So zog der 23jährige Rohinton Mistry 1975 nach abgeschlossenem Mathematik- und Ökonomiestudium nach Kanada, um in einer Bank sein Glück zu machen. Er konnte nicht ahnen, dass das Schicksal ganz andere Pläne mit ihm hatte. Nachdem er bereits sieben Jahre im Land war, beschloss der begeisterte Leser in seiner Freizeit seiner Leidenschaft ein besseres Fundament zu verschaffen. Er schrieb sich an der Universität in Philosophie und Literaturwissenschaft ein. Das Studium machte ihm viel Spaß, vor allem das Essayschreiben. So kam er auf die Idee, sich auch einmal an einer Kurzgeschichte zu erproben. Als die Uni-Zeitschrift dann einen Erzählwettbewerb ausschrieb, setzte er sich hin und dachte sich seine erste Kurzgeschichte aus. Die gewann den Wettbewerb. So ermutigt, schrieb Rohinton Mistry weiter. Prompt gewann er auch nächstes Jahr den Kurzgeschichtenpreis der Hochschule. Als er dann auch noch ein Stipendium des canadian council of arts erhielt, stand für ihn seine weitere Laufbahn fest: er würde Schriftsteller werden. Weitere Kurzgeschichten entstanden, fanden ihren Weg in kleine kanadische Literaturzeitschriften und als eine Handvoll zusammen war, boten sich gleich drei Verlage an, einen Band mit Erzählungen zu veröffentlichen. Die kamen bei Kritik wie Publikum so gut an, dass sich der frischgebackene Schriftsteller an einen Roman wagte. 1991 erschien ‚So eine lange Reise’ – eine große Familiengeschichte aus dem Bombay der siebziger Jahre, tragisch und komisch, dramatisch und traurig. Kanada feierte einen neuen Autor. Jetzt ist Rohinton Mistrys dritter Roman ‚Die Quadratur des Glücks’ auf deutsch erscheinen, wieder ein großes Familienepos aus Bombay, das diesmal in den neunziger Jahren spielt. Die Stadt ist und bleibt Mistrys magischer Kosmo:
Einen Roman in Bombay anzusiedeln, ist gewissermaßen natürlich. Da entspringt alles der Erinnerung. Wenn man an einem Ort geboren und aufgewachsen ist, ist der für einen wie eine zweite Natur. Man muss über nichts zweimal nachdenken. Alles geschieht instinktiv. So war es nicht schwierig, auf diesem Basiswissen so aufzubauen, als wenn ich dort noch lebte. Meine wiederholten Besuche, die Berichte in den Medien, meine Gespräche mit Leute aus Bombay, die Kanada besuchen, all das erlaubt es mir, auf diesen 23 Jahren, die ich in Bombay gelebt habe, aufzubauen. Es ist, als wäre ich nicht weggegangen. Ich musste für dieses Buch also keinerlei Recherchen unternehmen. Wie, nehme ich an, alle Orte ändert sich Bombay und bleibt doch dieselbe Stadt, vielleicht sogar noch stärker als andere Städte, denn ihre Probleme lassen sich nicht leicht lösen und bleiben darum immer dieselben, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt: der Verkehr, die Infrastruktur, die Wassernot, die Slums - trotz aller Anstrengungen, die Probleme zu lösen, scheinen sie gewissermaßen unüberwindbar. Einstellungen ändern sich zwar, aber nur ganz langsam. So ist es einfach, wenn man in Kontakt bleibt, den Finger am Puls all dieser Veränderungen zu behalten.
