18. Mai 2000 - das Datum markiert einen düsteren Tag in der Geschichte der "Neuen Wirtschaft" oder "New Economy", wie der Experte jetzt sagt. Das Internet-Kaufhaus Boo.com, Europas ehrgeizigster Web-Neuling, verabschiedete sich nach kurzem schillernden Auftritt von der Bühne. Seitdem erinnert im Cyberspace ein Grabstein an den kometenhaften Aufstieg und Absturz "Boo.coms" . Aufgestellt hat ihn der New Yorker Internet-Profi Ryan Nitz. Auf seiner Internetseite "dotcomfailures.com" protokolliert er die aus dem Himmel der "New Economy" gefallenen Sterne.
"Auf meiner Seite habe ich etwa 400 Unternehmen aufgelistet. Nicht alle davon sind gescheitert. Es gibt so etwas wie eine Todesliste. Da stehen zur Zeit 20 Firmen drauf. Es müssen wahrscheinlich noch ein paar ergänzt werden."
In den Tagen nach dem 18. Mai überkamen die Anleger und Analysten tiefe Depressionen. Eben noch jauchzten sie über die Segnungen der "New Economy", jetzt waren sie zu Tode betrübt. Das Wort vom "Dot-Com"-Sterben machte die Runde. "Dot" heißt im Amerikanischen übrigens "Punkt" und das "com" weist in der Internet-Adresse immer auf einen kommerziellen Anbieter hin. Deshalb ist "Dot-Com" weltweit zum Synonym geworden für die Technologie-Unternehmen. Tatsächlich ereilte in Europa und den USA viele andere Internet-Firmen das gleiche Schicksal wie "Boo.Com". Wie die Lemminge folgten Dot-Com-Firmen mit so exotischen Namen wie "Red Rocket ", "ThirdAgeMedia", "Eparties" oder "Surfbuzz " dem britischen Internet-Kaufhaus in den Cyber-Tod. An kaum einer anderen Unternehmens-Geschichte lässt sich allerdings so gut studieren, was in der neuen Wirtschaft über Erfolg und Misserfolg entscheidet wie bei "Boo.com". Ryan Nitz:
" Die haben im Durchschnitt 23 Millionen Dollar im Monat ausgegeben. Viele sind sich nicht ganz sicher, wo all das Geld hingeflossen ist. Es sieht so aus, als ob ihre Ausgaben sehr extravagant waren. Insgesamt dürften sie etwa 160 Millionen Dollar ausgegeben haben. Da gab es ständig technische Probleme, die Leute kamen nicht auf die Seite und das Zielpublikum, modebewusste Kunden, haben sie auch nicht angesprochen. Ich habe mit einigen gesprochen und die haben mir gesagt, dass ihnen der Auftritt kein Bisschen gefallen hat. "
Die sogenannte "Cash-Burn-Rate", also der Zeitraum, in dem die Gelder der Investoren durchgebracht werden, haben bei "Boo.com" alles bisher da gewesene übertroffen. Rund 50 Millionen Mark sollen es im Monat gewesen sein - verpulvert für aufgeblähte Werbeetats, extravagante Partys in New Yorker Nobelhotels und Flugtickets der ersten Klasse für die jungen Manager. Vor allem aber stimmte das Geschäftsmodell nicht. Boo.com hat ohne physische Präsens im Einzelhandel versucht, im Direkt-Kundengeschäft erfolgreich zu sein - aber eben ohne eigene Ladenflächen. Ein Fehler, den nach Einschätzung von Steven Kafka, Branchenanalyst bei Forrester Research viele gescheiterte "Dot-com's" gemacht haben.
" Ich glaube, das größte Problem für die Dot.Com-Händler im Internet bestand darin, das sie nicht verstanden haben, dass sie eine Strategie brauchen, die auf mehrere Verkaufs-Kanäle setzt. Die klugen Einzelhändler, die überleben werden, sind Unternehmen wie "jcrew" , das nicht nur eine Webseite, sondern auch einen Katalog und richtige Geschäfte hat. Auch für die traditionellen Einzelhändler ist das eine hervorragende Chance, ihre Läden um eine Webstrategie zu ergänzen."
Erfolgreiche Unternehmen der "alten Wirtschaft", wie die Versandhäuser Otto und Quelle, aber auch Kaufhäuser wie Karstadt und Wal Mart bieten sich als Käufer gescheiterter Web-Unternehmen an oder drängen diese aus dem Markt. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Aufkauf des Online-Schallplatten-Händlers "CD Now" durch Bertelsmann. Ryan Nitz:
" CDNow hatte leider erhebliche Schulden angehäuft und konnte die Ertragserwartungen einfach nicht erfüllen. Es sah wirklich so aus, dass die niemals profitabel sein könnten. Für andere Unternehmen kann es in einer solchen Situation sehr weise sein, solche Firmen zu kaufen, wenn der Preis stimmt."
