
Zu Ruttes Besuch in Berlin schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Der NATO-Generalsekretär, der bisher alles getan hat, um US-Präsident Trump bei der Stange zu halten, spricht nun sogar davon, dass 'wir' Russlands nächstes Ziel seien und dass es zu einem Krieg kommen könne, wie ihn 'unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben'. Die Europäer haben es selbst in der Hand, die militärische Schwelle so hoch zu setzen, dass der russische Präsident Putin erst gar nicht ernsthaft auf den Gedanken kommt, ein Bündnismitglied anzugreifen. Die dazu nötigen Beschlüsse hat die NATO gefasst, Stichwort Fünfprozentziel. Eine 'freie Wirtschaftszone' im derzeit ukrainisch kontrollierten Teil des Donbass wäre da eher eine Einladung an Putin, bei nächster Gelegenheit weiter vorzurücken. Präsident Selenskyjs Bedenken sind gerechtfertigt. Das sollten die Europäer auch Trump in den kommenden, vielleicht entscheidenden Tagen deutlich sagen", rät die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Ruttes Warnungen würden nicht von jedem ernst genommen, heißt es im MÜNCHNER MERKUR. "Schon jetzt testet Moskau täglich die Verteidigungsbereitschaft der Europäer. Man darf davon ausgehen, dass Ruttes Worte nicht nur den zögernden Ukraine-Helfern in Europa galten – Deutschland unter Kanzler Merz ist hier eine rühmliche Ausnahme –, sondern unausgesprochen auch US-Präsident Trump, zu dem der NATO-Chef an sich einen guten Draht hat. Das ist ja das Schlimme: Mit dem einzigen, den der Kriegsherr Putin fürchtet, kann Europa nur noch in stark chiffrierter Form kommunizieren aus Angst, ihn zu reizen oder gar zum Austritt aus der NATO zu veranlassen", hebt der MÜNCHNER MERKUR hervor.
Die Ukraine wird die große Bewährungsprobe für die Europäer sein, meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, Zitat: "... dann nämlich, wenn Trumps USA das Land den Wölfen zum Fraß vorwerfen sollten und nur noch Europa das verhindern kann. Die EU wird aber, will sie weltpolitisch mithalten, dafür andere Strukturen benötigen, ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips etwa oder eine gemeinsame nukleare Abschreckung. Das alles mögen vage Hoffnungen sein. Aber auch die Hoffnung, dass die eigenen Werte sich selbst in scheinbar aussichtsloser Lage behaupten werden, gehört zum Wesen des Westens – so wie 1940, als Großbritanniens Premier Winston Churchill einem triumphierenden Faschismus entgegenschleuderte: 'Wir werden uns niemals ergeben.' Nein, der Westen ist nicht dazu verdammt, zu zerbrechen. Es liegt an ihm selbst, das zu verhindern", lautet die Empfehlung der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG,
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz überlegt: "Die Idee einer freien Wirtschaftszone im Osten des Landes hat das Zeug dazu, die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Krieges einen großen Schritt voranzubringen. Denn es wäre – im Falle einer guten Umsetzung – ein Ansatz, der mehrere Knoten bei den Verhandlungen zugleich lockern könnte. So könnten dadurch erstens die USA langfristig an Bord gehalten werden. Zweitens dürfte eine gewisse Beteiligung der USA bei der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte den Belgiern ein wenig die Furcht vor harten Reaktionen aus Moskau nehmen, wenn sie dafür das größtenteils in Brüssel gelagerte Geld bereitstellen", findet die RHEIN-ZEITUNG.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG Heidelberg sieht nicht mehr viel Spielraum: "Derweil schließt sich das Zeitfenster, das sich durch Trumps Initiative öffnete. Und sowohl Russen wie auch Ukrainer werden sich fragen, wie die Sache wohl ausgeht, wenn immer weiter gekämpft wird. Europäer wiederum sollten sich fragen, wie lange der Krieg noch in den bisherigen Bahnen gehalten werden kann, wenn auch dieser Anlauf ins Leere läuft. Sehr oft ist von Vertrauen die Rede; genauer gesagt: von Misstrauen. Putin kann man nicht trauen, weil durch den Krieg ein längst bestehender Vertrag gebrochen wurde", betont die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG.