Doch nicht nur die überquellende Millionenmetropole Bombay bleibt Schauplatz des jüngsten Romans, auch das soziale Milieu hat sich nicht geändert. Der Roman spielt wie seine Vorgänger in der unteren Mittelschicht, also in jenen Verhältnissen, in denen Rohinton Mistry selbst aufwuchs. Er erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der an der Parkinsonschen Krankheit leidet und nach einem Sturz bettlägerig wird. Damit allerdings überstrapaziert er die Geduld seiner beiden erwachsenen und ledigen Stiefkinder, die gar nicht daran denken, ihren Stiefvater Nariman zu pflegen. Geschickt arrangieren sie seinen Abtransport zu seiner leiblichen Tochter Roxana, die mit ihrem Mann Yezad und ihren zwei heranwachsenden Söhnen in einer kleinen Zweizimmerwohnung lebt. Die Ankunft des Vaters bringt erhebliche Probleme mit sich, denn der hilflose alte Mann muss wie ein Kleinkind gepflegt werden, da er sich nicht aus dem Bett erheben darf. Das kostet viel Kraft und innere Überwindung, bringt den Familienfrieden mehr als einmal in heftige Bedrängnis, führt zu Streit und bösem Blut zwischen den Geschwistern. Zudem kostet die Krankheit Narimans mehr, als sein Schwiegersohn Yezad aufbringen kann. Die permanente Geldnot hat schlimme Konsequenzen. Dennoch zeigt Rohinton Mistry, wie selbst unter solchen extremen Bedingungen Mitgefühl und Mitmenschlichkeit letztlich siegen:
Yezad hatte mit seinem Schwiegervater nie Probleme, aber jetzt, da er bei ihnen lebt, den ganzen Tag hilflos auf der Couch im Wohnzimmer liegt, in dem sie sich alle ständig aufhalten, da wird die Situation für ihn unerträglich. Er wird ungeduldig, fängt an, seinen Schwiegervater abzulehnen. Da er aber ein vernünftiger Mann ist und sich ständig seiner Vorur-teile bewusst ist, wächst er menschlich durch diese Prüfung. Roxana wiederum lernt etwas über ihren Ehemann. Es bringt sie beide letztlich einander näher. Die Enkel Murad und Jehangir bekommen die Möglichkeit, ihrem Großvater näher zu kommen. Für Jehangir bereichert es sein Leben auf ganz besondere Art und Weise, wie wir am Ende feststellen werden, denn er ist derjenige, der die Geschichte seines Großvaters erzählt und zwar so wie er sie versteht. Wir sehen, wie Leid die Familie zusammenschweißt und Liebe wachsen lässt.
Nun klingt das ganz nach heile Welt und geradezu kitschigem Familienglück, doch ganz so einfach macht es uns Rohinton Mistry nicht. Der hilflose Alte ist, wie wir in Rückblenden erfahren, keineswegs unschuldig an seinem Unglück. Dass ihn seine Stiefkinder aus seiner geräumigen komfortablen Eigentumswohnung abschieben, hat durchaus seine Gründe. Nariman hat ihre Mutter früher schäbig behandelt, sich würdelos und feige verhalten, ist zudem mitverantwortlich an deren unglücklichem Tod. Allerdings liegt nicht alle Schuld bei ihm allein, hat ihn doch sein Vater, ein streng orthodoxer Parse, in die Ehe mit der Witwe gezwungen, obwohl Nariman eine andere Frau geliebt hat. Doch die durfte er nicht heiraten, denn sie gehörte nicht zu Glaubensgemeinschaft der Parsen, also der Anhänger der monotheistischen Religion des Zoroastrismus, einer Vorgängerreligion des Islam und des Christentum. Narimann heiratet also die ungeliebte Witwe, macht mit ihr auch noch ein Kind, trifft sich aber weiterhin mit seiner Geliebten. Alle wissen davon. Seine beiden Stiefkinder erleben für ihre Mutter zutiefst demütigende Szenen mit. Rohinton Mistry hat hier gleich zwei dramatische Situationen zusammengebunden: das Unglück einer arrangierten Heirat, für die die Liebe nur eine unwichtige Banalität darstellt und das Unglück einer fundamentalistischen Religionsauslegung.
Nariman sieht den orthodoxen fundamentalen Glauben seines Vater als die Verletzung seines Lebens, denn dessen Glaube sieht alle außerhalb des Glaubens als Außenseiters an und verlangt, innerhalb der Gemeinschaft rein zu bleiben und nur in ihr zu heiraten. Dieser rigide Glauben macht Nariman unglücklich. Man könnte nun sagen, er ist selbst schuld daran. Wenn er eine andere Einstellung als sein Vater hat, dann muss er eben die Konsequenzen ziehen und selbst entscheiden. Narimans Schwäche besteht darin, seinem Vater nachzugeben. Das aber führt zum nächsten Konflikt. Wenn man den Wünschen seiner Eltern folgt, wo zieht man die Grenze, wie findet man einen Ausgleich zwischen der Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit und der Position innerhalb der Familie, der Gesellschaft, als jemand, der zu etwas größerem als der eigenen Person gehört?
