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Die Regierungen wechseln, die Mafia bleibt

Das Bild der Mafia hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Während sich die Clans noch in den 90er Jahren blutige Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht lieferten, widmen sich 'Ndrangheta, Camorra, Cosa Nostra und Sacra Corona Unita heute lieber ihren Geschäften. Zusammengenommen sind die Mafien so zum größten Wirtschaftsunternehmen Italiens aufgestiegen.

Von Kirstin Hausen | 31.10.2007
    "Wenn die Mafia jemanden umbringen will, dann tut sie es. Hier regiert die Mafia, nicht der Staat. Alle haben Angst vor der Mafia, ich auch ein bisschen."

    Marco Carmine, Schüler in Neapel.

    "Die Mafia tötet nicht nur mit Blei. Man stirbt nicht nur im Kugelhagel der Killer, man stirbt auch durch die tägliche Gleichgültigkeit."

    Massimo Russo, Richter in Palermo.

    "Es ist einfach nicht richtig, dass eine Region wie Kalabrien dahinvegetiert als wäre sie Dritte Welt, bloß wegen dieser Kriminellen, die dumm sind, ungebildet und barbarisch."

    Sofia Radi, Studentin in Reggio Calabria.

    In Kalabrien die 'Ndrangheta, in Neapel die Camorra, in Sizilien Cosa Nostra und in Apulien die wenig bekannte Sacra Corona Unita: Italien hat viele Mafien. Zusammen erwirtschaften sie einen Gewinn, der bei fast zehn Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes liegt. Sie haben sich den Markt aufgeteilt. Die 'Ndrangheta kontrolliert den Kokainhandel in Europa, bezieht den Stoff exklusiv von Drogenkartellen in Südamerika. Die Mafia hat beste Kontakte in die USA, die Camorra bedient den Heimatmarkt. Außerdem kooperieren die italienischen Organisationen mit Schlepperbanden aus Afrika und Osteuropa, verdienen so kräftig mit an den weltweiten Flüchtlingsströmen. In Italien selbst erpressen sie Schutzgeld und betrügen den Staat bei öffentlichen Aufträgen und im Gesundheitswesen jährlich um Millionen. Teure Bauprojekte werden schlampig oder gar nicht ausgeführt und trotzdem bezahlt. Private Kliniken, die von Strohmännern der Mafiafamilien geführt werden, stellen völlig überhöhte Rechnungen aus. Und der öffentliche Gesundheitsdienst zahlt. Überall, wo Geld zu holen ist, ist die Mafia dabei. Sie ist unersättlich.

    Die Mafia denkt an nichts anderes als an sich selbst, wir dagegen denken nur manchmal an die Mafia, sagt Nando Dalla Chiesa, Sohn eines von der Mafia ermordeten Generals. Als Regierungspolitiker setzt er sich heute für schärfere Gesetze gegen die Organisierte Kriminalität ein und plädiert dafür, Mafiabesitz konsequent zu beschlagnahmen.

    "Ein Mafioso ohne Besitz ist ein Niemand. In dem Moment, in dem wir seinen Besitz beschlagnahmen, wird er zum armen Teufel. Genau das müssen wir anstreben."

    Solange die Bosse in protzigen Villen wohnen und das Leben der Einwohner konditionieren können als wären es ihre Untergebenen, hat der Staat einen schwachen Stand in den Camorra-Vierteln von Neapel, in Kalabrien und in Sizilien, wo die Machtbereiche der einzelnen Clans genau abgesteckt sind.

    Corleone im hügeligen Hinterland von Palermo. Hier herrscht der gefürchtete Clan der "Corleonesi", er gilt selbst innerhalb der Mafia als besonders brutal. Die beiden wichtigsten Bosse der vergangenen 30 Jahre - Toto Riina und Bernardo Provenzano - stammen aus diesem Ort in den Bergen. Bis zur Festnahme von Riina im Januar 1993 regierten sie von hier ihr gewaltiges Imperium: "Cosa Nostra”, unsere Sache. Ein weit verzweigtes, internationales Imperium, ein Global Player des Verbrechens.

