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Die Preußen kommen...

Ein Biergarten in der Nähe der Universität von Wroclaw, der Hauptstadt von Niederschlesien. Die jungen Leute, zumeist Polen, haben gerade die gefürchtete Aufnahmeprüfung an der ehrwürdigen Alma Mater hinter sich und sind erleichtert. Die Sonne scheint, die Atmosphäre ist locker, an die Wunden der Geschichte erinnert hier nichts mehr.

Von Reiner Scholz | 13.07.2004
    Wroclaw war früher überwiegend deutsch und hieß Breslau. Im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten zur Festung erklärt, wurde die Stadt größtenteils zerstört, fast alle Deutschen wurden 1945 vertrieben. In ihre Häuser zogen Polen, die aus Lemberg, dem heute ukrainischen L’viv und anderen ehemals ostpolnischen Gebieten geflüchtet waren, Landstrichen, die im Zuge der Westverschiebung Polens an Stalins Sowjetunion gefallen waren. Viele Jahre, unter der kommunistischen Herrschaft, durften diese Ereignisse in Polen nicht thematisiert werden. Doch in letzter Zeit haben immer mehr Breslauer nach den historischen Wurzeln der Stadt gesucht.

    Das Verhältnis von Deutschen und Polen hat sich über die Jahre entspannt, 400 Städtepartnerschaften zeugen von guter Nachbarschaft an der Basis. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung haben sich die Beziehungen zuletzt dramatisch verschlechtert. Zuerst war da die Ankündigung des deutschen "Bundes der Vertriebenen", in Berlin ein "Zentrum gegen Vertreibungen" errichten zu wollen. Die Art, wie die Verbandsspitze dieses Vorhaben propagiert und begründet hat, führte in Polen zu einer breiten Verstimmung.

    Jetzt aber sind es vor allem die Aktivitäten einer deutschen Handelsgesellschaft, die als unfreundlicher Akt wahrgenommen werden: die der so genannten "Preußischen Treuhand GmbH und Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien. Prussian Claims Society." In ihren Anschreiben ermuntert diese bundesdeutsche Interessengruppe ganz gezielt ehemalige Vertriebene und Spätaussiedler:

    Sichern Sie die Rechtsnachweise für ihr Eigentum in den Vertreibungsgebieten Ost und Westpreußen, Danzig, Pommern, Neumark, Schlesien und Sudetenland.

    Die "preußische Treuhand" mit Sitz in Düsseldorf hat nach eigenen Angaben bereits mehr als eintausend Mitglieder. Sie ist eine Sammlungsbewegung, gibt Aktien aus und will mit dem eingenommenen Geld kollektiv Eigentumsansprüche von Vertriebenen in Polen durchsetzen. Ihre Initiatoren entstammen zu einem großen Teil aus den deutschen Vertriebenverbänden. Die schlesische und die ostpreußische Landsmannschaft halten mehr als 50 Prozent des Stammkapitals. Der stellvertretende Aufsichtsratschef der "Treuhand", Hans-Günter Parplies ist gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen. Und der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, ist in Personalunion auch Aufsichtsratsvorsitzender der "Preußischen Treuhand". Ihr, so Pawelka, gehe es keineswegs darum, die Polen zu ängstigen, sondern – wie er sagt - einzig und allein um den Rechtsfrieden:

    Es ist eine offene Rechtsfrage, nämlich die Eigentumsfrage, und damit Rechtsfrieden für die Zukunft entsteht, wollen wir, dass auch diese Frage gelöst wird, einer Lösung zugeführt wird, mit der alle leben können und dass man aber vor allen Dingen nicht mehr einfach über sie hinweggeht. Sie wissen, dass in der Bundesrepublik Deutschland unser Verfassungsgericht immer wieder gesagt haben, diese Frage ist offen, und wenn sie offen ist, dann muss man sie irgendwann mal lösen.

    Der Blick der Treuhand richtet sich vor allem auf die westlichen Gerichte, den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und sogar auf die amerikanische Justiz. Der für eine deutsche Stiftung doch ein wenig auffällige Untertitel "Prussian Claim Society", erinnert nicht zufällig an die "Jewish Claims Conference", eine in den USA ansässige, internationale Organisation, die für verfolgte Juden weltweit Entschädigungen ausgehandelt hat und dies weiterhin tut. Dass Vertriebene in Deutschland sich mit dieser Namensgebung offenbar den gleichen Opferstatus zubilligen wollen wie ihn Juden haben, wird nicht nur in Polen missbilligt.

