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"Die Realpolitik hat ihn weniger interessiert"

Mit der Ausstellung "Cold War Politics" ist das Lasky Center for Transatlantic Studies in München eröffnet worden. Melvin Lasky war Herausgeber der Zeitschrift "Der Monat", die unter anderem vom CIA finanziert wurde.

Christof Mauch im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig | 27.10.2010
    1945, unmittelbar nach Kriegsende, kam er als US-Kulturoffizier und Kriegshistoriker nach Berlin, wo er sich nach der Entlassung aus der US Army als Korrespondent und Schriftsteller etablierte: Melvin Jonah Lasky. 1948 gründete er in Berlin die Zeitschrift "Der Monat", die er dann bis 1962 herausgab, und zeitlebens blieb er dem Syndrom des Kalten Krieges verpflichtet, in positiver Weise als Verteidiger der Freiheit des Individuums und negativ auch als Bezieher von Geldern des CIA. Mit dem Fall der Mauer entfiel auch die journalistische Existenzberechtigung dieses Yankee vom Dienst, wie man den einstigen Dauergast Lasky in Werner Höfers Frühschoppen nannte, und im Jahre 2004 ist Melvin J. Lasky in Berlin gestorben.
    Seit einem Jahr nun besteht inzwischen das Lasky Center for Transatlantic Studies in München. Zu dieser Stunde wird es offiziell eröffnet, mit einer Tagung und einer Ausstellung


    "Kultur heute", 27.10.2010, 17:35 Uhr


    Rainer Berthold Schossig:. Ich habe mit Christof Mauch gesprochen, er ist Historiker und Spezialist für amerikanische Geschichte und Leiter dieses Zentrums. Meine Frage an ihn: Herr Mauch, das Center bewahrt Laskys Nachlass auf, insbesondere seine Bibliothek. Inwiefern handelt es sich dabei um besondere, also nur dort zugängliche Informationen für die wissenschaftliche Öffentlichkeit?

    Christof Mauch: Sie können sich vorstellen, Lasky war als ein Herausgeber von wichtigen, wahrscheinlich den wichtigsten Intellektuellen-Zeitschriften, "Der Monat" und "Encounter" in der Nachkriegszeit, mit sehr, sehr vielen wichtigen Personen in Verbindung. Die haben ihre gewidmeten Exemplare an Lasky geschickt, er hat selber Randbemerkungen gemacht, er hat die Bücher selber gefüllt mit Archivalien, wenn Sie so wollen mit Rezensionen, mit Briefen und so weiter. Wenn Sie in diese Bibliothek treten, die jetzt im Amerika-Haus in München zu sehen ist, dann bekommen Sie vielleicht wie sonst nirgendwo auf der Welt den Eindruck von dem, wie der Kalte Krieg aussah in Buchform. Das sind die Bücher, die nach 1945 erschienen, von westlichen Intellektuellen geschrieben. Die Bibliothek ist etwas Besonderes, weil sie eine echte Forschungsbibliothek ist, weil die Bücher Markierungen enthalten, weil dort Rezensionen und so weiter aufbewahrt sind. Aber noch interessanter ist der Briefnachlass, die Tagebücher, die dort zu finden sind, seine Korrespondenz mit Leuten wie Thomas Mann, Heinrich Böll, Raymond Aron, George Orwell, Hilde Spiel, Hannah Arendt, die Intellektuellen, die Politiker Willy Brandt, Ernst Reuter, über tausend verschiedene Namen, wo Sie sagen würden, ja, den kenne ich.

    Schossig: Laskys inzwischen schon legendäre Zeitschrift "Der Monat" war ja wohl sicherlich ein Lektüreerlebnis für viele junge Leser der Nachkriegszeit. Sie haben das Stichwort Kalter Krieg angesprochen. Interessant wäre ja zu erfahren, welche Rolle dieser Mann für die Herausbildung einer neuen Öffentlichkeit, ja nicht zuletzt auch als Exponent der Re-Education gespielt hat.

    Mauch: Re-Education war zunächst mal die amerikanische Politik, die sich vielleicht genau an dem Punkt, wo Lasky auf die Idee kam, eine deutsche Intellektuellen-Zeitschrift zu gründen mit amerikanischem Geld, "Der Monat", umgewandelt hat, ausgeschlagen ist von einer punitiven Reeducation, also einer Strafpolitik der Amerikaner gegenüber Deutschen, in eine Art germanophilere Reorientierungspolitik. Und genau an diesem Scharnier hat Lasky eine Zeitschrift gegründet, die sich zum einen noch sehr deutlich gegen den Nationalsozialismus gerichtet hat, Lasky als Jude, der auch Roosevelt kritisiert hat dafür, dass er nichts gegen den Genozid, gegen den Holocaust unternommen hat, die sich zum anderen aber auch gegen Stalin gerichtet hat und damit so eine Mittelposition eingenommen hat, unter der sich sehr viele, vor allem linksintellektuelle Philosophen wie Bertrand Russell oder Leute wie Ignazio Silone, dass sich da eine Art Kultur, auch eine Art Ideologie formieren konnte in dieser Reorientierungsphase, die durchaus deutlich und immer deutlicher anti-stalinistisch und damit auch anti-kommunistisch, anti- sowjetunion war, die aber auch eine Art Entideologisierung bedeutet hat, also sozusagen ein Bollwerk sein sollte gegen die Sowjetunion und eine neue Kultur geprägt hat, eine westliche, genuin westliche Kultur, antifaschistisch, antitotalitär, aber auch antisowjetisch.

    Schossig: Dennoch stellt sich ja von heute aus, also nach den Enthüllungen über Laskys Geldgeber – das war hauptsächlich der CIA -, die Frage, inwiefern denn sein Wirken eher realpolitisch, also Machtinteressen im Kalten Krieg, als journalistischen oder gar kulturellen Erwägungen folgte.

    Mauch: Ich glaube, was Lasky selber betrifft, es hat ihn nicht gestört. Er hat nie dementiert, dass die Zeitschriften, die er herausgegeben hat, "Der Monat" und "Encounter" dann in London, auch mit CIA-Geldern finanziert waren. Das hat natürlich eine riesige Entrüstung ausgelöst. Diese Entrüstung kam zu einem Zeitpunkt, als die USA ihre Rolle als Weltpolizist verloren hatten. Ich glaube, man muss Lasky verstehen als jemand, der aus einer Zeit kommt, in der die Amerikaner eine Position vertreten, die durchaus zunächst mal gut ist, eine positive "role model"-Funktion haben, weil sie für freie Meinungsäußerung eintreten, und das kommt aus einer Zeit, in der er zwischen zwei Regimen nicht wählen kann, nämlich der Sowjetunion und Nazi-Deutschland, und deshalb den dritten Weg wählt, der bedeutet, dass man durchaus staatliche Gelder akzeptiert und den staatlichen Einfluss in diesem Fall der CIA oder irgendwelcher Regierungsstellen akzeptiert, aber auch Ford Foundation und andere private Stiftungen akzeptiert als Geldgeber. Die Realpolitik hat ihn weniger interessiert, als wir es vielleicht vermuten würden.

    Schossig: Zur Eröffnung des Zentrums präsentieren Sie eine Ausstellung mit einem schönen transatlantischen Titel: "Lasky in New York, Berlin, London". Was spiegelt die von dieser Dreiheit?

    Mauch: Die Ausstellung ist an den Lebensstationen von Lasky orientiert. Lasky ist in New York geboren, Sohn von jüdisch-polnischen Einwanderern. Er war ein New Yorker intellectual, ein Jude, der als Trotzkist begonnen hat, und die Ausstellung zeigt, wenn wir nach Berlin kommen, ganz stark die Vernetzung mit den Intellektuellen, mit denen er in Kontakt stand. Aber es gibt eine ganz faszinierende Fülle auch von Exponaten, von seiner Laika angefangen bis zu seiner Pfeife. Wir kennen ihn aus Werner Höfers Frühschoppen ja nicht ohne Pfeife, da war er ständiger Gast. Sie spiegelt und zeigt auch, dass er mit Leuten wie Marc Chagall in Verbindung war. Chagall widmet ihm ein Bild. Es zeigt, dass Lasky vom Amerikaner, vom Trotzkisten zum Europäer wird, der sich in Deutschland wahrscheinlich wohler fühlt als in Amerika und in London und Berlin in gleicher Weise zu Hause ist.

    Schossig: Das war der Münchener Historiker Christof Mauch zur heutigen Eröffnung des Lasky Center for Transatlantic Studies in München.