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Die Rache des Dorschs

Australien leidet unter einer Jahrtausenddürre. Seit fast zehn Jahren ist kaum ein Tropfen Regen im Südosten des Kontinents gefallen. Genau dort aber liegt die mit Abstand wichtigste Agrarregion des Landes - das Murray Darling Becken, ein Gebiet, größer als Frankreich und Spanien zusammen.

Von Monika Seynsche | 20.09.2009
    Damals, als die Erde noch jung war, lebte ein riesenhafter Murray-Dorsch. Er war so groß, dass er bei jeder Bewegung Bäume fällte und tiefe Spuren ins Land riss. Nicht lange dauerte es, bis diese Zerstörungswut dem Großen Geist zu Ohren kam. Er beschloss, das Monster zu stoppen und schickte zwei Brüder, es zu jagen. Um den Häschern zu entkommen, floh der Riesendorsch so schnell es sein gewaltiger Körper erlaubte, nach Westen. Er hinterließ eine tiefe Rinne im Boden, die sich mit Wasser füllte.

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    "Das Murray Darling Becken ist die Obstschale Australiens. Etwa 60 Prozent der hierzulande angebauten Früchte stammen aus dieser Region. Aber jetzt stehen wir da mit einer Krise, weil wir das Wasser verteilt haben, ohne auf den Fluss Rücksicht zu nehmen."

    "We are going to a point over there."

    Ein kleines Motorboot steuert durch die Lagune auf eine Sanddüne zu. Dahinter beginnt der südliche Ozean. Davor, in der Coorong-Lagune sammelt sich das Wasser des Murray, bevor er ins Meer mündet. David Paton winkt einer kleinen Gruppe von Studenten zu. Mit Schlapphüten und langärmeligen Hemden gegen die Sonne geschützt warten sie an der Spitze der Sanddüne. David Paton lehrt Biologie an der Universität von Adelaide. Den Vormittag haben seine Studenten mit einer Vogelzählung verbracht.

    "In den 80er Jahren kamen noch jedes Jahr 30.000 bis 40.000 Vögel hierher. Dieses Jahre sind es nicht einmal mehr 5000."

    Der Coorong ist eines der wichtigsten australischen Vogelschutzgebiete. Selbst in der größten Dürre gab es hier genügend Wasser, um die Vögel des trockenen Kontinents am Leben zu erhalten. Das war zumindest bislang der Fall. Paton:
    "Wir stehen hier etwa 300 Meter von der eigentlichen Mündung des Murray entfernt. Die Flussmündung ist im Moment etwa 10 bis 20 Meter breit und nur noch einen Meter tief. Seit Oktober 2002 arbeiten diese Baggerschiffe dort rund um die Uhr, um die Mündung offen zu halten. Denn es kommt kein Flusswasser mehr hier an."

    Unter normalen Umständen würde das Wasser des Murray ins Meer strömen und mit seiner Wucht die Mündung offen halten. Aber nun versperrt der Sand immer wieder die Öffnung. Paton:

    "Es ist das erste Mal überhaupt, dass nicht mehr genug Wasser mit dem Murray hierher gelangt. Sicher, wir erleben zurzeit eine der schlimmsten Dürren Australiens, aber es hat in der Vergangenheit ähnlich trockene Perioden gegeben – zu Beginn des vorigen Jahrhunderts etwa oder zwischen den beiden Weltkriegen – und trotzdem ist der Murray nie zuvor über längere Zeit hinweg schon vor der Mündung versiegt."

    Durch das fehlende Süßwasser wird das Wasser des Coorong immer salziger. In einem Seitenarm der Lagune ist der Salzgehalt heute fünf bis sechsmal so hoch wie im offenen Ozean. Kein Fisch kann hier mehr leben. Auf die Fische aber sind viele Vögel angewiesen. Große Sorgen macht sich David Paton um die Brutkolonien der Australseeschwalben.

    "Want to see a little chick?"

