10. Dezember 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zu den Verwerfungen im transatlantischen Verhältnis und zur Friedensnobelpreisträgerin Machado. Doch zunächst nach Brüssel. Die EU will das europäische Lieferkettengesetz abschwächen, das zum Schutz von Menschenrechten beitragen soll.

Ein Junge in einer Textilfabrik in Lahore, Pakistan.
Ein Junge in einer Textilfabrik in Lahore, Pakistan. (AFP / Arif Ali)
Dazu schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Zuletzt wurde der ökonomische Druck einfach zu groß. Die Entscheidung lässt weite Teile der Wirtschaft aufatmen. Angesichts der angespannten ökonomischen Lage, hoher Energiepreise und sich intensivierenden globalen Unsicherheiten ist das nachvollziehbar. Dass die EU nun gewillt ist, ein Stück Realismus walten zu lassen, war notwendig. Aber moralische Verantwortung lässt sich nicht einfach deregulieren. Es muss sich nun zeigen, ob Europas Unternehmen und Bürger reif genug sind, Freiheit mit Haltung zu verbinden. Das Lieferkettengesetz mag abgemildert sein – die Verpflichtung gegenüber der Menschenwürde ist es nicht", unterstreicht die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die RHEINISCHE POST nennt die Brüsseler Einigung einen Meilenstein für Bürokratie-Abbau. "Nun müssen die Staaten rasch zustimmen, Firmen brauchen Planungssicherheit. Zugleich sollte die EU den Schwung nutzen, um bei anderen Bürokratie-Monstern weiterzumachen: Dazu zählen die Entwaldungsverordnung und die maßlosen Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit. Mit grüner Planwirtschaft reguliert die EU ihre Wirtschaft zu Tode. Gut, dass nun die Wende kommt." Wir zitierten die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
DIE FRANKFURTER RUNDSCHAU vertritt diesen Standpunkt: "Es ist ein Euphemismus, die von den Unterhändlern des EU-Parlaments und des Rats der 27 EU-Mitgliedstaaten erzielte Einigung zum EU-Lieferkettengesetz als eine Lockerung zu bezeichnen. Richtig ist: Die Regelung wurde komplett entkernt, bevor sie überhaupt inkraftgetreten ist. Das ursprüngliche Ziel, einen Großteil profitorientierter Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten zu verpflichten, wird verfehlt. Sie sollten ihre Verantwortung nicht mehr auf Zulieferbetriebe abschieben können – das können sie nun aber weiterhin", kritisiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die BADISCHE ZEITUNG ordnet die Entscheidung in einen größeren Zusammenhang ein: "Dass die EU-Regeln zur Überwachung der internationalen Lieferketten entkernt werden, ist ein weiterer Beleg für das Ende einer historischen Phase. In dieser wurde versucht, den weitgehend ungeregelten Weltmarkt zu zivilisieren. Nun gerät der einheitliche Weltmarkt selbst unter die Räder autoritärer Mächte wie China, Russland und Donald Trumps USA. Um in dieser Strömung nicht zu ertrinken, rückt Europa ebenfalls kurzfristige ökonomische Interessen an die erste Stelle und schleift selbstgesetzte Normen. Das ist ein Fehler. Die EU, will sie überleben, muss ihren Kern bewahren: Demokratie, Rechtsstaat und die universellen Menschenrechte, die mindestens theoretisch für alle gelten." Das war die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg.
US-Präsident Trump hat seine Kritik an EU-Spitzenpolitikern und an der europäischen Migrationspolitik bekräftigt. Darauf geht die Zeitung DIE WELT ein: "Trump hat Recht. Der Niedergang Europas manifestiert sich in einer außer Kontrolle geratenen Migrationspolitik und in der Lähmung der Wirtschaft durch Bürokratie und marktfeindliche Klimaziele. Dieser Niedergang ist im genuinen Interesse Russlands. Im amerikanischen Interesse ist er nicht. Die Wahrheit ist meistens bitter. Eine Kränkung ist nur dann heilsam, wenn sie narzisstische Illusionen über die eigene Größe durch ihre Heftigkeit zerstört – und zur Auseinandersetzung mit der Realität zwingt. So könnten die apokalyptischen Visionen eines Kontinents in Auflösung, mit denen Amerika Europa provoziert, Anstoß zu einer echten Renaissance sein – und den Ehrgeiz wecken, dem amerikanischen Partner wieder auf Augenhöhe zu begegnen", hofft DIE WELT.
