Archiv


Die rechtlichen und ethischen Aspekte des Klonens

    Engels: Der Bundestag in Berlin will heute erneut eine Enquete-Kommission zu 'Recht und Ethik in der modernen Medizin' einsetzen. Außerdem beschäftigt sich das Parlament mit einem Antrag, das Klonen von Menschen weltweit generell zu ächten. In dem hohen Hause wird eine seltene Einigkeit erwartet, denn SPD, Union und Grüne haben sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt. Darin soll sowohl das therapeutische wie auch das reproduktive Klonen von Menschen international untersagt werden. Über den Inhalt und den Wert eines solchen Antrages und dessen Folgen möchte ich mich nun mit Professor Jochen Taupitz unterhalten. Er ist Medizinrechtler an der Universität Mannheim und Mitglied des nationalen Ethikrates. Außerdem ist er in das Studio gekommen. Guten Morgen, Herr Professor Taupitz!

    Taupitz: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Das sind ja immer wieder die Begriffe: therapeutisches und reproduktives Klonen. Wo liegen die Unterschiede?

    Taupitz: Beim reproduktiven Klonen geht es darum, dass ein ganzer Mensch geschaffen werden soll, der in seinen Genen mit einem anderen Menschen identisch ist. Beim therapeutischen Klonen will man dagegen nur bestimmte Zellstrukturen, also einzelne Zellverbände, schaffen, die mit den Zellen eines anderen Menschen genetisch identisch sind. Man nennt dieses Verfahren das therapeutische Klonen, weil man in der Zukunft hofft, mit diesem Verfahren einem Menschen helfen zu können, der zum Beispiel an einer Hirnkrankheit leidet. Man will versuchen, Gen-identische Zellen in das Gehirn dieses Menschen zu implantieren. Weil es sich um Gen-identische Materialien, Körpersubstanzen handelt, versucht man, die Abstoßungsreaktionen, die ja heute noch ein großes Problem in der Transplantationsmedizin sind, zu umgehen.

    Engels: Der heute vorgestellte Antrag möchte aber beide Formen des Klonens generell verbieten. Was halten Sie davon?

    Taupitz: Er möchte das deshalb verbieten, weil die Ausgangslage zunächst einmal die gleiche ist. Man nimmt die Zelle eines Menschen und vervielfältigt sie. Der Ausgangspunkt ist insofern der gleiche, weil das Verfahren sowohl im Ergebnis zu einem ganzen Menschen führen kann, als auch eben abgebrochen werden kann. Da können nur bestimmte Zellstrukturen entstehen. Im Ergebnis schafft man aber zunächst mal einen Klon, also einen Embryo mit genetisch identischen Zellen. Das ist nach deutschem Gesetz verboten. Dabei ist es egal, mit welcher Zielrichtung man das macht und wie lange man diesen Klon sich weiter entwickeln lassen will. Deswegen wird das als anstößig angesehen. Ich halte allerdings eine Differenzierung zwischen beiden Formen des Klonens für angebracht.

    Engels: Halten Sie das für angebracht, weil man mit dem therapeutischen Klonen auch so große medizinische Hoffnungen verbindet?

    Taupitz: Nicht nur deswegen, sondern weil auch die Gefahren, die beim Klonen gesehen werden, aus meiner Sicht beim therapeutischen Klonen nicht gegeben sind. Ein ganz wichtiges Argument gegen das Klonen besteht ja darin, dass die so geschaffenen Menschen mit erheblichen Missbildungen rechnen müssen. Wir kennen das ja auch aus den Tierversuchen. Auch Dolly ist ja nun an seinen Defekten, die bei diesem Verfahren entstanden sind, gestorben beziehungsweise ist getötet worden, weil es krank war. Diese Gefahren sind vielleicht nicht so groß, wenn man nur einzelne Zellstrukturen schaffen will, also nur Gehirn- oder Herzzellen. Dann spielen Defekte, die in anderen Körperorganen auftreten können, natürlich keine Rolle. Das ist das erste Argument. Also beim therapeutischen Klonen sind die Krankheiten und Missbildungen hoffentlich nicht ein so großes Problem. Ganz wichtige Argumente gegen das Klonen beruhen ja auf das Wohl des so geschaffenen Klons. Man sagt, es sei unzumutbar, dass sich ein Mensch als fremdbestimmt empfinden muss, dass er im Schatten seines Vorgängers aufwachsen muss, dass er sich als manipuliert und gezielt instrumentalisiert geschaffen fühlen muss. Das ist natürlich bei solchen Zellstrukturen, die hier beim therapeutischen Klonen geschaffen werden sollen, auch nicht zu befürchten.