    Die kleinen weiß-schwarzen Vögel waren bis vor kurzem weit verbreitet. 2008 aber musste die Weltnaturschutzunion sie auf die Liste der bedrohten Arten setzen. Der Fischmangel im salzigen Wasser hat die kleinen Vögel aus den geschützten Ecken der Lagune hierher getrieben, zur Mündung. Hier leben zwar noch Fische, aber auch Jäger wie Füchse und Katzen gelangen leicht auf die Sanddüne. Paton:

    "Wenn die Mündung des Murray komplett versandet, können darüber hinaus die Fische nicht mehr zum Laichen in die Lagune kommen und der Wechsel der Gezeiten geht verloren. Auf den sind aber viele Watvögel angewiesen, wie etwa der Sichelstrandläufer oder der Spitzschwanzstrandläufer. Diese Vögel brüten in den hohen Breiten der Nordhalbkugel und überwintern hier im Coorong."

    Wayne Meyers Büro liegt am Stadtrand von Adelaide. Auf einer ehemaligen Farm, die der Universität vermacht wurde. Der Mann um die fünfzig sitzt in Hemd und dunkelblauen Shorts hinter seinem Schreibtisch.

    "Der Murray und seine Nebenflüsse bilden eines der ganz großen Flusssysteme der Welt. Er speist sich aus Schnee und Regen, der in den Gebirgen im Südosten des Kontinents fällt. Dieses Wasser strömt dann nach Westen ins trockene Inland."

    In diesem trockenen Hinterland fällt kaum ein Tropfen Regen. Die einzige Lebensader bildet der Fluss Murray. Gemeinsam mit seinem größten Zufluss, dem Darling River, versorgt er ein Gebiet mit Wasser, größer als Spanien und Frankreich zusammen. Wayne Meyer ist Agrarwissenschaftler und Spezialist für Bewässerung.

    "Landwirtschaftlich gesehen ist das Murray-Darling-Becken die mit Abstand wichtigste Region Australiens. Sie liefert 70 Prozent unserer Bewässerungsfrüchte. Hauptsächlich Obst und Gemüse, viele Weintrauben, Oliven und Mandeln, dazu kommen Weiden für die Milchindustrie."

    Unzählige Staustufen und Dämme entlang des Flusses haben dafür gesorgt, dass der Murray sein Wasser genau dann lieferte, wenn die Bauern es brauchten. Ein kompliziertes Verteilungssystem legte die Mengen fest, die jeder Bauer dem Fluss entnehmen durfte. Meyer:
    "Von 1950 bis in die 90er Jahre hinein war das Klima hier relativ feucht. Während dieser Periode haben viele Bauern ihre Felder und Bewässerungssysteme ausgebaut, neue Dämme wurden errichtet und die Pläne ausgearbeitet, nach denen das Flusswasser verteilt werden sollte. Das alles basierte auf der Annahme, dass wir immer so viel Wasser zur Verfügung haben würden, wie in diesen Jahrzehnten."

    "Unser Verteilungssystem beruhte darauf, dass jeder eine bestimmte Menge Wasser erwerben konnte und dann jedes Jahr Anspruch auf diese Menge hatte. Und zwar unabhängig davon, ob der Fluss viel oder wenig Wasser führte. Darüber hinaus haben wir mehr Wasserrechte verteilt, als Wasser im ganzen System zur Verfügung stand. Wenn also jeder soviel Wasser herausgenommen hätte, wie er durfte, wäre der Fluss schon in wasserreichen Jahren komplett trockengefallen."

    Leidtragende des Systems sei immer die Umwelt gewesen, resümiert Justin Brookes. Er leitet das Wasser-Forschungszentrum an der Universität von Adelaide. In den Jahren, in denen der Murray nur wenig Wasser führte, entnahmen Bauern und Städte ihr Wasser und für die Natur blieb nichts übrig. Deshalb mussten die Baggerschiffe schon im Jahr 2002 an der Mündung des Murray anrücken, noch bevor die jetzige Dürre überhaupt begann. Brookes:

    "Die Umwelt litt damals schon unter einer Trockenheit, weil sie nicht die Wassermengen bekam, die sie zum Überleben brauchte."

    Seit der Jahrtausendwende kommt zu dieser hausgemachten nun eine natürliche Dürre hinzu. Der Südosten Australiens ist so trocken wie seit Menschengedenken nicht. Brookes:

    "Erst vor wenigen Jahren wurden die Wasserrechte begrenzt, so dass die Bauern jetzt nur noch zwischen sechs und 16 Prozent ihrer Zuteilungen bekommen. Das meiste Wasser ist nun der Trinkwasserversorgung vorbehalten. Es fließt bis fast zur Mündung des Murray und wird dort von den südaustralischen Wasserwerken abgepumpt und nach Adelaide geliefert."