Vor dem Hintergrund der angespannten transatlantischen Beziehungen meint die Zeitung DIE WELT: "Was Europa braucht, ist weniger Beleidigtheit und mehr Performance-Patriotismus. Geschlossenheit und entschlossenes Handeln zur Verteidigung der Ukraine wäre ein naheliegendes Beispiel. Auch um von europäischer Souveränität nicht nur zu reden, sondern sie einmal – im freundschaftlichen Dissens mit den Amerikanern – zu beweisen. Und wer weiß, vielleicht würde genau das am Ende sogar noch eine überraschende Wende in der Russlandpolitik in Washington befördern. Das und Wirtschaftswachstum durch echte und tiefgreifende Reformen wäre ein Anfang", ist in der WELT zu lesen.
Themenwechsel. Die Zeitung ND.DER TAG kritisiert eine mögliche Abkehr der EU-Kommission vom Verbrenner-Aus: "Das Verschieben des Ablaufdatums für Neuzulassungen von mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeugen ist ein weiteres desaströses Signal für den Kampf zur Eindämmung der Klimakatastrophe. Zugleich wird damit den reaktionären Forderungen der europäischen und insbesondere der deutschen Autoindustrie stattgegeben, die für den kurzfristigen Profit die Umstellung auf Elektroantrieb über Jahrzehnte vertagte. Einmal mehr wird klar: Deren Bosse bestimmen die Agenda, nicht die Interessen der Allgemeinheit. Die Autohersteller werden subventioniert bis zur Halskrause und von jedem Kanzler eingeladen, um deren Wunschlisten in Empfang zu nehmen und abzuarbeiten, trotz Dieselskandal und unverschämter Manager-Boni", unterstreicht die Zeitung ND.DER TAG
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU argumentiert: "Auch klimapolitisch ist die Entscheidung ein Rückschritt. Die Absenkung der Zielvorgaben von 100 auf 90 Prozent droht für viele Jahre fossile Restemissionen zu zementieren, da die dann noch erlaubten Plug-In-Hybride und Range-Extender-Fahrzeuge in der Realität deutlich klimaschädlicher sind als auf dem Papier. Auch die Hoffnung, die Verbrenner in großem Stil auf E-Fuels und nachhaltige Bio- und E-Fuels umstellen zu können, dürfte nicht aufgehen. Sie sind auf absehbare Zeit zu teuer und zu knapp", resümiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG begrüßt die mögliche Kehrtwende: "In einer Welt, in der chinesische Hersteller mit E-Autos in den Massenmarkt drängen und dabei Preis, Software und Tempo diktieren, wäre ein starres, eindimensionales Verbrenner-Verbot ein Geschenk an diese Konkurrenz. Wer sich regulatorisch selbst auf ein einziges Konzept festnagelt, überlässt anderen die technologische und wirtschaftliche Herrschaft – und macht sich abhängig von fremden Batterieketten, Rohstoffen und Plattformen. Eine Abschwächung des Verbrenner-Aus öffnet Raum für synthetische Kraftstoffe, Hybridlösungen und Motorenkonzepte, die auf bestehenden Stärken der europäischen Industrie aufbauen, statt sie in einem großen regulatorischen Knall zu entsorgen", erklärt die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG.
Hören Sie abschließend noch einen Kommentar zum CSU-Parteitag. Die Delegierten haben Parteichef Söder zum fünften Mal im Amt bestätigt. Dazu heißt es in der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG: "In der CSU ist Söder an der Spitze weiterhin unangefochten. Weit und breit niemand, der ihm Konkurrenz macht. Die Frage ist, wie lange das noch so bleibt. Söder sieht sich ganz sicher nach wie vor als möglicher Kanzler in Reserve, sollte Merz vorzeitig scheitern oder altersbedingt nicht allzu lange im Amt bleiben. Dass Söder dann doch noch zum Zuge kommt, ist wegen der Vorbehalte gegen ihn in der CDU allerdings sehr unwahrscheinlich. In Berlin macht derweil ein anderer CSU-Mann von sich reden: Alexander Dobrindt hat sich als Garant für die Migrationswende etabliert und ist über Unionskreise hinaus weithin geschätzt und respektiert. Bleibt das so, wäre er der geborene Nachfolger für Söder an der Spitze der CSU – wenn nicht sogar ein geeigneterer Kanzlerkandidat als Söder selbst", meint die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