    Corleone ist nach wie vor eine Mafiahochburg. Aber nicht nur. Es gibt hier auch "die Anderen". Die, die sich auflehnen gegen den Machtanspruch von Cosa Nostra. Einer von ihnen ist Salvatore, ein kräftiger junger Mann mit sonnenverbrannten Armen und schlurfendem Gang. Er inspiziert heute das Mandelbaumfeld am Ortsrand. Die Erde ist trocken, von Rissen durchzogen. Der Wind, der über das Feld streicht, immer noch sommerwarm.

    Der sonnenhungrige Mandelbaum wird viel angepflanzt in Sizilien. Aber diese Bäume hier in Corleone sind etwas Besonderes. Salvatores Chef, Calogero Parisi:

    "Bis vor kurzem gehörten diese Felder den Bossen hier aus der Gegend. Heute sind sie in den Händen von gemeinnützigen Kooperativen. Das bedeutet: sie schaffen Arbeitsplätze."

    Möglich wurde das durch ein Gesetz, das so alt ist wie der Kampf gegen die Mafia selbst. Angewandt wurde und wird es allerdings nur zögerlich. Es entzieht den Mafiosi ihr Eigentum. Können sie nicht dokumentieren, woher das Geld stammt, mit dem sie Land oder Immobilien kauften, beschlagnahmt der Staat die Güter. Zumindest steht es so im Gesetz. In der Praxis dauert es Jahre bis zweifelsfrei festgestellt ist, dass die Güter nicht legal erworben wurden.

    "Es vergehen leicht zehn Jahre zwischen der Beschlagnahme und der Übergabe an eine gemeinnützige Einrichtung. Wenn es sich dabei um einen Weinkeller handelt wie in einem unserer Fälle zwischen den Ortschaften San Giuseppe und Corleone bleibt in zehn Jahren nichts Gebrauchsfähiges mehr übrig. Und einen verlassenen Weinkeller wieder neu in Betrieb zu nehmen, kostet Geld, viel Geld."

    Deshalb warten viele beschlagnahmte Felder noch darauf, wieder bewirtschaftet zu werden. Villen von mutmaßlichen Mafiabossen verwahrlosen, Häuser und Wohnungen stehen leer. Manchmal findet sich aber auch schlicht niemand, der bereit ist, die beschlagnahmten Güter im Sinne des Gemeinwohls zu verwalten. Die Angst vor der Rache der Mafia ist groß.
    "Wenn man allein ist, dann geht man ein hohes Risiko ein. Aber hier haben wir zum Glück viele Menschen, die uns unterstützen. Es gibt verschiedene Vereine, die sich um konfiszierte Mafia-Gütern kümmern. Die stehen alle hinter uns. Das heißt, du bist nicht allein."

    In Sizilien kümmern sich mehr als 1000 lokale Vereine um beschlagnahmte Mafiagüter, in ganz Italien sind es fast 4000. Denn die Mafia existiert nicht nur in Sizilien oder Kalabrien, sondern auch im Norden. Hier kauft sie Häuser, hier investiert sie ihr schmutziges Geld. Und unterwandert ein funktionierendes Wirtschaftssystem. Die Mafia agiert in Norditalien weniger blutrünstig, aber genauso kriminell, sagt Pierluigi Stolfi, Staatsanwalt in Lodi, einer Kleinstadt bei Mailand.

    "Mafia-Interessen gibt es auch hier. Im öffentlichen Bauwesen, Straßenbau und so. Aber sie bleiben verdeckt. Wir haben zum Beispiel gegen einige dubiose Gesellschaften ermittelt, nicht direkt wegen Mafia-Delikten, aber wegen Sachen, die da mit dranhängen: Steuerdelikte, betrügerischer Bankrot, Bilanzfälschung."

    Im Gemeindesaal von Quarto d`Altino bei Padua im Nordosten Italiens geht es an einem diesigen Septemberabend genau darum. Der Unternehmer Maurizio Donadelli hat zu einer Podiumsdiskussion über die Mafia eingeladen.