    Aber um Wasser aus einem Fluss herausnehmen zu können, muss das Wasser erst mal da sein, betont Mike Young. Er ist Professor für Wasserwirtschaft und Wassermanagement an der Universität von Adelaide.

    "Flüsse sterben von der Mündung aufwärts. Wenn Sie die Natur außer Acht lassen, entsteht ein Krebsgeschwür, das sich langsam stromaufwärts frisst."

    Das unterste Glied der Kette, die Coorong-Lagune ist jetzt schon so salzig, dass Leben unmöglich wird. An die Lagune schließen sich stromaufwärts zwei große Seen an: Lake Alexandrina und Lake Albert. In beiden ist der Wasserspiegel mittlerweile niedriger als im Coorong. Dadurch sickert salziges Wasser in die Seen. Außerdem bringt der Murray Salz aus den Böden stromaufwärts mit, genauso wie Schadstoffe aus der Umgebung. Beides kann nicht mehr ins Meer hinausgespült werden. David Paton:

    "Der Salzgehalt des ganzen Systems ändert sich. Bald werden die Bauern das Wasser für ihre Felder nicht mehr aus dem Fluss nehmen können. Rund um die Seen ist das schon geschehen. Vor zwei Jahren noch pumpten Bauern Süßwasser aus dem Lake Albert und dem Lake Alexandrina. Heute tut das kein einziger mehr."

    David Paton dreht sich auf der Sanddüne um und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf die sanften Wellen, das Dünengras und die über seinem Kopf kreischenden Vögel.

    "Wenn dieses System hier kollabiert, und es ist kurz davor, dann trifft es als nächstes die Seen, dann den untersten Flussabschnitt, dann den nächsten und so weiter. Der steigende Salzgehalt wird den Fluss töten, von der Mündung bis hinauf in die Quellgebiete im Gebirge."

    Vom Fluss aber hängt ein Großteil der australischen Landwirtschaft ab, genauso wie die Millionenstadt Adelaide.

    Die Hauptstadt Südaustraliens liegt malerisch zwischen Weinbergen, eukalyptusbewachsenen Hügeln und dem Saint-Vincent-Golf. Rund um die Innenstadt mit ihrer schnurgeraden Fußgängerzone ist Adelaide umgeben von einem Ring aus Parklandschaften, üppigen Gärten – und einem künstlichen See. Justin Brookes:

    "In Adelaide haben wir kaum andere Wasserquellen so dass wir sehr stark auf den Murray angewiesen sind. In trockenen Jahren pumpen wir 80 Prozent unseres Wasserbedarfs aus dem Fluss und speichern es in Stauseen. Dort wird es behandelt und dann in die Wasserleitungen der Stadt eingespeist. Adelaide hat etwa eine Million Einwohner und die Stadt verbraucht jeden Tag circa 1000 Megaliter Wasser."

    Nur wenige Dutzend Kilometer von der salzigen Mündung des Murray entfernt stehen die Pumpen, die das Trinkwasser für Adelaide fördern. Findet sich nicht bald eine Lösung, werden sie eine ungenießbare Brühe in die Stadt bringen. Brookes:

    "Wir brauchen ein neues Verteilungssystem, bei dem wir zuerst schauen, wie viel Wasser der Fluss führt. Dann bekommt jeder Nutzer, also die Bauern, die Städte und auch die Umwelt einen Prozentteil von dem, was da ist, und nicht mehr eine festgesetzte Menge."

    Der Vorschlag von Justin Brookes klingt simpel. Die Frage ist nur, wer soll welchen Prozentteil bekommen?

    "Die Diskussionen darüber sind in vollem Gange. Städte zum Beispiel sind wertvolle Wassernutzer, denn sie treiben die Wirtschaft an. Es ist eine sehr heikle Rechnung, da wir versuchen, die unterschiedlichsten Dinge gegeneinander abzuwägen: Bewässerung und Landwirtschaft, Produktivität, ökologische Werte, und den Wasserbedarf der Städte. Unsere Prioritäten waren bislang falsch gesetzt und wir wussten schon vor 20 Jahren, dass sie falsch waren. Durch die Dürre und die geringen Wassermengen im Fluss ist das Problem offensichtlich geworden. So wenig Wasser, wie wir nur noch zur Verfügung haben, müssen wir uns entscheiden, wer es bekommen soll."

