Auf der Drehbühne ein hoher hölzerner Aufbau: abschüssige, spiegelnde Rampe vorm Schloßtor auf der einen, eine Art Lattenverschlag aus groben, rissigen Balken auf der anderen Seite - und Höhenunterschiede, die nur mit akrobatischen Sprüngen über schwankende Baubretter zu überwinden waren: das Räuberlager. Rechts an der Rampe begleiten Musiker die Aufführung auf traditionellen koreanischen Musikinstrumenten und interpunktieren sie rhythmisch mit einer Bumpae genannten typisch koreanischen Hintergrundmusik.
Die Räuber als "koreanisches Stück" - das machte natürlich neugierig. Dass freilich mit dieser Abschlußinszenierung der Mannheimer Schillertage, mit der koreanischen Interpretation der Räuber aus dem Geist Shakespeares, ein Stück Welt-Theater-Geschichte geschrieben würde, war den Ankündigungen nicht zu entnehmen. Dabei ist das Prädikat "Welttheater" nicht nur einfluß-geographisch zu verstehen, sondern meint vor allem das künstlerische Niveau der Aufführung. Es ist, als ob ganze akademische Symposien und schwerflüssige Rezensentendebatten über eine vermutete oder vermeintliche, ersehnte aber nur mehr bedingt mögliche - und wie die Floskeln auch immer lauten mögen - Aktualität Schillers samt der drögen Auseinandersetzung über Werktreue versus angestrengt modischer Aktualisierung an einem Abend förmlich weggespült weil weggespielt worden wären: Ja, er lebt! Und ja, man kann seine Texte immer noch verwenden, ohne sie bis auf Spurenelemente des Originals zusammenzustoppeln. Und man erträgt seine Affekte und sein Pathos, die extremen Situationen, die extremen Figuren, die extremen Gefühle, den latenten Wahnsinn, das "Übertriebene"- alles, was uns mit zerfurchter Stirn an Schwierigkeiten dazu sonst noch einfällt. Nein, man erträgt es nicht und man schwelgt auch nicht in irgendwelchen Exotismen - man gerät einfach immer mehr in den Bann der alten Räuberpistole, die in maschinengewehrschnellem Koreanisch von der großen Mannheimer Opernbühne kommt und am Ende das Festivalpublikum geschlossen in standing ovations und einem Hagel von Rosen verharren lässt, die von der Bühne und auf die Bühne fliegen.
Was war geschehen? Und wie war es geschehen? Z.B. dass Youn Taek Lee's Theater nicht nur die tradierten koreanischen Spielformen, sondern, aus unserer Sicht: überhaupt die vielfältigen Möglichkeiten des Theaters wiederentdeckt. Allein die Art und Weise wie die etwas obsolete, eher unglaubwürdige Figur des Vaters hier in einer Mischung von commedia dell'arte-Figur, asiatischem Maskentheater, Geistererscheinung und wuseligem Comicwesen mit weißer Haarmähne, graziös im Rollstuhl tanzend über die Bühne rollte, hüpfte, tot umsank, wie eine Marionette wieder aufstand, als Gespenst seiner selbst aus dem Hungerturm wankte! Da gab es keine verwaschenen Gefühlsmischungen, keine Sentimentalitäten, sondern faszinierend dynamische Gefühlsumschläge, die nichts von aufgesetzter Bemühtheit hatten. Dieses Theater hat keine Angst vor der eigenen Illusionsfähigkeit, weil es Schillers Text ernst nimmt und die Kunst des ernsthaften Spielens beherrscht: Lustvolles, präzises Körperspiel, virtuos gehandhabte Rituale und Bewegungsabläufe (selten hat man eine Schlacht besser gesehen als in diesen alle Bühnenaufbauten durchdringenden Kampfsport-Tänzen von martialischer Leichtigkeit);
In musikalisch gestützter Szenenrhythmus - aber ohne das Gefühl, einem artistischen Theater-Sport-Event beizuwohnen, vielmehr das Kunststück einer theatralischen Schwerelosigkeit zu erleben, die in den entscheidenden Augenblicken immer wieder zum Kern der Situationen führt. Franz, der Szenen live und listig stellt, arrangiert, dirigiert - bis er verzweifelt und brillant in den Tod tanzt. Karl, ein leicht berauschter Decadent, der zum Spielball der Kräfte wird, die er freigesetzt hat; bald Solist, bald Kumpan, hin und her gerissen bis zum sehr bitteren Ende.