    "Ich habe die Probleme, die das Phänomen Mafia im Süden mit sich bringt, selbst dort erlebt und mir ist aufgefallen, wie weit weg wir hier sind von dieser Welt, weiter jedenfalls als die 16 Stunden Zugfahrt, die uns trennen. Deshalb halte ich es für wichtig, mit Menschen, die dort gegen die Mafia kämpfen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Wir wollen begreiflich zu machen, dass sich die Mafia heute nicht mehr auf Sizilien beschränkt, sondern sich überall ausbreitet. Auch hier, wo die Wirtschaft noch sauber ist. Zum Beispiel gibt es hier Versuche, Geld zu waschen durch den Kauf von Unternehmen."

    Maurizio Donadelli hat einen prominenten Gast.

    Rita Borsellino, die jüngere Schwester des sizilianischen Richters Paolo Borsellino, der vor 15 Jahren von der Mafia ermordet wurde. Sie blickt freundlich in die Runde, wirkt unscheinbar, geradezu harmlos. Graues kurz geschnittenes Haar, kaum Schmuck, kein Make-up. In Wahrheit zählt diese Frau zu den engagiertesten und zähesten Mafiagegnern, die Italien heute hat.

    "Ich fühlte mich von Paolo beschützt, er war ein ganz wichtiger Bezugspunkt. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nach seinem Tod selbst aktiv wurde. Ich wollte verhindern, dass er vergessen wird. Nicht nur die Erinnerung an das, was er tat, wollte ich wach halten, sondern auch die Erinnerung an ihn als Menschen."

    Seit 15 Jahren geht Rita Borsellino in die Schulen, die Universitäten, die Rathäuser, die Polizeipräsidien und sogar in die Gefängnisse, um über die Mafia zu sprechen. Sie trifft Richter, Polizisten, Politiker und immer wieder Bürger wie hier in Quarto d`Altino.

    "Ich möchte mit einem besonderen Gedanken beginnen, einer Überlegung, sagen wir so. Die Mafia ist heute stärker und besser organisiert als die Mafia von Toto Riina, die Mafia der Mordanschläge in den 90er Jahren. Ich sage das oft und es mag seltsam erscheinen, dass ausgerechnet ich so eine Beobachtung anstelle, weil ich doch die Grausamkeit der Mafia damals persönlich erlebt habe mit dem Verlust der Person, an der ich am meisten hing. Aber es ist so: die Mafia von Toto Riina, die Mafia, die Giovanni Falcone und wenig später Paolo Borsellino ermordet, enthüllt mit diesen Morden ihre eigene Schwäche. Denn sie weiß sich nicht anders zu wehren."

    Zwei Stunden spricht Rita Borsellino über die Mafia, die Italien mit Gewalt beherrschen wollte und über die Mafia von heute, die sich geschickter anstellt. Statt den Staat offen herauszufordern, unterwandert sie ihn.

    "In einigen Fällen hat sie ihre eigenen Leute in die Institutionen geschleust anstatt Kontakt zu Politikern zu knüpfen Das geht jetzt, weil die Söhne der Mafiabosse heute Anwälte sind oder sonst einen angesehenen Beruf haben."

    Sagt der Regierungspolitiker Nando dalla Chiesa.

    "Sie sind vorzeigbar geworden, sprechen im Gegensatz zu den alten Bossen, die sich vor allem mit Bomben und Pistolen auskannten, korrekt Italienisch und können so besser für eine politische Partei kandidieren."

    Domenico Miceli, Dezernent in Palermo, Pino Fricano bis vor einem Jahr Bürgermeister im sizilianischen Bagheria, Antonio Borzacchelli, Carabiniere, Raffaele Bevilacqua, Rechtsanwalt, Giovanni Ienna, Hotelier - die Liste derjenigen, die in den vergangenen Jahren wegen Mafia-Mitgliedschaft oder Zusammenarbeit verurteilt wurden, ist lang.

    "Politik und Mafia wollen über ein und dasselbe Land herrschen. Das heißt, es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder bekriegen sie sich oder sie einigen sich."

    Das erkannte Paolo Borsellino schon vor 20 Jahren. Nach seinem Tod 1992 kam es zum bislang größten Krieg zwischen der Mafia und dem Staat. Die Mafiosi verübten Mordanschläge, die Politiker verabschiedeten schärfere Gesetze. Gesetze, die sich Nando Dalla Chiesa heute zurückwünscht.

    "In der Zeitspanne entwickelte der Staat plötzlich die Fähigkeit, hart und konsequent durchzugreifen: das Kronzeugen-Gesetz trat in Kraft, verurteilte Mafiosi kamen in Einzelhaft, untergetauchte Mafiabosse wurden geschnappt. Das war der Moment, in dem der Staat ernst machte mit dem Kampf gegen die Mafia. Angehalten hat das zwei, drei Jahre."

    Dann war es plötzlich vorbei. Die Mordanschläge hörten auf und viele der erfolgreichen Gesetze wurden ohne großes Aufheben zurückgenommen, aufgeweicht, geändert.

    "Wir haben das Gefühl, dass die Mafia damals in eine Partei investierte, die neu entstand: Forza Italia. Nicht nur, aber vor allem. Ihre Beziehungen zu den Mitte-Links-Parteien dürfen wir deshalb aber nicht unter den Tisch fallen lassen."

    "Forza Italia" wurde in nur drei Monaten von einem Herrn aus dem Boden gestampft, der wegen Verstrickung mit der Mafia zu neun Jahren Haft verurteilt wurde: Marcello dell`Utri. Laut Anklage war der Sizilianer Cosa Nostras Botschafter in Mailand und Rom. Er sollte Politiker und Unternehmer für die Zusammenarbeit mit der Mafia gewinnen. Tatsache ist, dass Marcello Dell`Utri engster Vertrauter des Bau- und Medienunternehmers Silvio Berlusconi wurde und ihn dazu drängte, in die Politik einzusteigen. Mafia-Kronzeugen haben ausgesagt, dass die Stimmen der Cosa Nostra bei den Wahlen 1994 an Berlusconis Partei "Forza Italia" gingen. Tatsache ist auch, dass die Regierung Berlusconi der Mafia verschiedene Geschenke machte. Das Kronzeugenschutzprogramm wurde heruntergefahren, die Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaften im Ausland erschwert und eine Möglichkeit geschaffen, Geld aus dem Ausland anonym und gegen eine geringe Steuer, nach Italien zurückzuführen. Die legale Geldwäsche sozusagen. Für Politiker wie Leoluca Orlando, der als Bürgermeister in Palermo die Mafia bekämpfte, war die Politik der Regierung Berlusconi ein Schlag ins Gesicht. Er erklärte damals:

    "Manche Leute sagen, die Mafia existiert nicht. Falsch: Die Mafia hat entschieden, nicht mehr zu töten. Die Mafia entscheidet, in Ruhe zu leben. Weil die Mafia hat die Hoffnung, mit diese Regierung Geschäfte zu machen ohne Notwendigkeit die Leute zu töten. Heute haben wir eine neue Atmosphäre, für diese Regierung Legalität ist nicht mehr so wichtig wie in der Vergangenheit."

    Inzwischen ist die Regierung Berlusconi Vergangenheit. Romano Prodi regiert mit einem weit gefassten Mitte-Rechts-Bündnis und nur einer hauchdünnen Mehrheit in Parlament und Senat das Land. Die umstrittenen Gesetze, zum Beispiel die Kronzeugenregelung, wurden aber nicht revidiert.

    "Warum ein Kronzeuge nicht erwünscht ist, ist schnell gesagt: Er enthüllt Verbindungen in die Politik und das kann unangenehm werden für das Politische System. Sobald einer über seine Beziehungen zu Politikern spricht, ist er automatisch nicht mehr glaubwürdig."