Mit Spannung blickt der Markt auf das Schicksal des als Buchversender gestarteten Online-Riesen "Amazon.Com". Mit einer Marktkapitalisierung von rund elf Milliarden US-Dollar und zwanzig Millionen Kunden macht das Unternehmen bis heute keinen Cent Gewinn. Nach vorsichtiger Kritik der Analysten von Morgan Stanley und Lehmann Brothers ging der Aktienkurs auf Talfahrt. Bei knapp 40 Dollar hat sich der Wert der Amazon-Aktie im laufenden Jahr mehr als halbiert. Schon machen Spekulationen die Runde, dem charismatischen Firmengründer Jeff Bezos werde Ende des Jahres das Geld ausgehen. Steven Kafka von Forrester hält solche Überlegungen für übertrieben:
"Ich gehe nicht davon aus, dass wir das Ende von Amazon nicht gesehen haben. Sicher, es gibt es paar Probleme: Sie haben sich zu schnell in neue Produktbereiche vorgewagt, mit denen sie keine Erfahrung hatten, aber Amazon macht das Richtige, indem es physisches Vermögen bildet, wie eigene Lagerhallen, um den Vertrieb dann profitabel organisieren zu können."
Daneben nutzt "Amazon.com" seine Erfahrung als Pionier des Direktvertriebs , sich als Partner für klassische Handelsketten attraktiv zu machen. So vereinbarte Amazon kürzlich eine enge Kooperation mit dem Spielzeughändler "Toys r' Us". Demnach wird der Branchenprimus die Lagerbestände an Spielzeug von Amazon übernehmen, während es umgekehrt seine Online-Aktivitäten an den Internet-Händler überträgt. Dass ähnliche Maßnahmen nicht auch bei "Boo.com" erwogen wurden, wundert Branchenprofis bis heute. Ken Andersen von "Venture Wire", einem amerikanischen Unternehmen, das den "Venture Capital"-Markt genau verfolgt, sieht nur eine mögliche Erklärung für die lange Untätigkeit der Investoren:
"Es ist im Moment ziemlich einfach, Geld zu bekommen von einer Vielzahl von Quellen, nicht nur traditionelle Venture Capital Unternehmen. Einige dieser Quellen bieten nicht viel Unterstützung, wenn die Sache schlecht läuft."
In den USA, mehr noch als in Europa, haben sich institutionelle und private Anleger in den vergangenen Jahren in den "Venture Capital"-Markt gestürzt. Venture Wire hat auf dem US-Markt bis Juli diesen Jahres 5.000 Investitionen von "Venture-Capitalist"-Unternehmen registriert mit einem Gesamtvolumen von knapp 73 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr ist das etwa ein fünffacher Betrag an Investitionen. Drei von vier Dollar flossen an "Dot-Coms". Ken Andersen:
"Der Profit aus Venture Capital war ganz ordentlich in den vergangenen Jahren. Jeder hat hier Geld rein gesteckt. Traditionell sind das die Pensionsfonds und die Stiftungen der Universitäten, die hier zuletzt mehr Geld angelegt haben. Aus der Wirtschaft kommt Geld und selbst Einzelpersonen investieren jetzt beachtliche Summen. Die Anlage ist so populär, dass es scheinbar grenzenlose Ressourcen gibt."
Venture-Capital-Unternehmen wie der "Mayfield Fund" oder "Oak Investment" treiben mit ihren Investitionen gewissermaßen den Motor der "neuen Wirtschaft" an. Professor Walter Kümmerle, von der renommierten Harvard Business School, erklärt den typischen Investitionszyklus:
"Der Venture Capitalist investiert im Allgemeinen für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Und der Venture Capitalist hat immer schon den Exit, das Liquiditätsereignis im Auge. Das ist entweder ein Börsengang oder der Verkauf an ein anderes großes Unternehmen. Wenn dieses Ereignis stattgefunden hat, dann zahlt dieser Venture Capitalist das Kapital, das er von seinen Investoren erhalten hat zurück und außerdem 80 Prozent der Gewinne."
Im Unterschied zum Unternehmer der "alten Wirtschaft", der seine Karriere oft mit "Tellerwaschen" begann, stecken die Kapitalgeber den jungen Internet-Unternehmern heute gewissermaßen den goldenen Löffel in den Mund. In den USA stehen bei Unternehmensgründungen im Schnitt zwischen zwei bis acht Millionen Dollar an Kapital zur Verfügung. Die Investoren kalkulieren die Verluste von vornherein mit ein. Böse Zungen behaupten deshalb, dass Erfolg oder Misserfolg von "Dot-Com"-Unternehmen eher auf einer erfolgreichen Finanzierung beruhen, als auf einem erfolgreichen Geschäft. Ken Andersen vom Branchendienst "Venture Wire" sieht das anders:
"Venture Kapital ist per Definition riskant. Und es gehört zu dem Modell, dass eine bestimmte Zahl an Investitionen daneben gehen. Die Faustregel lautet: von zehn Investitionen scheitern zwei bis drei, bei drei weiteren wird etwas Geld verloren, zwei oder drei machen etwas Geld aber nicht viel. Und dann ist da eines, das ist das nächste eBay oder Netscape. So funktioniert das. Man rechnet mit einem von zehn Unternehmen, das wirklich sehr erfolgreich wird."