    Engels: Wenn dieser Antrag heute im Bundestag zum Gesetz wird, dann ist dieser Weg zum therapeutischen Klonen generell für die Bundesrepublik ausgeschlossen.

    Taupitz: Nach geltendem Recht ist das therapeutische Klonen schon verboten, denn das Embryonen-Schutzgesetz verbietet das Klonen ganz undifferenziert. Insofern wird dort nicht zwischen verschiedenen Zielen, zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen differenziert, die der Klon durchlaufen soll. Also nach geltendem Recht ist das schon verboten, so dass dieser heutige Bundestagsbeschluss auch eher darauf zielt, auf internationaler Ebene wieder mehr Drive in die Angelegenheit hineinzubekommen und insbesondere in der UNO dafür zu sorgen, dass hier eine weltweite Ächtung des Klonens herbeigeführt wird.

    Engels: Sie haben es angedeutet! Der Anlass für den jetzigen Antrag ist sehr konkret. Im November scheiterten die Vereinten Nationen mit dem Versuch, das Klonen weltweit verbieten zu lassen. Und um den Jahreswechsel herum erreichten uns ja unbewiesene Berichte über angeblich geborene geklonte Babys. Ist denn dieser Prozess des Klonens oder ist der internationale Versuch, den man jetzt unternimmt, überhaupt zu kontrollieren? Kann dieser Antrag dahingehend mehr sein als ein Appell?

    Taupitz: Also erstens kann man mit Gesetzen nie einen Missbrauch verhindern. Selbst wenn es noch so strikte Strafgesetze gibt, verhindert das nicht jeden Missbrauch. Das ist auf internationaler Ebene nicht anders als im nationalen Bereich. Trotz unserer scharfen Straßenverkehrsvorschriften gibt tagtäglich Übertretungen. Aber mit einer entsprechenden Resolution der UNO würde man natürlich eine weltweite Ächtung in der Form jedenfalls erreichen, dass es auf der Welt das Bewusstsein gibt, dass das Klonen von der Weltgemeinschaft missbilligt wird. Das Problem besteht nur darin, dass man in der UNO wohl zu viel versucht hat, nämlich sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen zu verbieten. Zum therapeutischen Klonen gibt es eine ganze Reihe von Ländern, die dezidiert sagen, dass sie dieses Verfahren nicht verboten wissen wollen, weil sie es eben in der Zukunft als eine medizinische Option ansehen. An diesem Dissens ist letztlich der Diskussionsprozess im Moment jedenfalls gescheitert. Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, wenn man sich von vorneherein stärker auf das reproduktive Klonen beschränkt hätte, dieses weltweit verboten hätte und dann in einem weiteren Diskussionsprozess überlegt hätte, ob man auch das therapeutische Klonen verbieten sollte. Deutschland hat sich übrigens zu Beginn auf ein Verbot des reproduktiven Klonens beschränkt. Aber insbesondere die USA wollten mehr, und an diesem Dissens ist dann letztlich, wie gesagt, der Entscheidungsprozess ins Stocken geraten.

    Engels: Sie haben es zu Beginn unseres Gespräches angesprochen. Sowohl beim therapeutischen als auch beim reproduktiven Klonen ist der Ausgangspunkt derselbe. Bringt das nicht auch zwangsläufig Probleme für ein mögliches Kontrollsystem, was ja bei einem internationalen System, zumindest der Ächtung des reproduktiven Klonens, sein müsste?

    Taupitz: Natürlich bringt das Probleme. Ich glaube aber, dass man diese Probleme sehr wohl beherrschen kann. Wenn man die Labors überhaupt kontrolliert, das ist natürlich der Ausgangspunkt, dann kann man sehr wohl kontrollieren, ob ein Embryo über das Sechszellenstadium oder Zehnzellenstadium oder über vierzehn Tage hinaus weiterentwickelt wird oder ob der Entwicklungsprozess abgebrochen wird und lediglich bestimmte Zellen das Ergebnis dieses Vorgangs sein sollen. Wenn es keine Kontrollen gibt, was wir im Irak ja im Moment sehen, dann kann man auch die Unterscheidung zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen nicht kontrollieren, zumindest in der Praxis nicht.