"Für die AfD ist die US-Außenpolitik eine Win-win-Situation", heißt es in der TAGESZEITUNG. "Wenn es Deutschland schlecht geht, geht es der AfD gut. Ihre Strategen freuen sich darüber, wenn es kriselt – schließlich ziehen die Rechtsextremen aus Unzufriedenheit, zunehmender Armut und sozialen Verwerfungen ihre Kraft. Dass Trumps Zollpolitik Deutschlands Wirtschaft stark schadet, ist ein gerne ignorierter Nebenwiderspruch beim derzeitigen USA-Hype in der AfD. Deren Abgeordnete reisen seit Trumps Amtsantritt gerne nach Amerika, wie nun auch eine Delegation um Außenpolitiker Markus Frohnmaier. Die AfD simuliert mit ihrer Reisepolitik politisch Anschlussfähigkeit und macht sich wie auch bei den häufigen Russlandreisen zum willfährigen Propagandagehilfen autoritärer Regime. Man teilt das gemeinsame Feindbild vom westlichen Liberalismus", vermerkt die TAZ.
In Oslo soll heute Venezuelas Oppositionsführerin María Corina Machado mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält fest: "Der Friedensnobelpreis für Machado ist eine kluge und höchst politische Entscheidung. Er ehrt nicht nur eine Frau, die für Freiheit und Demokratie ihr Leben riskiert. Er ist auch eine späte Abrechnung mit einem politischen Irrtum, der bis heute nachhallt: der Glaube, Sozialismus könne – irgendwo, irgendwann – zu einer gerechteren Welt führen. Dieser Nobelpreis richtet sich nicht nur gegen einen Diktator in Caracas, sondern gegen eine ganze Denktradition, die sich bis nach Europa zieht. Noch immer gibt es hierzulande Politiker, die von einem 'gerechteren System' träumen, das Eigentum und Märkte 'neu ordnet'. Der Kapitalismus ist kein moralisch makelloses System. Er erzeugt Ungleichheit, und er braucht Regulierung, Ethik, Korrektur. Aber er ist das einzige System, das Wohlstand und Freiheit zugleich ermöglicht hat", betont der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG kommt zu einer dieser Einschätzung: "Jetzt erhält den Friedensnobelpreis eine Frau, die auf Vorschlag von Trumps Außenminister Marco Rubio nominiert wurde. Folgerichtig, dass Machado den Preis spontan dem US-Präsidenten widmete. Denn wenn es um gemeinsame Feindbilder und ein mangelndes Demokratieverständnis geht, dann sind sich Trump und Machado einig. Anders ausgedrückt: Das Nobelpreiskomitee hätte gleich Trump auszeichnen können – ungeachtet der Tatsache, dass dessen Nahost-Friedensbemühungen erst nach der Nominierungsfrist griffen. Davon abgesehen bleibt Venezuela natürlich ein Unrechtsstaat mit diktatorischen Zügen. Wenn aber Machado die USA zum Putsch aufruft, stellt sich schon die Frage, wie friedlich ihre eigenen Absichten sind. Unerschrocken und tapfer sind viele Menschen. Sobald sich diese positiven Eigenschaften mit einem Putschaufruf paaren, erlischt jedoch die Preiswürdigkeit. Und dass Trump dem Ansinnen womöglich nachkommt, macht die heutige Verleihung zur Farce", urteilt die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg.
Zum Schluss ein Blick nach Tschechien. Dort ist der Rechtspopulist und Unternehmer Andrej Babis erneut zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beobachtet: "In der EU geht die Angst um, dass mit den Tschechen ein weiterer Dominostein aus der proeuropäischen Reihe fallen wird. Unbegründet ist die Sorge nicht. Der eigensinnige Milliardär hat sie mit seinen Tiraden gegen Brüssel wie Kiew selbst befeuert und ließ sich von seinem Freund Viktor Orbán in dessen Lager ziehen. Doch sollte man in seinem Fall genau hinsehen. Denn so berechtigt die Kritik ist: In vielen Punkten haben auch Babis’ Gegner maßlos übertrieben, die ihn zur Gefahr für die tschechische Demokratie und das freie Europa stilisierten. Babis war im Kern immer ein ideologiefreier Pragmatiker, der genau wusste, dass nicht nur die Interessen seines milliardenschweren Agrofert-Konzerns im Westen liegen, sondern auch die seines Landes. In Berlin sollte man dem Nachbarn besser die Hand ausstrecken, als ihn vorschnell abzuschreiben. Denn der hatte sich zwar mit Angela Merkel über deren Flüchtlingspolitik entzweit, seine innere Nähe zu CDU und CSU aber stets gerne betont", erinnert die F.A.Z.