Die Dynamik des Venture Capital Marktes in den USA spiegelt sich in der Zahl der Internet-Unternehmen wieder. Auch wenn es keine genauen Angaben gibt, gehen Marktbeobachter etwa von 2.000 Dot-Coms auf dem US-Markt aus. Doch Europa holt auf. In Deutschland wird die Zahl der Internet-Unternehmen auf etwa 500 geschätzt. Die in Boston ansässigen Analysten von Forrester Research rechnen für Europa mit einem "explosiven Wachstum" des e-Commerce, also dem Handel und der Produktion über das Internet. Zur Zeit macht der europäische Markt mit 5,4 Milliarden Dollar erst ein Sechstel des vergleichbaren Volumens auf dem US-Marktes aus. Doch schon 2004 haben sich beide Wirtschaftsräume mit etwa 1,6 Billionen Dollar in Europa angenähert. Professor Kümmerle von der Harvard Business School findet deshalb:
"Es ist nicht erstaunlich, dass US-amerikanische Venture Capitalist Firmen immer mehr auf den deutschen Markt drängen, also den europäischen Markt insgesamt, aber in Europa besonders nach Großbritannien und Deutschland. Vor allem deshalb, weil in Deutschland mit dem Neuen Markt ein öffentlicher Markt für Unternehmen, die aggressiv wachsen, vorhanden ist."
Fünf der fünfzehn großen amerikanischen "Venture Capital"-Unternehmen haben kürzlich Fonds aufgelegt, die in den europäischen Markt investieren. Viele dieser Dot-Coms werden später am "Neuen Markt" notieren. Damit bleibt der Handelsplatz der deutschen Internet-Wirtschaft trotz des Dot-Com-Sterbens im Frühsommer und Kursrückschlägen weiter interessant. Jürgen Stanowsky, Branchenanalyst der Dresdner Bank, möchte die Krise des jungen Marktes auch nicht überbewerten:
"Wir haben jetzt die erste Konsolidierungsphase erreicht. Jetzt wird wieder verstärkt nachgedacht werden und am Ende dieses Reflektionsprozesses wird dann eine Konzentration auf die Unternehmen erleben, die Inhalte, die sich aufgetan haben, in diesem Sektor sinnvoll nutzen und der Wirtschaft damit Mehrwerte und Dienstleistungen bereitstellen, die stark nachgefragt werden."
So ähnlich betrachtet Professor Kümmerle von der Harvard Business School auch die Lage auf dem amerikanischen Markt:
"Ich vergleiche das gerne mit dem Wilden Westen. Als die ersten Siedler in den Westen zogen, ging es den meisten nur darum, Land anzustecken und zwar möglich viel Land. Das führte dann auch zu einem 'Shake Out', als die Siedler zur Einsicht kamen, dass es nicht darum geht möglichst viel Land abzustecken, sondern nach Möglichkeit auch hochwertiges Land. Und das ist genau das, was wir jetzt beobachten."
Die Feststellungen und Prognosen der Marktanalysten lassen dennoch erst einmal aufschrecken. In Deutschland schreiben 40 Prozent der am Neuen Markt notierten Unternehmen rote Zahlen. Etwa ein Drittel macht nicht mehr als 10 Millionen Mark Umsatz im Jahr, was nach Ansicht der Wirtschaftsauskunftei "Creditreform" ein Pleiterisiko bedeutet. "PricewaterhouseCoopers" stellt in einer Fallstudie über 20 am Neuen Markt notierte Unternehmen fest, dass die Hälfte ernsthafte Schwierigkeiten hat. Und die Analysten von Merril Lynch glauben gar, dass nach der großen Markbereinigung drei von vier Dot-coms nicht mehr mit von der Partie sein werden. Forrester Research in Boston sieht die Dinge nicht ganz so dramatisch. Analyst Steven Kafka:
"Man muss sich die Verkaufsseite ganz genau anschauen, sicherstellen, dass da mehr als eine Internetpräsenz ist. Es gibt immer noch absolut hervorragende Möglichkeiten, im Internet Angebote zu platzieren, das ist noch nicht vorbei. Aber es ist jetzt ein viel härteres Spiel als noch vor sechs Monaten."
Die Dresdner Bank hat in einer Studie mit dem Titel "Zukunftsbranchen" die Investions-Felder der "New Economy" unter die Lupe genommen. Jürgen Stanowsky:
"Das ist natürlich an erster Stelle die Informations- und Kommunikationstechnologie insgesamt, hinzu kommen neue Verfahren in der Automatisationstechnik und auch neue Werkstoffe, die erst neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen und natürlich ein großer Bereich die Bio- und Gentechnologie, die immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewusstseins auch mit den positiven Zeichen kommen wird, also nicht genetisch veränderte Lebensmittel, sondern auch genetisch produzierte Medikamente."
Auch in den USA gehen die Analysten davon aus, dass die eigentliche Revolution der "New Economy" nicht im Business-to-Consumer-Bereich liegt, also im Direktmarketing, sondern innerhalb der Unternehmenswelten. Grady Means, einer der führenden Management-Theoretiker in den USA und Berater bei PricewaterhouseCoopers, hat dafür den Begriff "Meta-Kapitalismus" geprägt. Darunter versteht er eine intelligente Auslagerung von Lieferanten- und Kundenbeziehungen über Netzwerke. Gready Means:
"Das erlaubt ihnen die Angebots- und Nachfrageketten, also Produktion und Kundenservice über das Internet auszulagern. Dadurch können sie mit einer große Zahl an Zulieferern arbeiten, die Teilen für die Produktion oder fertigen Produkte an die Kunden liefern. Aufgrund der Schnelligkeit der Auktionen, der Preisgebote, gibt es eine Optimierung. Unternehmen, die solche ausgelagerten Netze verwalten können, haben einen unglaublichen Vorsprung bei den Kosten, der Qualität und der Reaktionszeit, der Innovation und letztlich haben sie auch sehr viel mehr Kapital. "
Erst recht dann, wenn sich große Konzerne zusammentun und ihre Zulieferer im Preis drücken durch gemeinsame Bestellungen. Jüngstes und bisher wichtigstes Beispiel: Die Internet-Plattform der Autokonzerne DaimlerChrysler, Ford und General Motors. Kein Wunder, dass sich an dieser Stelle auch die Kartellbehörden einschalten und prüfen, ob diese virtuelle Nachfragemacht den Autozulieferern im richtigen Leben noch eine Chance lässt. Und nicht nur der Einkauf wird revolutioniert, künftig werden große Konzerne auch weniger mit der Fertigung ihrer Produkte zu tun haben. Stattdessen managen sie die Lieferanten- und Kundenbeziehungen, vermitteln ihr Wissen und verkaufen eine Marke.
"Sie können das in allen Sektoren sehen, Die Automobilindustrie ist einer davon. Ein gutes Beispiel ist Porsche, das seinen Boxter auf Basis von Outsourcing bei externen Firmen produziert. Porsche kann die Qualität sicher stellen, das Design anpassen, den Kunden direkt die Autos bestellen lassen. Das ist weniger kapitalintensiv und trotzdem kann die Qualität gehalten und ein sehr attraktives Produkt hergestellt werden."
Means geh davon aus, dass die Wirtschaft in den USA in den kommenden zwei Jahren dramatische Umbrüche erleben wird. Die Hauptakteure des boomenden B-2-B-Marktes, wie die Profis dieses Branchensegment bezeichnen, sind Unternehmen, die informationstechnische Ausrüstung liefern, intelligente Software zur Prozesssteuerung schreiben oder die Plattform für Online-Märkte schaffen. Analyst Kafka teilt die Einschätzung, dass die künftige Entwicklung durch die unternehmensinternen Prozesse vorrangetrieben wird:
"Das ist ein Phänomen, das so ziemlich jede Industrie betrifft. Es gibt einige führende Industrien, die sich sehr schnell bewegen: die Automobilindustrie, die pharmazeutische Industrie, die Energieunternehmen. Aber das ist eine Bedarfskette, die von der Luftfahrtindustrie bis zur Lebensmittelbranche reicht."
Durch Business-to-Business-Lösungen hat die amerikanische Wirtschaft ihre Produktivität in den letzten Jahren verdoppeln können. So jedenfalls steht es im offiziellen Jahresbericht des amerikanischen Handelsministers zur Entwicklung der Informationswirtschaft für das Jahr 2000. Darin werden auch die Wachstumspotentiale für den Arbeitsmarkt beschrieben. Basierend auf Zahlen des US-Senats geht der Bericht von 6,2 Millionen Arbeitsplätzen in der Branche bis zum Jahr 2004 aus. Schon heute kann der Bedarf nicht gedeckt werden und hat zu einem internationalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte geführt. Eine Situation, die auch in Deutschland bekannt wurde durch die Diskussion um die Green-Card. Jürgen Stanowsky von der Dresdner Bank:
"Wir sehen natürlich auch jetzt schon Arbeitsplatzaufbau vor allem in der Telekommunikationsbranche, also sowohl in der Produktion der Hardware als auch in den Dienstleistungen und bei der Software. Die ganze Diskussion um die Greencard zeigt ja, dass wir hier Nachfrage nach Arbeitskräften haben, die wir im Land überhaupt nicht stillen können. Allein das ist schon ein Indiz dafür, dass wir hier ein Potenzial an neuen Arbeitsplätzen haben hier in Deutschland und ganz Europa."
Die große Chance für deutsche Unternehmen im Business-to-Business-Bereich sehen die Analysten der "New Economy" in der Telekommunikation, insbesondere dem Mobilfunk. Schon bald werden sich die Investitionen in moderne Netze und Infrastruktur auszahlen und zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Die Versteigerungsergebnisse der UMTS-Frequenzen haben zuletzt noch einmal bewusst gemacht, welche Potenziale hier schlummern. Dieser Vorteil wird auch von amerikanischen Analysten anerkannt. Professor Walter Kümmerle von der Harvard Business School:
"Was die Telekommunikation angeht und vor allem die mobile Kommunikation, ist dadurch dass es in Europa einen Standart gibt, während es in den USA verschiedene Standards gibt, eine größere mobile Plattform vorhanden. Das ist eine Chance, die europäischen Unternehmen und auch deutsche Unternehmen meiner Ansicht nach schnell nützen müssen"
Die "New Economy" und die Welt der "Dot-Coms" sind keine Erfindungen der Medien. Schon bald werden 300 Millionen Menschen über das Internet kommunizieren, handeln und Informationen austauschen. Gegenüber 1994 hat sich die Zahl der Nutzer damit um den Faktor 100 erhöht. Niemals zuvor hat sich eine Technologie so schnell verbreitet und so gründlich den Alltag verändert. Aus Sicht des Management-Gurus Grady Means sind die Grabsteine im Cyberspace für gefallene "Dot-Com"-Sterne nicht mehr als kleine Schlaglöcher auf dem Weg in die "New Economy":
"Wir erleben einen riesigen Umbruch, der vielleicht nur mit dem Übergang von der Jagd zur Agrarwirtschaft verglichen werden kann. Der Übergang von Business-to-Business-Beziehungen ist größer als der von Business-to-Consumer. Bei Business-to-Business sprechen wir über Konzerne, die Werte von 500 Milliarden bis 1 Billionen Dollar erzielen können. Nicht Dot.com's, bei denen es um Werte von einer Milliarde geht. Das ist ein ganz anderes Niveau und ein ganz anderes Phänomen. Wir haben in beiden Bereichen erst den Anfang erlebt. Wenn Business-to-Business richtig los geht, dann wird es zu einer umfassenden Ausweitung der weltweiten Kapitalmärkte kommen."