    Engels: Ein internationales Kontrollsystem wäre sicherlich wünschenswert. Sehen Sie denn auf der EU-Ebene Ansätze für ein solches Kontrollsystem?

    Taupitz: Ja, man könnte zum Beispiel die Verfahren des Klonens bestimmten Zentren vorbehalten, dass also nur bestimmte lizenzierte Zentren dieses Verfahren anwenden dürften. Damit kann man natürlich nicht verhindern, dass andere es außerhalb des Legalen auch tun. Dann hätte man aber wenigstens diese Zentren, die es offiziell machen dürfen, unter Kontrolle.

    Engels: Was erwarten Sie denn von der nun wieder eingesetzten Enquete-Kommission zur Ethik in der modernen Medizin? Kann man es damit schaffen, möglicherweise hier ein Kontrollinstrumentarium oder zumindest Kriterien dafür in das Leben zu rufen?

    Taupitz: Diese Enquete-Kommission soll ja das Parlament wieder beraten, so wie es in der vergangenen Legislaturperiode auch der Fall war. Ich halte das auch für sehr wichtig, weil es in der modernen Medizin sehr viele rechtliche und ethische Fragen gibt, die bisher ungelöst sind und die insbesondere in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs erörtert werden müssen. Das ist nicht nur Sache für Spezialisten, sondern das sollte auch in das Bewusstsein der Bevölkerung gelangen. Dafür ist die Enquete-Kommission, ebenso natürlich wie der nationale Ethikrat, für den ich ja an dieser Stelle selbstverständlich auch spreche, eine ganz wertvolle Hilfe. Die Enquete-Kommission muss sich in dieser Legislaturperiode beispielsweise mit Fragen, wie einem Fortpflanzungsmedizingesetz oder zu einem Gentestgesetz beschäftigen. Das sind brennende Fragen, die auch in der Bevölkerung diskutiert werden.

    Engels: Wird denn durch diesen Antrag, der heute eingebracht wird, in irgendeiner Form den ja vor einem Jahr getroffenen Kompromiss zum Import embryonaler Stammzellen betroffen oder sind ganz zwei verschiedene Dinge?

    Taupitz: Das kann natürlich dadurch betroffen sein. Die naturwissenschaftliche Entwicklung geht ja immer weiter. Es wird sich in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht aber auch erst Jahren herausstellen, ob dieses Stammzellgesetz wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Aber das hat nichts mit der Enquete-Kommission zu tun. Die Enquete-Kommission soll ja das Parlament beraten. Sie soll den Diskurs im Parlament strukturieren. Von daher wird die Enquete-Kommission selbstverständlich besonders aufmerksam auf Änderungen in der naturwissenschaftlichen Entwicklung achten, sie dann in das Bewusstsein des Parlamentes bringen, aufgreifen und Lösungsvorschläge erarbeiten. Die Zwänge kommen aber letztlich von außen, nicht nur aus dem Parlament heraus.

    Engels: Werden wir in der Zukunft noch viel mehr Gesetze haben, die diesen Forschungszweig rund um die Gentechnik, rund um das Klonen genauer regulieren werden?

    Taupitz: Ich bin etwas in Sorge, dass die Forschungsfreiheit zunehmend durch restriktive Gesetze eingeschränkt wird. Man muss sich vor Augen führen, dass die Forschungsfreiheit von unserer Verfassung als ein ganz hohes Gut geschützt ist, auch ohne dass der Gesetzgeber nach seinem Gutdünken eingreifen darf. Aber wo die Grenzen der Forschungsfreiheit liegen, das ist natürlich eine, von der Verfassung nicht vorentschiedene Frage. Hier ist der parlamentarische Gesetzgeber aufgerufen, Grenzen aufzuzeigen, die letztlich auf Verfassungswerte gestützt werden können. Also, die Gesetzesflut wird auch in diesem Bereich zunehmen. Ich bin etwas skeptisch, ob wir dem Einhalt gebieten können.

    Engels: Vielen Dank, Herr Professor Taupitz!

    Link: Interview als RealAudio