    Nando Dalla Chiesas Vater wurde von der Mafia ermordet, weil er als Polizeipräsident von Palermo kompromisslos gegen die Organisierte Kriminalität vorging. Sein Sohn sitzt heute im Parlament neben Politikern, die im Verdacht stehen, im Dienste Cosa Nostras zu agieren. Gegen mehrere Abgeordnete wird ermittelt, zehn Parlamentarier und Senatoren sind rechtsgültig verurteilt. Nicht wegen Mafiamitgliedschaft, aber wegen Korruption, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung oder Falschaussage.

    "Mir bereitet das großes Unbehagen. Mich quält die Frage, wie es möglich sein kann, dass ein Staat so einfach kapituliert vor der Mafia. Ich glaube, ein seriöser Staat muss den Kampf gegen Mafia, N`drangheta und Camorra als oberste Priorität betrachten. Und zwar egal, welche Mehrheit gerade regiert. Aber leider zaudern beide politischen Lager und wenn dann mal wieder ein Mord für Aufsehen sorgt, reden alle von neuen Gesetzen, mehr Kasernen, noch mehr Polizei und besseren Richtern, aber das alles ist ein alter Film, den wir hier schon seit Jahrzehnten sehen."

    Als am 15. August in Duisburg ein Killerkommando der 'Ndrangheta sechs Männer per Genickschuss exekutierte, war ganz Italien im Urlaub.
    Als am 30. August die italienische Polizei in Kalabrien mehr als 40 mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder festnahm, brachten die Zeitungen die Fotos von dem Einsatz am nächsten Tag auf der ersten Seite. Am Tag darauf regte sich die Öffentlichkeit bereits wieder über anderes auf: über die illegalen Camps von Roma und Sinti, über die Bettler in den U-Bahnen und die, die an den Ampeln ungefragt die Autoscheiben putzen. Italiens Großstädte Rom, Mailand, Turin, Florenz haben mit dem Innenministerium einen "Pakt für mehr Sicherheit" geschlossen. Dabei geht es um die Kleinkriminalität, sie soll effizienter bekämpft werden.

    "In den vergangenen zwei Monaten wurde mehr über die Autoscheibenputzer gesprochen als über die 'Ndrangheta. Und wenn Duisburg nicht gewesen wäre, wäre die 'Ndrangheta gar nicht erwähnt worden. Das ist kein gutes Zeichen. Es fehlt an einer Vision und an Bewusstheit."

    Der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität steht auch für das Regierungsbündnis um Romano Prodi nicht an erster Stelle. Zwar gibt es Initiativen, wie die eines Hilfsprogramms des Innenministeriums für Unternehmer, die ihre Schutzgelderpresser anzeigen oder die moralischen Richtlinien zur Auswahl von Kandidaten innerhalb der Parteien, an der die parlamentarische Anti-Mafia-Kommission arbeitet oder der Aufbau einer landesweiten Agentur, die alle beschlagnahmten Mafiagüter verwaltet, aber es fehlen Vorschläge neuer Strafgesetze mit Aussicht auf Erfolg im Parlament. Das im europäischen Vergleich nur mäßige Wirtschaftswachstum, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Rentenreform – darum geht es in der politischen und öffentlichen Diskussion. Alles Themen, die für die Zukunft des Landes wichtig sind. Der finanzielle Schaden, der Italien durch die Organisierte Kriminalität entsteht, wird dabei ausgeblendet. Er ist enorm. Durch Korruption, Schutzgelderpressung und Betrug im Gesundheitswesen, im Bausektor, in der Müllabfuhr und Müllverwertung erleichtern die italienischen Mafien den Staat um Milliardenbeträge. Laut Oberstaatsanwalt Piero Luigi Vigna machen Cosa Nostra, 'Ndrangheta, Camorra und die Sacra Corona Unita aus Apulien gemeinsam einen Jahresumsatz von 100 Milliarden Euro. Sie sind damit Italiens größtes Wirtschaftsunternehmen.