"Auf meiner Seite habe ich etwa 400 Unternehmen aufgelistet. Nicht alle davon sind gescheitert. Es gibt so etwas wie eine Todesliste. Da stehen zur Zeit 20 Firmen drauf. Es müssen wahrscheinlich noch ein paar ergänzt werden."
In den Tagen nach dem 18. Mai überkamen die Anleger und Analysten tiefe Depressionen. Eben noch jauchzten sie über die Segnungen der "New Economy", jetzt waren sie zu Tode betrübt. Das Wort vom "Dot-Com"-Sterben machte die Runde. "Dot" heißt im Amerikanischen übrigens "Punkt" und das "com" weist in der Internet-Adresse immer auf einen kommerziellen Anbieter hin. Deshalb ist "Dot-Com" weltweit zum Synonym geworden für die Technologie-Unternehmen. Tatsächlich ereilte in Europa und den USA viele andere Internet-Firmen das gleiche Schicksal wie "Boo.Com". Wie die Lemminge folgten Dot-Com-Firmen mit so exotischen Namen wie "Red Rocket ", "ThirdAgeMedia", "Eparties" oder "Surfbuzz " dem britischen Internet-Kaufhaus in den Cyber-Tod. An kaum einer anderen Unternehmens-Geschichte lässt sich allerdings so gut studieren, was in der neuen Wirtschaft über Erfolg und Misserfolg entscheidet wie bei "Boo.com". Ryan Nitz:
" Die haben im Durchschnitt 23 Millionen Dollar im Monat ausgegeben. Viele sind sich nicht ganz sicher, wo all das Geld hingeflossen ist. Es sieht so aus, als ob ihre Ausgaben sehr extravagant waren. Insgesamt dürften sie etwa 160 Millionen Dollar ausgegeben haben. Da gab es ständig technische Probleme, die Leute kamen nicht auf die Seite und das Zielpublikum, modebewusste Kunden, haben sie auch nicht angesprochen. Ich habe mit einigen gesprochen und die haben mir gesagt, dass ihnen der Auftritt kein Bisschen gefallen hat. "
Die sogenannte "Cash-Burn-Rate", also der Zeitraum, in dem die Gelder der Investoren durchgebracht werden, haben bei "Boo.com" alles bisher da gewesene übertroffen. Rund 50 Millionen Mark sollen es im Monat gewesen sein - verpulvert für aufgeblähte Werbeetats, extravagante Partys in New Yorker Nobelhotels und Flugtickets der ersten Klasse für die jungen Manager. Vor allem aber stimmte das Geschäftsmodell nicht. Boo.com hat ohne physische Präsens im Einzelhandel versucht, im Direkt-Kundengeschäft erfolgreich zu sein - aber eben ohne eigene Ladenflächen. Ein Fehler, den nach Einschätzung von Steven Kafka, Branchenanalyst bei Forrester Research viele gescheiterte "Dot-com's" gemacht haben.
" Ich glaube, das größte Problem für die Dot.Com-Händler im Internet bestand darin, das sie nicht verstanden haben, dass sie eine Strategie brauchen, die auf mehrere Verkaufs-Kanäle setzt. Die klugen Einzelhändler, die überleben werden, sind Unternehmen wie "jcrew" , das nicht nur eine Webseite, sondern auch einen Katalog und richtige Geschäfte hat. Auch für die traditionellen Einzelhändler ist das eine hervorragende Chance, ihre Läden um eine Webstrategie zu ergänzen."
Erfolgreiche Unternehmen der "alten Wirtschaft", wie die Versandhäuser Otto und Quelle, aber auch Kaufhäuser wie Karstadt und Wal Mart bieten sich als Käufer gescheiterter Web-Unternehmen an oder drängen diese aus dem Markt. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Aufkauf des Online-Schallplatten-Händlers "CD Now" durch Bertelsmann. Ryan Nitz:
" CDNow hatte leider erhebliche Schulden angehäuft und konnte die Ertragserwartungen einfach nicht erfüllen. Es sah wirklich so aus, dass die niemals profitabel sein könnten. Für andere Unternehmen kann es in einer solchen Situation sehr weise sein, solche Firmen zu kaufen, wenn der Preis stimmt."
Mit Spannung blickt der Markt auf das Schicksal des als Buchversender gestarteten Online-Riesen "Amazon.Com". Mit einer Marktkapitalisierung von rund elf Milliarden US-Dollar und zwanzig Millionen Kunden macht das Unternehmen bis heute keinen Cent Gewinn. Nach vorsichtiger Kritik der Analysten von Morgan Stanley und Lehmann Brothers ging der Aktienkurs auf Talfahrt. Bei knapp 40 Dollar hat sich der Wert der Amazon-Aktie im laufenden Jahr mehr als halbiert. Schon machen Spekulationen die Runde, dem charismatischen Firmengründer Jeff Bezos werde Ende des Jahres das Geld ausgehen. Steven Kafka von Forrester hält solche Überlegungen für übertrieben:
"Ich gehe nicht davon aus, dass wir das Ende von Amazon nicht gesehen haben. Sicher, es gibt es paar Probleme: Sie haben sich zu schnell in neue Produktbereiche vorgewagt, mit denen sie keine Erfahrung hatten, aber Amazon macht das Richtige, indem es physisches Vermögen bildet, wie eigene Lagerhallen, um den Vertrieb dann profitabel organisieren zu können."