    Ist eine Firma in der Stadt mehr wert? Oder eine profitable Weinanbauregion? Oder ein wertvolles Vogelschutzgebiet? Politisch kompliziert wird diese Rechnung noch dadurch, dass der Murray durch verschiedene australische Bundesstaaten fließt und die einzelnen Regierungen unterschiedliche Interessen haben.

    Die Jagd war unerbittlich. Über Tage und Wochen hinweg verfolgten die beiden Brüder das Monster des Murray-Dorschs. Tausende von Kilometern weit nach Westen. Dann, kurz vor dem großen Ozean, gelang es ihnen, den Dorsch in die Enge zu treiben. Das Monster wand und drehte sich, schlug wie wild um sich. Da riss sein gewaltiger Körper eine Mulde ins Land. Ein See entstand, den die Menschen heute Lake Alexandrina nennen.

    Das fehlende Wasser ist nicht das einzige Problem.

    "Ich habe durch die Bauern davon erfahren, da wir eng mit den Farmen der Region zusammenarbeiten. Sie riefen mich an und sagten, ist dir klar, dass hier überall gelbe und orange Flecken auf dem Boden auftauchen? Wir fuhren sofort hinunter und da waren sie: leuchtend gelbe, orange und rote Flecken überall."

    Der erste Anruf kam im Sommer 2007, erzählt Rob Fitzpatrick. Seitdem steht das Telefon am staatlichen Forschungszentrum CSIRO kaum noch still. Jeden Tag entdecken Bauern und Forscher neue bunte Flecken. Immer dort, wo Feuchtgebiete oder Flussarme entlang des Murray trocken fallen. Fitzpatrick:

    "They are soils that contain pyrite which is a fools gold mineral."

    Das seien Böden, die das Mineral Pyrit enthielten, also Katzengold. Dieses Mineral bildet sich aus Schwefel- und Eisenverbindungen, wenn ein Boden länger unter Wasser steht und dadurch kein Sauerstoff in der Nähe ist. Solange diese Pyrit-Böden unter Wasser bleiben und nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommen, ist alles in Ordnung. Wenn sie aber trocken fallen, reagiert das Pyrit mit dem Sauerstoff aus der Luft – Sulfat entsteht. Und wenn dieses Sulfat dann irgendwann wieder in Berührung mit Wasser kommt – sei es durch einen Regenguss eine Flutwelle oder das Grundwasser – dann beginnt die Katastrophe: Sulfat plus Wasser ergibt Schwefelsäure. Ein wirkungsvolles Gift, das alles Leben zerstört. Rob Fitzpatrick:

    "Durch die Dürre fallen immer mehr dieser pyrithaltigen Böden zum ersten Mal seit Hunderten, an einigen Stellen seit Tausenden von Jahren trocken. Davon sind riesige Gebiete betroffen. Und je stärker die Böden austrocknen, desto mehr Schwefelsäure entsteht am Schluss."

    Die australischen Böden enthalten sehr viele Schwefel- und Eisenverbindungen, aus denen sich Pyrit bilden kann. Und Dürren sind häufig auf dem trockenen Kontinent. Trotzdem sind die schwefelsauren Böden Rob Fitzpatricks Ansicht nach kein unausweichliches, sondern ein menschgemachtes Problem.

    "Durch die Staustufen und Dämme, die wir in den Murray eingebaut haben, stehen viele Gebiete entlang des Flusses seit 80, 100 Jahren unter Wasser. Bevor wir die Dämme bauten, wurden diese Gebiete gelegentlich überschwemmt und fielen dann wieder trocken, so dass sich nie große Mengen Pyrit bilden konnten. Durch die Dämme haben wir den Wasserspiegel künstlich hoch gehalten und so gewaltige Pyritschichten erzeugt. Jetzt, durch die Dürre und die zu großen Bewässerungsmengen, fällt der Wasserspiegel zum ersten Mal, die Böden fallen trocken, Sulfat entsteht und schließlich Schwefelsäure. Und uns fehlt das Wasser, um das zu verhindern."

    Besonders groß ist das Problem am Lake Alexandrina und seinem Nachbarsee, dem Lake Albert, kurz vor der Mündung des Murray in die Coorong-Lagune. Rund um die Seen grasten bis vor kurzem etwa 30.000 Milchkühe. Jetzt sind es kaum mehr 1000. Die meisten Bauern mussten aufgeben. Jeden Tag wird der ausgetrocknete Uferstreifen breiter und mehr schwefelsaure Böden kommen ans Licht. An vielen Stellen liegt der pH-Wert unter 2,5. Es gibt kaum ein Lebewesen, das unter so sauren Bedingungen überleben kann. Fitzpatrick:

    "Es ist eine Krise, anders kann ich es nicht beschreiben."

