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"Die Reformen greifen"

Olaf Köller, Direktor des Instituts zur Qualitätssicherung im Bildungswesen in Berlin, wertet die jüngesten PISA-Ergebnisse als positives Beispiel dafür, dass die Reformen greifen. In Zukunft müsse es weiterhin Ländervergleiche geben. Auch die Lehrerausbildung müsse gefördert werden.

Olaf Köller im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 18.11.2008
    Ulrike Burgwinkel: Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der 15-jährigen Studienobjekte der PISA-Studien unterscheiden sich - individuell, soziokulturell und regional. Das wissen wir nun schon länger, aber jetzt haben wir mit der jüngsten Studie den statistischen Nachweis, dass Bewegung ins Spiel gekommen ist: Ein Trend zum Positiven zum Beispiel und ein Tabellenwechsel in der Spitze. Professor Olaf Köller ist Direktor des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Uni. Guten Tag nach Berlin!

    Prof. Olaf Köller: Ja, ich grüße Sie ganz herzlich!

    Burgwinkel: Herr Köller, wie bewerten Sie denn die jüngsten Ergebnisse von PISA-E?

    Köller: Also generell setzt sich das fort, was wir schon bei dem internationalen Vergleich letztes Jahr gesehen haben, dass nämlich die deutschen Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu 2006 in ihren Kompetenzen einen leichten Anstieg aufweisen. Und dieser Anstieg ist umso stärker in den neuen Bundesländern, muss man sagen.

    Burgwinkel: Und was würden Sie meinen, was lernen wir daraus?

    Köller: Wir lernen daraus, dass ein regelmäßiges Bildungs-Monitoring, also solche Schulleistungsvergleiche, in den Ländern dazu führen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um insgesamt das System zu verbessern. Und insbesondere in den neuen Bundesländern sehen wir natürlich einige Kontextfaktoren, aber auch Anstrengungen in den Ländern, die zu Verbesserungen geführt haben.

    Also sicherlich Kontextfaktoren, die vergleichsweise guten Verhältnisse Lehrer zu Schüler - also relativ viele Lehrer auf relativ wenig Schüler -, wenige Schüler mit Migrationshintergrund, weniger sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler damit auch, aber auch im Osten eine weitere Öffnung der Gymnasien und eine systematische Förderung der Schwächeren.

    Burgwinkel: Das liegt doch sicherlich auch daran, dass man Länder wie Bremen nicht vergleichen kann mit einem Land wie Baden-Württemberg oder eben auch Sachsen?

    Köller: Sicher. Aber Bremen ist für mich ein Beispiel dafür, dass man sehr schön sehen kann, dass Reformen greifen. Bremen, obwohl sie immer noch 16. sind, gehört Bremen zu den Ländern, die sehr viel gewonnen haben. Neben den fünf neuen Bundesländern hat Bremen seit 2000 den größten Kompetenzanstieg. Das heißt, auch dort sieht man sehr schön, dass die Maßnahmen, die vor Ort ergriffen wurden, insbesondere auch bei den leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern greifen.

    Burgwinkel: Das war jetzt aber, Herr Köller, die letzte PISA-E-Studie erst einmal. Was ist denn weiter geplant in Hinsicht auf eine Schulleistungsmessung, die vielleicht dann auch wieder gute Ergebnisse zeitigen könnte?

    Köller: Die Länder sind sich, glaube ich, alle einig, dass es weiterhin Ländervergleiche geben muss. So ganz einig ist man sich noch nicht, ob das in Form von PISA-E geschehen soll weiterhin oder ob man letztendlich als Referenzrahmen die Bildungsstandards verwendet, die 2003 und 2004 verabschiedet wurden. Ich denke, das wird in den nächsten Wochen geklärt.

    Das Plenum der KMK wird das Anfang Dezember klären, und dann wird man sehen, wie es weitergeht. Meine Vermutung im Moment ist, dass es zukünftig Ländervergleiche weiter geben wird auf der Basis der Bildungsstandards, aber wie gesagt, dieses ist nicht abschließend beschlossen von den Ländern, sondern das wird Anfang Dezember geklärt.

    Burgwinkel: Ihr Institut, Herr Köller, wird nicht zuletzt wegen des PISA-Schocks gegründet, damals 2003. Wie sehen Sie denn Ihre Möglichkeiten beziehungsweise die Möglichkeiten des Institutes, Veränderungen in der Bildungslandschaft zu bewirken?

    Köller: Wir haben natürlich die Perspektive langfristig, dass mit Ländervergleichen auf der Basis der Bildungsstandards auch die Länder wirklich vor Augen bekommen, wie hoch die Anteile der Schülerinnen und Schüler sind, die die Ziele des Systems nicht erreichen, um dann auch noch systematischer fördern zu können. Das ist das eine.

    Zum anderen bauen wir hier aber auch gerade den Bereich aus der sogenannten Vergleichsarbeiten, also dass flächendeckend in den Schulen Vergleichsarbeiten geschrieben werden - VERA nennt man das auch gern -, und dass die Ergebnisse aus diesen Arbeiten wirklich in den Einzelschulen auch genutzt werden können, um systematisch vor Ort zu fördern.

    Burgwinkel: Das heißt, es können durchaus Veränderungen entstehen, die über die bloße Diagnose von Leistungsmängeln hinausgehen?

    Köller: Ja, auch solche Vergleichsarbeiten haben explizit auch immer didaktische Kommentare zu den Aufgaben, es werden Materialien mitgeliefert, sodass die Schulen nicht nur eine Diagnose bekommen, sondern auch Hinweise zur Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler.

    Burgwinkel: Gibt es auch Hinweise zur Förderung der Lehrerinnen und Lehrer?

    Köller: Ich glaube, das ist eine große Baustelle, an der wir auch arbeiten, wo wir auch Ideen haben. Das betrifft sowohl die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung, aber auch die Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung. Da gibt es aber auch schöne Vorarbeiten. Ich denke da an das sogenannte SINUS-Programm, wo es genau darum ging, die Unterrichtsqualität zu steigern, Lehrerinnen und Lehrer dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten, zu kooperieren, über eigenes Handeln zu reflektieren, mit anspruchsvollerem Material auch in den Unterricht zu gehen, dass letztendlich Schülerinnen und Schüler besser lernen.

    Burgwinkel: Das wäre der wirkliche Sinn und Zweck einer ganzen Testreihe gewesen, wenn man es denn nun erreichen kann, nämlich wenn die Schulen das nicht leisten können, was sie leisten müssten, dann stehen die Hochschulen letztlich auch ohne jemanden da, den sie weiter qualifizieren können. Wir brauchen Akademiker.

    Köller: In der Tat, das ist keine Frage. Und hier ist auch, glaube ich, die größte Herausforderung für das System: die Professionalisierung derer letztendlich, die unsere Schülerinnen und Schüler zu hohen Kompetenzständen bringen müssen. Ob das gelingen wird, ist sicherlich auch eine Frage der Finanzen.

    Burgwinkel: An wen müssen wir das richten?

    Köller: Ich glaube, das wissen diejenigen, die das Geld eigentlich geben müssen.

    Burgwinkel: Das war Professor Olaf Köller, Direktor des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin.