Den Satz "Franz heißt die Kanaille" hört man wie so viele bekannte Sätze in dieser Inszenierung nicht. Dirk Ossig spielt keine Kanaille, sondern mit der Trainingshose unterm Gehrock virtuos den zurückgesetzten, aus verletzten Gefühlen gewalttätig werdenden Spießer Franz:
Die Aufführung arbeitet mit den Farben schwarz, rot und weiß: wenn die Räuberbande sich konstituiert, wird der rote Stoff von der Rückwand gezogen, und im weiteren Verlauf verlieren die Räuber alle rote Färbung aus ihrer Kleidung. Und wenn es zum Sterben geht, dominiert Weiß. Nur Amalia trägt ihr leuchtend rotes Kleid unterm schwarzen Mantel bis zu ihrem tödlichen Ende. Sie ist mehr verliebt in ihr Gefühl als in den realen Mann Karl, so dass sie diesen, selbst als er die ihn verbergende schwarze Brille abnimmt, überhaupt nicht erkennt.
Karl und seine Genossen sind frustrierte, von der Gesellschaft angeekelte Männer, die zwar zunächst mit roten und schwarzen Fahnen auftreten und das revolutionäre Bandierossa summen, doch sie sind weniger auf gesellschaftliche Veränderungen als auf individuelle Verwirklichung aus:
Karls Worte sind vor allem eines: groß. Doch sofort nach ihnen öffnet er den Hartschalenkoffer, greift zum Elektrorasierer und macht sich für die Rückkehr zum Vater fertig. Norbert Stöß, der den Karl auch schauspielerisch sehr blass erscheinen lässt, ist kein Räuber. Er wirkt in seinen Lederhosen mehr wie ein frustrierter Bohémien denn als wilder Revoluzzer. Und Spiegelberg, der mit silbrig-bunten Aufschlägen an seinem Sakko als frustrierter Selbstverwirklichungssucher daher kommt, erzählt die Untaten im Nonnenkloster mehr wie etwas Ausgedachtes, mit dem er wie vor Kumpels in der Kneipe aufschneidet. Und Kosinski gibt, wenn er zur Bande stößt, Karl seine Visitenkarte. Der Jungmanager im edlen dunklen Zwirn ist in seiner Welt gescheitert und liefert eine andere Facette zu den vorgeführten Versuchen, eigene Lebensentwürfe zu bewältigen.
Franz und Karl sind in Hasko Webers konzentrierter und hochintelligenter Inszenierung zwei Seiten einer väterlichen geprägten Medaille. Doch die Aufführung, die mit musikalisch prägnanten Zäsuren arbeitet, vermag mit ihren Momentaufnahmen aus dem dunklen Bewußtsein nicht ihre vollen zwei Stunden zu faszinieren. Als Versuch, das Gedankendrama über Schillers Sprache lebendig werden zu lassen, beeindruckt sie dennoch.