    Zweifellos betreibt die "Preußische Treuhand" mit ihrer Namensgebung ein geschicktes Marketing. Dem deutschen Anwalt Alexander Ilgmann, der seit einem Jahr eine Kanzlei in Breslau betreibt, will die Strategie der Treuhand dennoch nicht einleuchten:

    Ich meine, die bundesrepublikanische Diskussion ist weit ab der Realitäten. Die Realitäten hier sind polnische: Der polnische Staat hat die Verwaltungshoheit auf diesen Gebieten hier bekommen und hat die Verwaltungshoheit zur Enteignung genutzt, und diese Verwaltungsakte beziehungsweise Legalenteignungen können vor polnischen Gerichten überprüft werden, und wenn man man sie überprüfen will, dann müssen sie vor polnischen Gerichten überprüft werden. Notfalls kann man für den Fall der Rechtsverweigerung sich auch noch an den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wenden.

    Entschädigungsfragen sind für polnische Gerichte Alltagsgeschäft. Schon seit 1990, so der polnische Generalkonsul in Hamburg, Andrzej Kremer, überprüfen polnische Gerichte die Rechtmäßigkeit von Enteignungen:

    Es sind etwa 11.000 Fälle abgeschlossen, mehrere befinden sich noch im Gerichtsverfahren, insofern gibt es auch Beispiele, wo den rechtmäßigen Eigentümern das Gebäude zurück gegeben worden ist.

    Jeder einzelne Vertriebene könnte also in Polen klagen, dessen Rechtssystem mit dem deutschen seit geraumer Zeit vergleichbar ist. Doch die "Preußische Treuhand", die die Deutschen ausschließlich als Opfer sieht, misstraut polnischen Gerichten:

    Da wissen wir, dass wir da wohl keine Aussichten hätten, obwohl heute auch andere Opfergruppen, also enteignete Polen, Amerikaner, Israelis, sogar Österreicher unter anderem Habsburger haben Eigentum zurückbekommen, nur immer Deutsche nicht...

    Anders als es die "Preußische Treuhand" vorgibt, gilt derzeit als überwiegende Rechtsauffassung, dass es zur Zeit kaum rechtliche Möglichkeiten gibt, Schadensersatzforderungen als Folge von Vertreibungen durchzusetzen.
    Vielleicht blicken auch deshalb die "Treuhand-Initiatoren" hoffnungsvoll in die USA, deren Gerichtsbarkeit schon für so manche Überraschung gut gewesen ist - zumal amerikanische Anwälte oft sehr findig sind, wenn es, wie hier, um sehr viel Geld geht. Zwar gilt dort der Grundsatz, dass zum Gegenstand der Verhandlung ein sogenannter "Minimum-Contact" gegeben sein muss, er also – wenn möglicherweise auch indirekt – überhaupt in den Zuständigkeitsbereich eines Gerichtes fallen muss. Doch selbst ein untergeordnetes Bezirksgericht könnte dies als gegeben ansehen. Dann aber stellt sich die Frage: Wer soll angeklagt werden? Da es die Alliierten waren, die 1945 in der Potsdamer Konferenz die Vertreibung der Deutschen aus Polen festgeschrieben haben, müssten die US-Bezirksrichter also auch die Vereinigten Staaten von Amerika verklagen. Doch soweit dürfte es kaum kommen.

    Warum tauchen in der Eigentumsfrage dennoch immer wieder Irritationen auf? Zwischen Deutschland und Polen hat es schließlich in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Abkommen gegeben, etwa den deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990. Er bekräftigte die Unantastbarkeit der Grenzen. Gleichzeitig heißt es dort aber auch: Der Vertrag befasse sich nicht mit den offenen Vermögensfragen. Und genau auf diesen Passus berufen sich Rudi Pawelka von der Landsmannschaft der Schlesier und seine Mitstreiter.