Für Rohinton Mistry geht es allerdings weniger um das Parsentum, dem er selbst entstammt, sondern vielmehr um Grundfragen des Glaubens allgemein, um Orthodoxie und Moderne, Sicherheit in unruhigen Zeiten, innere Ruhe und Konfliktbewältigung.
Ich denke, hier zählt mehr die Religion selbst als das Parsentum. Da die Figuren Parsen sind, ist das der Kontext ihrer Konflikte mit der Tradition und der Moderne und wie man damit umgeht. Es ist sicherlich aber auch wichtig in dem Sinne, dass wir es mit einer sehr kleinen Minderheit zu tun haben. In Bombay leben heute nicht mehr als 60 000 Parsen. Weil es aber um eine Minderheit geht, hat man die privilegierte Situation, die Gesellschaft von den Rändern her zu beobachten. Mit der Idee der Religion und den Problemen, die sie fürs Leben mit sich bringt, wie stark man glaubt, wie söhnt man diesen Glauben mit dem aus, was einem im Leben zustößt, damit haben sich alle Religionen auseinander zusetzen.
Das Thema des Glaubens durchzieht den gesamten Roman wie ein roter Faden. Immer wieder werden seine Figuren mit den Folgen des Glaubens in all seinen Varianten konfrontiert. Das gilt auch für Yezad, der uns anfangs als toleranter, liberaler Zeitgenosse vorgestellt wird. Doch der unverhoffte Einzug des Schwiegervaters und berufliche Fehlschläge bringen ihn dazu, sich seiner Religion erneut zu nähern. Im Tempel findet er jene innere Ruhe und Ausgeglichenheit, die zuhause und auf der Arbeit verloren gegangen sind. Als dann noch ein von ihm ausgeheckter Plan, von seinem Chef mehr Lohn bewilligt zu bekommen, in eine Katastrophe mündet, wendet er sich ganz der Religion zu, wird ein orthodoxer Eiferer:
Er beschließt, dass Gott für alles zuständig ist. Gott soll die Last der Dinge tragen, denn es erscheint ihm nutzlos, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Es funktioniert nicht. Warum also sollte er sich plagen, warum sich vormachen, dass man frei entscheiden und sein Leben kontrollieren kann, wenn dem nicht so ist? Offensichtlich gibt es eine höhere Instanz, die sich darum kümmert. Also wird er wird glauben und seinen Pflichten als Gläubiger nachkommen und das ist ziemlich traurig für Yezad. Es ist eine Niederlage.
So schließt sich der Kreis. Alles Unglück begann mit dem fundamentalistischen Glauben und endet in ihm. Rohinton Mistry hat insofern einen sehr aktuellen Roman über Glanz und Elend der Religion geschrieben. Es ist eine eindringliche Warnung vor den Folgen religiösen Fanatismus anhand der Geschichte einer indischen Familie. Man könnte es auch so formulieren: Ein orthodoxer Gott bringt Unglück.
Einen Roman in Bombay anzusiedeln, ist gewissermaßen natürlich. Da entspringt alles der Erinnerung. Wenn man an einem Ort geboren und aufgewachsen ist, ist der für einen wie eine zweite Natur. Man muss über nichts zweimal nachdenken. Alles geschieht instinktiv. So war es nicht schwierig, auf diesem Basiswissen so aufzubauen, als wenn ich dort noch lebte. Meine wiederholten Besuche, die Berichte in den Medien, meine Gespräche mit Leute aus Bombay, die Kanada besuchen, all das erlaubt es mir, auf diesen 23 Jahren, die ich in Bombay gelebt habe, aufzubauen. Es ist, als wäre ich nicht weggegangen. Ich musste für dieses Buch also keinerlei Recherchen unternehmen. Wie, nehme ich an, alle Orte ändert sich Bombay und bleibt doch dieselbe Stadt, vielleicht sogar noch stärker als andere Städte, denn ihre Probleme lassen sich nicht leicht lösen und bleiben darum immer dieselben, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt: der Verkehr, die Infrastruktur, die Wassernot, die Slums - trotz aller Anstrengungen, die Probleme zu lösen, scheinen sie gewissermaßen unüberwindbar. Einstellungen ändern sich zwar, aber nur ganz langsam. So ist es einfach, wenn man in Kontakt bleibt, den Finger am Puls all dieser Veränderungen zu behalten.
