ist wichtig, an Inhalten zu arbeiten. Aber wer heute in der Politik bestehen will, muss auch darüber hinausdenken. Wie wollen die Grünen wieder gehört werden – und ernst genommen? Darauf scheint die Partei noch keine Antwort gefunden zu haben", kommentiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die Zeitung DIE WELT bewertet das Treffen wie folgt: "Weder den beiden Parteichefs noch irgendeinem anderen Redner gelang es in Hannover, nachvollziehbar und überzeugend darzulegen, wie eine wieder erfolgreiche grüne Zukunft aussehen könnte. Wie die Partei einen Weg aus ihrer Zehn-Prozent-Bubble finden soll. Kurs halten Richtung Mitte, Richtung bürgerlicher, generationengerechter, wirtschaftsfreundlicher Reformen, wie es Parteichefin Franziska Brantner etwas verschämt und Cem Özdemir mit Blick auf die eigenen Wahlchancen in Baden-Württemberg betont deutlich empfahlen? Oder doch lieber jene Kurskorrektur nach links, die Brantners Co-Vorsitzender Felix Banaszak für die bevorstehenden Oppositionszeiten bevorzugt?", fragt DIE WELT.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert: "Jetzt sind die Grünen nicht mehr in der Regierung – doch die Mutlosigkeit setzt sich fort. Die Angst, es sich mit dem Votum für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr mit den Jungwählern zu verscherzen und im Abseits zu stehen, wenn der freiwillige Wehrdienst der schwarz-roten Koalition am Ende doch Erfolg hat, ist zu groß. Das Zögern ist also taktisch motiviert. Dabei ist es genauso, wie die einstige Parteivorsitzende Ricarda Lang sagte: Ängstliche Parteien bilden Meinungen nur ab. Mutige Parteien bilden sie", argumentiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER, mit dem diese Presseschau endet.