    Sie befinden sich insoweit in guter Gesellschaft, als viele Gerichte sich derzeit mit den Folgen von Vertreibung beschäftigen. So bestimmte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst vor wenigen Wochen, der polnische Staat müsse seine aus dem ehemaligen Ostpolen zwangsumgesiedelten Landsleute angemessen entschädigen. Geklagt hatte ein Pole, der von sowjetischen Behörden 1945 aus seinem Haus in Lemberg, dem heutigen westukrainischen L’viv, vertrieben worden war.

    Doch für die "Preußische Treuhand" kann dies kein Präzedenzfall sein. Denn: Anders als die deutschen Vertriebenen konnten polnische Vertriebene nicht oder kaum vom so genannten "Lastenausgleich" profitieren und sich von ihrem Staat für ihre materiellen Verluste entschädigen lassen, wie dies in der Bundesrepublik seit den fünfziger Jahren üblich gewesen war.

    Längst ist die "Preußische Treuhand" ein Politikum. In Polen wird jede Regung der Handelsgesellschaft genau beobachtet und öffentlich gemacht. Das gilt etwa im Fall des 81jährigen Alexander von Waldow aus Eckernförde, dem stellvertretenden Geschäftsführer der "Preußischen Treuhand".

    Seine Eltern besaßen ein Schloß nahe Landsberg an der Warthe. Nach dem Krieg verfiel das Gut zunehmend. 1998 ersteigerte eine polnische Firma die heruntergekommene Immobilie und baute sie – auch mit Hilfe derer von Waldow - um zu einem schönen Tagungs- und Schulungszentrum. Im Herbst 2002 feierte man die festliche Eröffnung. Kurz danach aber teilte der zuvor kooperative Alt-Eigentümer von Waldow den neuen Besitzern mit, dass er sich als rechtmäßiger Eigentümer sehe und die Immobilie zurück haben wolle. Für die Polen, denen an guten persönlichen Beziehungen sehr lag, war diese Wendung ein Schock, sagt Generalkonsul Andrzej Kremer. Er kennt das Anwesen aus eigener Anschauung:

    Habe ich festgestellt, dass die Familie von Waldow dort seit Jahren ankommen und seit mehreren Jahren Urlaub verbringen. Es sind einige Sachen geschenkt worden, Fotos, wie das alles ausgesehen hat – plötzlich kommt mit einer deutschen Fernsehgruppe und sagt. Jetzt ist das alles meine und die Polen, wenn sie brav sind, hätten das noch zehn Jahren bewirtschaften. Ich würde es verstehen, wenn jemand von vornherein sagt, das ist meine, aber warum man vier, fünf Jahre gute Kontakt hält und dann das alles wendet, das kann man auch emotional alles sehr schwer verstehen.

    Dabei, so Kremer, gibt es seit Jahren in Polen die Möglichkeit, völlig legal Eigentum zu erwerben, wovon gerade auch Deutsche ausgiebig Gebrauch machen würden – teilweise so sehr, das viele Polen schon Angst hätten, ihre reichen westlichen Nachbarn würden ihr Land aus der Vorkriegzeit einfach auf- und zurückkaufen:

    Die meisten gekauften Grundstücke seit 1990 sind von Deutschen gekauft. Das heißt, pro Jahr, seit 1990 bis 2001, etwa 2000 Grundstücke wurden von Deutschen gekauft, Investoren, Firmen, Privatpersonen. Die andere Sache ist eine emotionale Sache. In der Tat in einigen Regionen, auch durch die Ansagen von preußischer Treuhand und anderen Verbänden hat man Unsicherheit, wie das alles geregelt wird und das kann man nicht so einfach vergessen.

    In der polnischen Öffentlichkeit werden – anders als in der Bundesrepublik – die Aktivitäten der "Treuhand" sehr ernst genommen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht das Bild von Deutschen gezeichnet wird, die den Polen ihr einstiges Hab und Gut wieder abnehmen wollen. An vorderster Front in dieser Kampagne gefallen sich nicht nur polnische Politiker, die mit diesem Angst-Thema Stimmen gewinnen, sondern auch polnische Zeitungen. Allen voran übrigens das Boulevard-und Massenblatt "Fakt" – dessen Eigentümer der deutsche Axel-Springer-Verlag ist, der hierzulande bekanntlich die "Bild-Zeitung" herausgibt.