    Denn der niedrige pH-Wert ist erst der Anfang. Normalerweise steht in den Swanport Wetlands westlich von Adelaide das Wasser einen halben Meter hoch. Jetzt schlängelt sich der Holzpfad auf Stelzen über einen ausgedörrten Boden. Gelbe Hinweisschilder warnen vor Schlangen. Zwischen dem Schilfrohr schimmern an einigen Stellen orangebraune Flecken. Richard Bush erforscht schwefelsaure Böden an der Southern Cross University in Lismore. Er bückt sich und hebt ein kleines Stück Holz auf, das über und über mit dem orangebraunen Belag überzogen ist. Bush:

    "Dieses Mineral heißt Schwertmannit und es setzt sich unter sauren Bedingungen als flockiger eisenhaltiger Belag ab. Mit ihm können wir erklären, warum schwefelsaure Böden die Wasserqualität beeinträchtigen. Denn Schwertmannit löst sich sehr einfach und es hat eine große Oberfläche. Dadurch kann es Metalle und Schadstoffe sehr gut speichern. Wenn es dann nass wird, kann es sich in ein anderes Mineral umwandeln und dabei die Schadstoffe ins Wasser abgeben."

    Schwertmannit bildet sich nur bei einem pH-Wert von weniger als 3. In den schwefelsauren Böden kommt es reichlich vor. Und so lösen sich aus diesen Böden leicht Metalle wie Aluminium, Schwermetalle und auch Giftstoffe wie Arsen. Die Swanport Wetlands sind nur durch eine schmale Landzunge vom Murray getrennt. Zwanzig Meter von den orange-braunen Flecken entfernt strömt das Wasser, das die Millionenstadt Adelaide mit Trinkwasser versorgt. Rob Fitzpatrick arbeitet für das Forschungsinstitut CSIRO, das der australischen Regierung unterstellt ist. Auf die Frage, ob das Trinkwasser für Adelaide gefährdet sei, antwortet der Forscher deshalb vorsichtig und erst nach einer kurzen Pause.

    "Die Gefahr besteht theoretisch, aber wir haben keine Beweise, dass diese Feuchtgebiete ein Problem für die Trinkwasserversorgung darstellen. Wir untersuchen das Trinkwasser sehr genau und können bislang keinen Effekt sehen."

    Sein Kollege Ed Burton von der Southern Cross University in Lismore ist weniger zurückhaltend. Im Interview mit dem australischen Fernsehsender ABC greift er einen Klumpen schwefelsauren Bodens und hält ihn in die Kamera.

    "Wenn Sie das Wasser trinken würden, das beim ersten Regenguss mit diesem Boden in Kontakt kommt, wäre das ein vermutlich tödlicher Cocktail. Wir erforschen zurzeit, welche Metalle und wie viel Arsen sich aus diesem Material löst, wenn die Feuchtgebiete wieder überflutet werden."

    Denn eines Tages wird wieder Wasser kommen, darin sind sich alle Forscher einig. Deshalb suchen Rob Fitzpatrick und seine Kollegen händeringend nach Wegen, die tickende Zeitbombe zu entschärfen.

    "Wir versuchen zurzeit, auf einigen dieser Böden Schilfrohr anzupflanzen, denn wenn es uns gelingt, organisches Material in den Boden zu bringen, können wir die Säure ein wenig abpuffern. Also bestreuen wir die schwefelsauren Böden mit einer dünnen Kalkschicht, damit die Pflanzen überhaupt wachsen können. Wir hoffen, mit dem Schilfrohr auch die Winderosion zu stoppen. Denn gerade rund um die beiden Seen bläst der Wind die kahlen, schwefelsauren Böden mit all ihren Salzen in die Ortschaften."

    In einigen kleinen Feuchtgebieten haben die Forscher es geschafft, Schilfrohr anzusiedeln, aber diese Versuche kosten Zeit. Und genau die fehlt. Mit jedem trockenen Tag werden mehr schwefelsaure Böden freigelegt. Und je trockener sie sind, desto geringer die Chance, dass irgendetwas darauf noch wächst. Ganz egal, wie viel Kalk man auch streut. Rob Fitzpatrick ist nicht sehr optimistisch.