Daneben nutzt "Amazon.com" seine Erfahrung als Pionier des Direktvertriebs , sich als Partner für klassische Handelsketten attraktiv zu machen. So vereinbarte Amazon kürzlich eine enge Kooperation mit dem Spielzeughändler "Toys r' Us". Demnach wird der Branchenprimus die Lagerbestände an Spielzeug von Amazon übernehmen, während es umgekehrt seine Online-Aktivitäten an den Internet-Händler überträgt. Dass ähnliche Maßnahmen nicht auch bei "Boo.com" erwogen wurden, wundert Branchenprofis bis heute. Ken Andersen von "Venture Wire", einem amerikanischen Unternehmen, das den "Venture Capital"-Markt genau verfolgt, sieht nur eine mögliche Erklärung für die lange Untätigkeit der Investoren:
"Es ist im Moment ziemlich einfach, Geld zu bekommen von einer Vielzahl von Quellen, nicht nur traditionelle Venture Capital Unternehmen. Einige dieser Quellen bieten nicht viel Unterstützung, wenn die Sache schlecht läuft."
In den USA, mehr noch als in Europa, haben sich institutionelle und private Anleger in den vergangenen Jahren in den "Venture Capital"-Markt gestürzt. Venture Wire hat auf dem US-Markt bis Juli diesen Jahres 5.000 Investitionen von "Venture-Capitalist"-Unternehmen registriert mit einem Gesamtvolumen von knapp 73 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr ist das etwa ein fünffacher Betrag an Investitionen. Drei von vier Dollar flossen an "Dot-Coms". Ken Andersen:
"Der Profit aus Venture Capital war ganz ordentlich in den vergangenen Jahren. Jeder hat hier Geld rein gesteckt. Traditionell sind das die Pensionsfonds und die Stiftungen der Universitäten, die hier zuletzt mehr Geld angelegt haben. Aus der Wirtschaft kommt Geld und selbst Einzelpersonen investieren jetzt beachtliche Summen. Die Anlage ist so populär, dass es scheinbar grenzenlose Ressourcen gibt."
Venture-Capital-Unternehmen wie der "Mayfield Fund" oder "Oak Investment" treiben mit ihren Investitionen gewissermaßen den Motor der "neuen Wirtschaft" an. Professor Walter Kümmerle, von der renommierten Harvard Business School, erklärt den typischen Investitionszyklus:
"Der Venture Capitalist investiert im Allgemeinen für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Und der Venture Capitalist hat immer schon den Exit, das Liquiditätsereignis im Auge. Das ist entweder ein Börsengang oder der Verkauf an ein anderes großes Unternehmen. Wenn dieses Ereignis stattgefunden hat, dann zahlt dieser Venture Capitalist das Kapital, das er von seinen Investoren erhalten hat zurück und außerdem 80 Prozent der Gewinne."
Im Unterschied zum Unternehmer der "alten Wirtschaft", der seine Karriere oft mit "Tellerwaschen" begann, stecken die Kapitalgeber den jungen Internet-Unternehmern heute gewissermaßen den goldenen Löffel in den Mund. In den USA stehen bei Unternehmensgründungen im Schnitt zwischen zwei bis acht Millionen Dollar an Kapital zur Verfügung. Die Investoren kalkulieren die Verluste von vornherein mit ein. Böse Zungen behaupten deshalb, dass Erfolg oder Misserfolg von "Dot-Com"-Unternehmen eher auf einer erfolgreichen Finanzierung beruhen, als auf einem erfolgreichen Geschäft. Ken Andersen vom Branchendienst "Venture Wire" sieht das anders:
"Venture Kapital ist per Definition riskant. Und es gehört zu dem Modell, dass eine bestimmte Zahl an Investitionen daneben gehen. Die Faustregel lautet: von zehn Investitionen scheitern zwei bis drei, bei drei weiteren wird etwas Geld verloren, zwei oder drei machen etwas Geld aber nicht viel. Und dann ist da eines, das ist das nächste eBay oder Netscape. So funktioniert das. Man rechnet mit einem von zehn Unternehmen, das wirklich sehr erfolgreich wird."
Die Dynamik des Venture Capital Marktes in den USA spiegelt sich in der Zahl der Internet-Unternehmen wieder. Auch wenn es keine genauen Angaben gibt, gehen Marktbeobachter etwa von 2.000 Dot-Coms auf dem US-Markt aus. Doch Europa holt auf. In Deutschland wird die Zahl der Internet-Unternehmen auf etwa 500 geschätzt. Die in Boston ansässigen Analysten von Forrester Research rechnen für Europa mit einem "explosiven Wachstum" des e-Commerce, also dem Handel und der Produktion über das Internet. Zur Zeit macht der europäische Markt mit 5,4 Milliarden Dollar erst ein Sechstel des vergleichbaren Volumens auf dem US-Marktes aus. Doch schon 2004 haben sich beide Wirtschaftsräume mit etwa 1,6 Billionen Dollar in Europa angenähert. Professor Kümmerle von der Harvard Business School findet deshalb:
"Es ist nicht erstaunlich, dass US-amerikanische Venture Capitalist Firmen immer mehr auf den deutschen Markt drängen, also den europäischen Markt insgesamt, aber in Europa besonders nach Großbritannien und Deutschland. Vor allem deshalb, weil in Deutschland mit dem Neuen Markt ein öffentlicher Markt für Unternehmen, die aggressiv wachsen, vorhanden ist."