    Als eine Art Gegenbewegung zu den Aktivitäten der "Preußischen Treuhand" begannen ihrerseits polnische Kommunen, ihren Bürgern Eigentumstitel zu verschaffen. Sie weisen darauf hin, dass viele Gebiete in Pommern und Schlesien Hochburgen der Nazis gewesen seien, ließen ausrechnen, welche Schäden der deutsche Überfall auf Polen im Jahr 1939 schätzungsweise angerichtet hat. Allein für das völlig zerstörte Warschau kamen sie auf eine Schadenssumme von 31-einhalb Milliarden Dollar. Sebastian Plociennik, Assistent am Willy-Brandt-Zentrum in Wroclaw:

    Die Deutschen argumentieren so: 1945 gab es diese Vertreibungen. Aber / dann müssen wir eigentlich konsequent sein. Dann lass uns bis 1939 zurück gehen. Die polnische Kultur und das Volk galt als minderwertig. Und alle Kulturgüter von Polen wurden an Ort und Stelle vernichtet. Und was ist mit Entschädigungen? Oder die planmäßige Zerstörung von Warschau. Ich würde sagen, das Thema ist sehr gefährlich, wenn wir uns weiter diese Richtung bewegen. Die Politiker müssen einfach handeln.

    Aber: Eindeutige Worte von der Bundesregierung sind dazu kaum zu hören. In Berlin wird eher beschwichtigt. Vor über einem halben Jahr, im Dezember 2003, erklärte Außenminister Joschka Fischer gegenüber der polnischen Zeitung "Rzeczpospolia" in einem Interview lediglich:

    Die Preußische Treuhand, das ist eine Privatinitiative, das hat mit der Politik der Bundesregierung nichts zu tun. In keinem Fall vertritt sie die Interessen der Mehrheit des Bundestages. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Angelegenheiten unsere Beziehungen und unser gemeinsames europäisches Projekt belasten. Ich kann Ihnen nur versichern, die Preußische Treuhand kennt hier niemand, geschweige denn, dass dieser Mensch, der dahinter steckt, irgend eine politische Bedeutung hätte. Niemand in der Bundesrepublik denkt daran, irgendwelche Entschädigungsfragen aufzumachen.

    Davon, dass die Treuhand unter den Vertrieben isoliert wäre, kann allerdings keine Rede sein. Vorsitzender Rudi Pawelka berichtet, dass seine Organisation viel Zuspruch erhalte, insbesondere auch von Vertriebenen, die in den neuen Bundesländern leben. Im übrigen...:

    Es ist so, dass der Bund der Vertriebenen die Lösung der Eigentumsfrage in der Satzung hat. Insofern sind wir auf dem Boden der Satzung des Bundes der Vertrieben, dass jetzt auch im Mai erst die Bundesdelegiertenversammlung entschieden hat, dass die Eigentumsfrage offen ist und dass man der Sache weiter näher treten will und sie weiter verfolgen wird. Und da hab’ ich keine Bedenken, dass wir nicht genug Unterstützung haben.

    Nach langem Zögern hat sich kürzlich immerhin das Komitee für ein Berliner "Zentrum gegen Vertreibungen" von der Treuhand distanziert - also auch die in diesem Komitee federführende Erika Steinbach, zugleich CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des "Bundes der Vertriebenen".

    In Polen leben offiziell über 150.000 Deutsche, tatsächlich aber dürften es deutlich mehr sein. Die Deutschen, die sich nach der Wende 1989 auch in Polen frei entfalten konnten, haben sich überwiegend in Freundschaftskreisen zusammengeschlossen. Friedrich Petrach ist Vorsitzender der "Deutschen sozialkulturellen Gesellschaft" in Breslau, die 1.300 Mitglieder hat. Zu Petrach kommen immer wieder Besucher aus der Bundesrepublik:

    Es sind Leute gekommen, die was eigentlich sagten, also sie wollen den Besitz ihrer Eltern oder Großeltern zurück kaufen. Nicht, dass sie es verlangen, aber sie wollen es zurückkaufen.

