Novy: Ja gut, aber es würde an Geld schon etwas wegfallen.
Homoki: Ja, da würde etwas wegfallen, aber einem Mitglied ist es ja freigestellt auszutreten.
Novy: Das heißt also, Sie würden das gar nicht mit normalem Sponsoring vergleichen, Sie würden nicht sagen: Hier hat sich jemand eingemischt, der sich eigentlich gar nicht einmischen sollte?
Homoki: Nein. Problematisch wäre es natürlich in dem Falle, wenn wir sagen, Daimler ist ein Hauptsponsor dieser Aufführung und besponsert - was weiß ich - sagen wir mal 100.000 Euro dieser Aufführung, die Aufführung baut auf diese Finanzierung und nachher kommt einer, der sagt: Moment, das muss weg und das muss weg und das muss weg.
Novy: Sie sind also nicht empört und erschüttert, wenn Daimler Chrysler sich jetzt ganz aus dem Förderkreis zurückzieht?
Homoki: Ich fände es schade, denn ich mag ja den Matthias Kleinert gerne, ich schätze ihn. Ich finde es aber wiederum gut, dass er so leidenschaftlich reagiert, finde ich eigentlich sympathisch, denn er ist ja eigentlich so ein "cooler" PR-Profi und dass das dann noch geht, zeigt, was für eine Kraft Theater hat. Das finde ich gut und eigentlich sympathisch, das gibt bestimmt Gesprächsbedarf. Es ist die Frage, ob DaimlerChrysler jetzt sagt: Wir finden den gesamten Kurs des Hauses so problematisch, dass wir uns damit nicht mehr identifizieren wollen. Das ist ja immer der Punkt bei Sponsoring oder bei solchen Dingen, dass sozusagen die Firma, die das Geld gibt, sich schmückt mit dem, was sie fördert. Im Moment sind die ja eher in der Rolle des Bösen, wie mir scheint, die jetzt Zensur ausüben wollen. Ich weiß nicht, ob das die Intention von DaimlerChrysler ist; ich denke, das ist alles noch nicht ausdiskutiert.
Novy: Sie fühlen sich also ganz gut?
Homoki: Ja, ich finde, wir haben einen fulminanten Erfolg gehabt am Sonntag, insgesamt wurden wir umjubelt für diese Aufführung, bei allen Benennungen von problematischen Details. Ich glaube zum ersten Mal in der Geschichte, ist eine Theateraufführung ganzseitig auf der Titelseite der BZ, das führende Boulevard-Magazin in Berlin - natürlich mit demagogischen Fragestellungen, das mit den "Steuergeldern" und "Ekelkunst" und so, das ist alles ein Diskurs, der..
Novy: Nützt der Aufmerksamkeit.
Homoki: Ja, der ist eigentlich gut und richtig. Natürlich, die Aufführung ist anstrengend und grenzwertig in einigen Dingen, die gezeigt werden. Es bleibt aber in jedem Moment Theater, es ist nichts, was irgendwie unter Pornographie fallen würde oder unter Dinge, die man nicht im Kino oder im Fernsehen so sieht. Es ist ungewöhnlich einen solchen Realismus auf der Bühne zu sehen, aber die Komische Oper hat den Begriff seit Jahrzehnten geprägt: realistisches Musiktheater. Nun haben wir es mal in einer besonderen Weise eingelöst und werden diskutiert. Ich finde das eigentlich einen normalen Prozess, ich freue mich auch über die Heftigkeit des Diskurses.
Novy: Ist das eine Abwägung? Einen kurzfristigen Aufmerksamkeitserfolg, der Geld in die Kassen spült gegen die Gefahr, dass Leute abspringen, die Geld geben?
Homoki: Das kalkuliert man ja nicht. ich habe diesen Regisseur vor über drei Jahren engagiert - da war das ein junger, spanischer Geheimtipp, da kannte ihn noch niemand hier. Jetzt hat er sich mittlerweile so einen Ruf erworben, dass er heftig arbeitet und auch einige Skandale in Hannover ausgelöst hat. Das war zu diesem Zeitpunkt, wie gesagt, noch nicht abzusehen. Ich habe ihn engagiert, weil er ein guter Theatermann ist, der etwas aussagen möchte, der die Stücke überprüft, auf das, was sie uns heute sagen. Darum geht es mir. Dass es jetzt so geknallt hat, das kann man nicht kalkulieren. Wir wussten, als wir die Proben gesehen haben in der letzten Woche, bestimmte Dinge werden mit sicher problematisiert werden, aber für mich als Intendant sehe ich die Aufgabe darin, Kunst zu ermöglichen und nicht Kunst zu zensieren. Kritik kann man eigentlich immer nur innerhalb der Kunden selber üben: Ist ein Stück künstlerische Arbeit konsequent? Ist sie stimmig? Ist sie ehrlich? Darum muss es gehen, und diese Kriterien erfüllt diese "Entführung" allemal.
Novy: Skandal um Mozarts "Entführung aus dem Serail" unter der Regie von Calixto Bieito. Das war Andreas Homoki, der Intendant der Komischen Oper in Berlin.