Fünf der fünfzehn großen amerikanischen "Venture Capital"-Unternehmen haben kürzlich Fonds aufgelegt, die in den europäischen Markt investieren. Viele dieser Dot-Coms werden später am "Neuen Markt" notieren. Damit bleibt der Handelsplatz der deutschen Internet-Wirtschaft trotz des Dot-Com-Sterbens im Frühsommer und Kursrückschlägen weiter interessant. Jürgen Stanowsky, Branchenanalyst der Dresdner Bank, möchte die Krise des jungen Marktes auch nicht überbewerten:
"Wir haben jetzt die erste Konsolidierungsphase erreicht. Jetzt wird wieder verstärkt nachgedacht werden und am Ende dieses Reflektionsprozesses wird dann eine Konzentration auf die Unternehmen erleben, die Inhalte, die sich aufgetan haben, in diesem Sektor sinnvoll nutzen und der Wirtschaft damit Mehrwerte und Dienstleistungen bereitstellen, die stark nachgefragt werden."
So ähnlich betrachtet Professor Kümmerle von der Harvard Business School auch die Lage auf dem amerikanischen Markt:
"Ich vergleiche das gerne mit dem Wilden Westen. Als die ersten Siedler in den Westen zogen, ging es den meisten nur darum, Land anzustecken und zwar möglich viel Land. Das führte dann auch zu einem 'Shake Out', als die Siedler zur Einsicht kamen, dass es nicht darum geht möglichst viel Land abzustecken, sondern nach Möglichkeit auch hochwertiges Land. Und das ist genau das, was wir jetzt beobachten."
Die Feststellungen und Prognosen der Marktanalysten lassen dennoch erst einmal aufschrecken. In Deutschland schreiben 40 Prozent der am Neuen Markt notierten Unternehmen rote Zahlen. Etwa ein Drittel macht nicht mehr als 10 Millionen Mark Umsatz im Jahr, was nach Ansicht der Wirtschaftsauskunftei "Creditreform" ein Pleiterisiko bedeutet. "PricewaterhouseCoopers" stellt in einer Fallstudie über 20 am Neuen Markt notierte Unternehmen fest, dass die Hälfte ernsthafte Schwierigkeiten hat. Und die Analysten von Merril Lynch glauben gar, dass nach der großen Markbereinigung drei von vier Dot-coms nicht mehr mit von der Partie sein werden. Forrester Research in Boston sieht die Dinge nicht ganz so dramatisch. Analyst Steven Kafka:
"Man muss sich die Verkaufsseite ganz genau anschauen, sicherstellen, dass da mehr als eine Internetpräsenz ist. Es gibt immer noch absolut hervorragende Möglichkeiten, im Internet Angebote zu platzieren, das ist noch nicht vorbei. Aber es ist jetzt ein viel härteres Spiel als noch vor sechs Monaten."
Die Dresdner Bank hat in einer Studie mit dem Titel "Zukunftsbranchen" die Investions-Felder der "New Economy" unter die Lupe genommen. Jürgen Stanowsky:
"Das ist natürlich an erster Stelle die Informations- und Kommunikationstechnologie insgesamt, hinzu kommen neue Verfahren in der Automatisationstechnik und auch neue Werkstoffe, die erst neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen und natürlich ein großer Bereich die Bio- und Gentechnologie, die immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewusstseins auch mit den positiven Zeichen kommen wird, also nicht genetisch veränderte Lebensmittel, sondern auch genetisch produzierte Medikamente."
Auch in den USA gehen die Analysten davon aus, dass die eigentliche Revolution der "New Economy" nicht im Business-to-Consumer-Bereich liegt, also im Direktmarketing, sondern innerhalb der Unternehmenswelten. Grady Means, einer der führenden Management-Theoretiker in den USA und Berater bei PricewaterhouseCoopers, hat dafür den Begriff "Meta-Kapitalismus" geprägt. Darunter versteht er eine intelligente Auslagerung von Lieferanten- und Kundenbeziehungen über Netzwerke. Gready Means:
"Das erlaubt ihnen die Angebots- und Nachfrageketten, also Produktion und Kundenservice über das Internet auszulagern. Dadurch können sie mit einer große Zahl an Zulieferern arbeiten, die Teilen für die Produktion oder fertigen Produkte an die Kunden liefern. Aufgrund der Schnelligkeit der Auktionen, der Preisgebote, gibt es eine Optimierung. Unternehmen, die solche ausgelagerten Netze verwalten können, haben einen unglaublichen Vorsprung bei den Kosten, der Qualität und der Reaktionszeit, der Innovation und letztlich haben sie auch sehr viel mehr Kapital. "
Erst recht dann, wenn sich große Konzerne zusammentun und ihre Zulieferer im Preis drücken durch gemeinsame Bestellungen. Jüngstes und bisher wichtigstes Beispiel: Die Internet-Plattform der Autokonzerne DaimlerChrysler, Ford und General Motors. Kein Wunder, dass sich an dieser Stelle auch die Kartellbehörden einschalten und prüfen, ob diese virtuelle Nachfragemacht den Autozulieferern im richtigen Leben noch eine Chance lässt. Und nicht nur der Einkauf wird revolutioniert, künftig werden große Konzerne auch weniger mit der Fertigung ihrer Produkte zu tun haben. Stattdessen managen sie die Lieferanten- und Kundenbeziehungen, vermitteln ihr Wissen und verkaufen eine Marke.