    Petrach beobachtet das Wirken der "Preußischen Treuhand" mit großer Skepsis. Gerade sei es gelungen, ein einigermaßen gutes Verhältnis mit den Polen zustande zu bringen, wozu übrigens auch führende Vertriebenenfunktionäre beigetragen hätten. Immer wieder fällt dabei auch der Name von Herbert Hupka, des prominenten Schlesier-Sprechers und Ostvertragsgegners aus den siebziger Jahren, auch in Polen einst eine Persona non grata, der jetzt aber sogar Ehrenbürger von Ratibor in Oberschlesien geworden ist. Der "Treuhand" aber, so Petrach, gehe es doch wohl in erster Linie um Geld. Denn schließlich würden die meisten Vertriebenen ohnehin nicht nach Polen zurück ziehen wollen:

    Ich glaube kaum, dass viele Leute, die was vertrieben, die was die Heimat verloren haben, ein Interesse haben, ihr Hab und Gut zurück zu erobern oder zurück zu verlangen. Es sind einzelne Fälle, was auch hier zu uns kommt. Die sagen, können wir das Haus oder den Bauernhof, was die Eltern hatten, wieder zurück kaufen. Aber wenn man sich denn mit ihnen ins Gespräch begibt und man frägt, ob sie dann wirklich hier sich möchten niederlassen, kaum jemand sagt, sie täten hier wieder wohnen.

    Dass sich der Drang zurück in die Heimat der Vorfahren heute im Rahmen hält, muss schließlich auch Treuhand-Aufsichtsratsvorsitzender Rudi Pawelka bestätigen:

    Das werden gar nicht viele sein. Das ist mir klar. Deshalb will ich ja auch die Polen nicht erschrecken. Ich sage nur, ihr habt doch gar nicht nötig, so aufgeregt zu reagieren, das werden gar nicht viele sein, die könnt ihr gut verkraften, nur, das ist eben Rechtsfrieden dann hergestellt.

    Doch intern hantiert die Treuhand mit großen Zahlen. Danach könnten möglicherweise dreizehn Prozent aller Vertriebenen Ansprüche stellen wollen. Pawelka spricht von ganzen Dörfern, die im Gebiet von Oder und Neiße leer stünden. Dort seien deutsche Investitionen doch wünschenswert.

    Demnächst will die Treuhand nun entscheiden, wie sie juristisch weiter vorgehen will:

    Es ist schwierig, es kostet viel Geld, aber wir haben jetzt auch Leute, die sich an uns gewandt haben, und haben gesagt, sie würden die Klage selber bezahlen und würden das über uns abwickeln wollen, treuhänderisch. Sie wissen vielleicht, dass die Sudetendeutschen mit 77 Leuten klagen, und wir werden unser möglichstes tun, um diesem Ziel, dass wir vor Augen haben, gerecht zu werden.

    Sein Recht geltend zu machen, kann niemandem verwehrt werden. Bei der "Preußischen Treuhand" mit dem Charakter einer nationalen Sammlungsbewegung sind indes, wenn sie zum Beispiel permanent von "Ostdeutschland" spricht, wenn sie die polnische Westgebiete meint, revisionistische Untertöne nicht zu überhören. Andererseits kann sie nur deshalb eine so wichtige Rolle im deutsch-polnischen Verhältnis spielen, weil gut nachbarschaftliche Beziehungen zu Polen hierzulande derzeit nicht gerade im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen.

    Dieser ernüchternde Befund steht übrigens nicht im Widerspruch dazu, dass die erste Auslandsreise seiner Amtszeit Bundespräsident Horst Köhler übermorgen nach Polen führen wird: Ein politisches Signal, das in Warschau zweifellos als Zeichen besonderer Verbundenheit positiv gewürdigt werden wird - andererseits aber spiegelt sich hier eine "Politik der hohen Ebene" wider, die bekanntlich nicht immer und unbedingt mit einem problemfreien Alltagsverhältnis zwischen zwei Staaten gleichzusetzen ist.

    So bleibt zu befürchten, dass die "Preußische Treuhand", die nach eigenen Angaben schon bald so richtig aktiv werden will, de facto eine Art Neben-Außenpolitik betreiben könnte – mit allen einschlägigen Folgen für das Verhältnis zwischen den Nachbarn und EU-Partnern Polen und Deutschland.