Doch nicht nur die überquellende Millionenmetropole Bombay bleibt Schauplatz des jüngsten Romans, auch das soziale Milieu hat sich nicht geändert. Der Roman spielt wie seine Vorgänger in der unteren Mittelschicht, also in jenen Verhältnissen, in denen Rohinton Mistry selbst aufwuchs. Er erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der an der Parkinsonschen Krankheit leidet und nach einem Sturz bettlägerig wird. Damit allerdings überstrapaziert er die Geduld seiner beiden erwachsenen und ledigen Stiefkinder, die gar nicht daran denken, ihren Stiefvater Nariman zu pflegen. Geschickt arrangieren sie seinen Abtransport zu seiner leiblichen Tochter Roxana, die mit ihrem Mann Yezad und ihren zwei heranwachsenden Söhnen in einer kleinen Zweizimmerwohnung lebt. Die Ankunft des Vaters bringt erhebliche Probleme mit sich, denn der hilflose alte Mann muss wie ein Kleinkind gepflegt werden, da er sich nicht aus dem Bett erheben darf. Das kostet viel Kraft und innere Überwindung, bringt den Familienfrieden mehr als einmal in heftige Bedrängnis, führt zu Streit und bösem Blut zwischen den Geschwistern. Zudem kostet die Krankheit Narimans mehr, als sein Schwiegersohn Yezad aufbringen kann. Die permanente Geldnot hat schlimme Konsequenzen. Dennoch zeigt Rohinton Mistry, wie selbst unter solchen extremen Bedingungen Mitgefühl und Mitmenschlichkeit letztlich siegen:
Yezad hatte mit seinem Schwiegervater nie Probleme, aber jetzt, da er bei ihnen lebt, den ganzen Tag hilflos auf der Couch im Wohnzimmer liegt, in dem sie sich alle ständig aufhalten, da wird die Situation für ihn unerträglich. Er wird ungeduldig, fängt an, seinen Schwiegervater abzulehnen. Da er aber ein vernünftiger Mann ist und sich ständig seiner Vorur-teile bewusst ist, wächst er menschlich durch diese Prüfung. Roxana wiederum lernt etwas über ihren Ehemann. Es bringt sie beide letztlich einander näher. Die Enkel Murad und Jehangir bekommen die Möglichkeit, ihrem Großvater näher zu kommen. Für Jehangir bereichert es sein Leben auf ganz besondere Art und Weise, wie wir am Ende feststellen werden, denn er ist derjenige, der die Geschichte seines Großvaters erzählt und zwar so wie er sie versteht. Wir sehen, wie Leid die Familie zusammenschweißt und Liebe wachsen lässt.
Nun klingt das ganz nach heile Welt und geradezu kitschigem Familienglück, doch ganz so einfach macht es uns Rohinton Mistry nicht. Der hilflose Alte ist, wie wir in Rückblenden erfahren, keineswegs unschuldig an seinem Unglück. Dass ihn seine Stiefkinder aus seiner geräumigen komfortablen Eigentumswohnung abschieben, hat durchaus seine Gründe. Nariman hat ihre Mutter früher schäbig behandelt, sich würdelos und feige verhalten, ist zudem mitverantwortlich an deren unglücklichem Tod. Allerdings liegt nicht alle Schuld bei ihm allein, hat ihn doch sein Vater, ein streng orthodoxer Parse, in die Ehe mit der Witwe gezwungen, obwohl Nariman eine andere Frau geliebt hat. Doch die durfte er nicht heiraten, denn sie gehörte nicht zu Glaubensgemeinschaft der Parsen, also der Anhänger der monotheistischen Religion des Zoroastrismus, einer Vorgängerreligion des Islam und des Christentum. Narimann heiratet also die ungeliebte Witwe, macht mit ihr auch noch ein Kind, trifft sich aber weiterhin mit seiner Geliebten. Alle wissen davon. Seine beiden Stiefkinder erleben für ihre Mutter zutiefst demütigende Szenen mit. Rohinton Mistry hat hier gleich zwei dramatische Situationen zusammengebunden: das Unglück einer arrangierten Heirat, für die die Liebe nur eine unwichtige Banalität darstellt und das Unglück einer fundamentalistischen Religionsauslegung.
Nariman sieht den orthodoxen fundamentalen Glauben seines Vater als die Verletzung seines Lebens, denn dessen Glaube sieht alle außerhalb des Glaubens als Außenseiters an und verlangt, innerhalb der Gemeinschaft rein zu bleiben und nur in ihr zu heiraten. Dieser rigide Glauben macht Nariman unglücklich. Man könnte nun sagen, er ist selbst schuld daran. Wenn er eine andere Einstellung als sein Vater hat, dann muss er eben die Konsequenzen ziehen und selbst entscheiden. Narimans Schwäche besteht darin, seinem Vater nachzugeben. Das aber führt zum nächsten Konflikt. Wenn man den Wünschen seiner Eltern folgt, wo zieht man die Grenze, wie findet man einen Ausgleich zwischen der Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit und der Position innerhalb der Familie, der Gesellschaft, als jemand, der zu etwas größerem als der eigenen Person gehört?
Für Rohinton Mistry geht es allerdings weniger um das Parsentum, dem er selbst entstammt, sondern vielmehr um Grundfragen des Glaubens allgemein, um Orthodoxie und Moderne, Sicherheit in unruhigen Zeiten, innere Ruhe und Konfliktbewältigung.
Ich denke, hier zählt mehr die Religion selbst als das Parsentum. Da die Figuren Parsen sind, ist das der Kontext ihrer Konflikte mit der Tradition und der Moderne und wie man damit umgeht. Es ist sicherlich aber auch wichtig in dem Sinne, dass wir es mit einer sehr kleinen Minderheit zu tun haben. In Bombay leben heute nicht mehr als 60 000 Parsen. Weil es aber um eine Minderheit geht, hat man die privilegierte Situation, die Gesellschaft von den Rändern her zu beobachten. Mit der Idee der Religion und den Problemen, die sie fürs Leben mit sich bringt, wie stark man glaubt, wie söhnt man diesen Glauben mit dem aus, was einem im Leben zustößt, damit haben sich alle Religionen auseinander zusetzen.
Das Thema des Glaubens durchzieht den gesamten Roman wie ein roter Faden. Immer wieder werden seine Figuren mit den Folgen des Glaubens in all seinen Varianten konfrontiert. Das gilt auch für Yezad, der uns anfangs als toleranter, liberaler Zeitgenosse vorgestellt wird. Doch der unverhoffte Einzug des Schwiegervaters und berufliche Fehlschläge bringen ihn dazu, sich seiner Religion erneut zu nähern. Im Tempel findet er jene innere Ruhe und Ausgeglichenheit, die zuhause und auf der Arbeit verloren gegangen sind. Als dann noch ein von ihm ausgeheckter Plan, von seinem Chef mehr Lohn bewilligt zu bekommen, in eine Katastrophe mündet, wendet er sich ganz der Religion zu, wird ein orthodoxer Eiferer:
Er beschließt, dass Gott für alles zuständig ist. Gott soll die Last der Dinge tragen, denn es erscheint ihm nutzlos, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Es funktioniert nicht. Warum also sollte er sich plagen, warum sich vormachen, dass man frei entscheiden und sein Leben kontrollieren kann, wenn dem nicht so ist? Offensichtlich gibt es eine höhere Instanz, die sich darum kümmert. Also wird er wird glauben und seinen Pflichten als Gläubiger nachkommen und das ist ziemlich traurig für Yezad. Es ist eine Niederlage.
So schließt sich der Kreis. Alles Unglück begann mit dem fundamentalistischen Glauben und endet in ihm. Rohinton Mistry hat insofern einen sehr aktuellen Roman über Glanz und Elend der Religion geschrieben. Es ist eine eindringliche Warnung vor den Folgen religiösen Fanatismus anhand der Geschichte einer indischen Familie. Man könnte es auch so formulieren: Ein orthodoxer Gott bringt Unglück.