    "Es wird einfach immer schlimmer werden. Die Seen werden immer stärker austrocknen, das Wasser darin wird immer salziger und an den Ufern werden immer mehr schwefelsaure Böden zum Vorschein kommen."

    In einem roten Backsteinbau aus dem vorigen Jahrhundert ist der Klimaforscher Barry Brook gerade auf dem Weg in sein Büro an der Universität von Adelaide. Ein kleiner, schüchtern wirkender Mann mit Glatze:

    "Wir brauchen starke Regenfälle über mehrere Jahre hinweg, um das System wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen, wie wir ihn vor etwa 20 Jahren hatten."

    Doch Barry Brook glaubt nicht daran, dass diese Regenfälle kommen werden.

    "Unsere Klimamodelle deuten darauf hin, dass sich die subtropischen Klimazonen zu den Polen hin ausdehnen, wenn sich der Globus erwärmt. Während sie das tun, schieben sie andere Wettersysteme vor sich her in Richtung Pol. Für uns bedeutet das, dass die Regenfälle, die bislang Südaustralien mit Wasser versorgten, in Zukunft über dem südlichen Ozean fallen könnten."

    Den Klimamodellen zufolge sollten sich die Klimazonen in den kommenden 100 Jahren um einige hundert Kilometer verschieben. Die Wirklichkeit aber hat die Modelle schon längst überholt. Brook:

    "In den vergangenen 30 Jahren haben sich Klimazonen über Australien schon stärker verschoben, als für die nächsten 100 Jahre vorausgesagt war. Deshalb vermute ich, dass diese Dürre gar keine Dürre ist, sondern ein neuer Normalfall, auf den sich Australien einstellen muss. Wenn das der Fall ist, werden wir lernen müssen, auf Dauer mit 30 bis 50 Prozent weniger Regen auszukommen."

    Das Murray-Darling-Becken ist eines der ersten Gebiete in einer Industrienation, das hart vom Klimawandel getroffen wird. Und es ist ein Gebiet, das schon ohne den Klimawandel hart an einer Hypothek trägt: Böden voller ätzender Säure, Wasser, das Salz und Gift mit sich führt. Will Australien das Murray-Darling-Becken retten, dann muss es einen Weg finden, mit viel weniger Wasser viel sinnvoller umzugehen als in der Vergangenheit.

    Dabei hat Australien einen entscheidenden Vorteil. Es ist ein reiches Land, und kann, anders als viele Entwicklungsländer der anhaltenden Dürre etwas entgegensetzen. Mit Ausnahme der Hauptstadt Canberra liegen alle großen Städte des Landes direkt an der Küste. Und fast alle planen oder bauen schon Entsalzungsanlagen, erzählt der Wasserforscher Justin Brookes. Adelaide etwa investiert zurzeit umgerechnet etwa 700 Millionen Euro in eine Anlage, die ein Viertel der Stadt mit Trinkwasser versorgen soll. Um aber aus Meerwasser Trinkwasser zu gewinnen, braucht man Energie, viel Energie. Und die wird in Australien zumindest zur Zeit noch fast ausschließlich in Kohlekraftwerken erzeugt. Brookes:

    "Es ist wirklich eine Ironie des Schicksals, dass wir versuchen, auf den Klimawandel zu reagieren, und dabei einige unserer Lösungen so große Kohlendioxidemissionen verursachen werden, dass wir die Situation langfristig noch schlimmer machen."

    Die beiden Brüder töteten den Riesendorsch und riefen den Großen Geist. "Was sollen wir nun mit ihm tun?" Der Große Geist antwortete: "Schneidet ihn in kleine Stücke. Werft die Stücke in den Fluss, der hinter dem Monster entstanden ist." Die Brüder taten wie ihnen geheißen. Kaum aber trafen die Stücke aufs Wasser, wurden sie zu den Fischen, die heute im Fluss Murray leben. Und so war es die Jagd auf den Riesendorsch, die den gewaltigen Strom des Murray und seine Tiere schuf, damals, als die Erde noch jung war.

    Es scheint als würde Australien wieder von einem Monster bedroht. Aber ob aus dem Kampf auch diesmal neues Leben entsteht, ist ungewiss.