"Sie können das in allen Sektoren sehen, Die Automobilindustrie ist einer davon. Ein gutes Beispiel ist Porsche, das seinen Boxter auf Basis von Outsourcing bei externen Firmen produziert. Porsche kann die Qualität sicher stellen, das Design anpassen, den Kunden direkt die Autos bestellen lassen. Das ist weniger kapitalintensiv und trotzdem kann die Qualität gehalten und ein sehr attraktives Produkt hergestellt werden."
Means geh davon aus, dass die Wirtschaft in den USA in den kommenden zwei Jahren dramatische Umbrüche erleben wird. Die Hauptakteure des boomenden B-2-B-Marktes, wie die Profis dieses Branchensegment bezeichnen, sind Unternehmen, die informationstechnische Ausrüstung liefern, intelligente Software zur Prozesssteuerung schreiben oder die Plattform für Online-Märkte schaffen. Analyst Kafka teilt die Einschätzung, dass die künftige Entwicklung durch die unternehmensinternen Prozesse vorrangetrieben wird:
"Das ist ein Phänomen, das so ziemlich jede Industrie betrifft. Es gibt einige führende Industrien, die sich sehr schnell bewegen: die Automobilindustrie, die pharmazeutische Industrie, die Energieunternehmen. Aber das ist eine Bedarfskette, die von der Luftfahrtindustrie bis zur Lebensmittelbranche reicht."
Durch Business-to-Business-Lösungen hat die amerikanische Wirtschaft ihre Produktivität in den letzten Jahren verdoppeln können. So jedenfalls steht es im offiziellen Jahresbericht des amerikanischen Handelsministers zur Entwicklung der Informationswirtschaft für das Jahr 2000. Darin werden auch die Wachstumspotentiale für den Arbeitsmarkt beschrieben. Basierend auf Zahlen des US-Senats geht der Bericht von 6,2 Millionen Arbeitsplätzen in der Branche bis zum Jahr 2004 aus. Schon heute kann der Bedarf nicht gedeckt werden und hat zu einem internationalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte geführt. Eine Situation, die auch in Deutschland bekannt wurde durch die Diskussion um die Green-Card. Jürgen Stanowsky von der Dresdner Bank:
"Wir sehen natürlich auch jetzt schon Arbeitsplatzaufbau vor allem in der Telekommunikationsbranche, also sowohl in der Produktion der Hardware als auch in den Dienstleistungen und bei der Software. Die ganze Diskussion um die Greencard zeigt ja, dass wir hier Nachfrage nach Arbeitskräften haben, die wir im Land überhaupt nicht stillen können. Allein das ist schon ein Indiz dafür, dass wir hier ein Potenzial an neuen Arbeitsplätzen haben hier in Deutschland und ganz Europa."
Die große Chance für deutsche Unternehmen im Business-to-Business-Bereich sehen die Analysten der "New Economy" in der Telekommunikation, insbesondere dem Mobilfunk. Schon bald werden sich die Investitionen in moderne Netze und Infrastruktur auszahlen und zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Die Versteigerungsergebnisse der UMTS-Frequenzen haben zuletzt noch einmal bewusst gemacht, welche Potenziale hier schlummern. Dieser Vorteil wird auch von amerikanischen Analysten anerkannt. Professor Walter Kümmerle von der Harvard Business School:
"Was die Telekommunikation angeht und vor allem die mobile Kommunikation, ist dadurch dass es in Europa einen Standart gibt, während es in den USA verschiedene Standards gibt, eine größere mobile Plattform vorhanden. Das ist eine Chance, die europäischen Unternehmen und auch deutsche Unternehmen meiner Ansicht nach schnell nützen müssen"
Die "New Economy" und die Welt der "Dot-Coms" sind keine Erfindungen der Medien. Schon bald werden 300 Millionen Menschen über das Internet kommunizieren, handeln und Informationen austauschen. Gegenüber 1994 hat sich die Zahl der Nutzer damit um den Faktor 100 erhöht. Niemals zuvor hat sich eine Technologie so schnell verbreitet und so gründlich den Alltag verändert. Aus Sicht des Management-Gurus Grady Means sind die Grabsteine im Cyberspace für gefallene "Dot-Com"-Sterne nicht mehr als kleine Schlaglöcher auf dem Weg in die "New Economy":
"Wir erleben einen riesigen Umbruch, der vielleicht nur mit dem Übergang von der Jagd zur Agrarwirtschaft verglichen werden kann. Der Übergang von Business-to-Business-Beziehungen ist größer als der von Business-to-Consumer. Bei Business-to-Business sprechen wir über Konzerne, die Werte von 500 Milliarden bis 1 Billionen Dollar erzielen können. Nicht Dot.com's, bei denen es um Werte von einer Milliarde geht. Das ist ein ganz anderes Niveau und ein ganz anderes Phänomen. Wir haben in beiden Bereichen erst den Anfang erlebt. Wenn Business-to-Business richtig los geht, dann wird es zu einer umfassenden Ausweitung der weltweiten Kapitalmärkte kommen."