Amalia und Karl ergeht es wie Romeo und Julia in ihrer Geschichte von Liebe und Tod. Der berühmt-berüchtigte Schluss: der "edle Räuber Karl" stellt sich und hilft damit den Armen - Youn Tack Lee zeigt ihn als Resignation - und als eine einzige große Liebeserklärung an Amalia, die Karl erst als Tote wie eine Puppe in den Arm nimmt und während das Licht langsam verlöscht - küsst. Selten sah man das Scheitern am Leben und die Verbindung von Eros und Tod so eng, so eindringlich, so ergreifend.
Die Räuber als "koreanisches Stück" - das machte natürlich neugierig. Dass freilich mit dieser Abschlußinszenierung der Mannheimer Schillertage, mit der koreanischen Interpretation der Räuber aus dem Geist Shakespeares, ein Stück Welt-Theater-Geschichte geschrieben würde, war den Ankündigungen nicht zu entnehmen. Dabei ist das Prädikat "Welttheater" nicht nur einfluß-geographisch zu verstehen, sondern meint vor allem das künstlerische Niveau der Aufführung. Es ist, als ob ganze akademische Symposien und schwerflüssige Rezensentendebatten über eine vermutete oder vermeintliche, ersehnte aber nur mehr bedingt mögliche - und wie die Floskeln auch immer lauten mögen - Aktualität Schillers samt der drögen Auseinandersetzung über Werktreue versus angestrengt modischer Aktualisierung an einem Abend förmlich weggespült weil weggespielt worden wären: Ja, er lebt! Und ja, man kann seine Texte immer noch verwenden, ohne sie bis auf Spurenelemente des Originals zusammenzustoppeln. Und man erträgt seine Affekte und sein Pathos, die extremen Situationen, die extremen Figuren, die extremen Gefühle, den latenten Wahnsinn, das "Übertriebene"- alles, was uns mit zerfurchter Stirn an Schwierigkeiten dazu sonst noch einfällt. Nein, man erträgt es nicht und man schwelgt auch nicht in irgendwelchen Exotismen - man gerät einfach immer mehr in den Bann der alten Räuberpistole, die in maschinengewehrschnellem Koreanisch von der großen Mannheimer Opernbühne kommt und am Ende das Festivalpublikum geschlossen in standing ovations und einem Hagel von Rosen verharren lässt, die von der Bühne und auf die Bühne fliegen.
Was war geschehen? Und wie war es geschehen? Z.B. dass Youn Taek Lee's Theater nicht nur die tradierten koreanischen Spielformen, sondern, aus unserer Sicht: überhaupt die vielfältigen Möglichkeiten des Theaters wiederentdeckt. Allein die Art und Weise wie die etwas obsolete, eher unglaubwürdige Figur des Vaters hier in einer Mischung von commedia dell'arte-Figur, asiatischem Maskentheater, Geistererscheinung und wuseligem Comicwesen mit weißer Haarmähne, graziös im Rollstuhl tanzend über die Bühne rollte, hüpfte, tot umsank, wie eine Marionette wieder aufstand, als Gespenst seiner selbst aus dem Hungerturm wankte! Da gab es keine verwaschenen Gefühlsmischungen, keine Sentimentalitäten, sondern faszinierend dynamische Gefühlsumschläge, die nichts von aufgesetzter Bemühtheit hatten. Dieses Theater hat keine Angst vor der eigenen Illusionsfähigkeit, weil es Schillers Text ernst nimmt und die Kunst des ernsthaften Spielens beherrscht: Lustvolles, präzises Körperspiel, virtuos gehandhabte Rituale und Bewegungsabläufe (selten hat man eine Schlacht besser gesehen als in diesen alle Bühnenaufbauten durchdringenden Kampfsport-Tänzen von martialischer Leichtigkeit);
In musikalisch gestützter Szenenrhythmus - aber ohne das Gefühl, einem artistischen Theater-Sport-Event beizuwohnen, vielmehr das Kunststück einer theatralischen Schwerelosigkeit zu erleben, die in den entscheidenden Augenblicken immer wieder zum Kern der Situationen führt. Franz, der Szenen live und listig stellt, arrangiert, dirigiert - bis er verzweifelt und brillant in den Tod tanzt. Karl, ein leicht berauschter Decadent, der zum Spielball der Kräfte wird, die er freigesetzt hat; bald Solist, bald Kumpan, hin und her gerissen bis zum sehr bitteren Ende.
Amalia und Karl ergeht es wie Romeo und Julia in ihrer Geschichte von Liebe und Tod. Der berühmt-berüchtigte Schluss: der "edle Räuber Karl" stellt sich und hilft damit den Armen - Youn Tack Lee zeigt ihn als Resignation - und als eine einzige große Liebeserklärung an Amalia, die Karl erst als Tote wie eine Puppe in den Arm nimmt und während das Licht langsam verlöscht - küsst. Selten sah man das Scheitern am Leben und die Verbindung von Eros und Tod so eng, so eindringlich, so ergreifend.