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Die Rolle der Sportverbände in der Politik

Sportverbände sind Interessenverbände. Sie vertreten die Anliegen ihrer Mitglieder – auch gegenüber der Politik. Im Gegensatz zu Gewerkschaften, Unternehmerverbänden und Umweltorganisationen agieren die Lobbyisten des Sports aber leiser. Aus dem Wahlkampf halten sie sich fast gänzlich heraus. Mit einer gewichtigen Ausnahme.

Von Christian Bartlau | 08.09.2013
    Kurz vor der Bundestagswahl gleicht sich das Bild in den Hauptstraßen der deutschen Städte: ein Wahlplakat reiht sich ans andere. Auf den meisten stehen austauschbare Slogans, "Gemeinsam erfolgreich!", "Ihr Mann für Berlin". Roland Rehmet war das zu beliebig. Er kandidiert für die FDP in Hamburg auf dem aussichtslosen Listenplatz neun. Also dachte er sich einen schmissigen Spruch aus und entwarf ein Plakat, das ihn schlagartig bekannter machte: "Schießsport ist Freiheit", steht dort geschrieben, daneben sieht man Roland Rehmet mit einem Gehörschutz auf dem Kopf.

    "Es gibt Bürger, die selber Schießsport betreiben, und da ist natürlich das Feedback durchweg positiv."

    Rehmet ist selbst Schütze, seit 2006 ist er aktiv, seit diesem Jahr sitzt er der Altonaer Schützengilde vor. Er kennt und teilt die Anliegen seiner Vereinskollegen. Hinter Rehmets Plakat steckt aber nicht nur persönliches Interesse, sondern auch das Kalkül eines Wahlkämpfers:

    "Ich habe persönlich Zusagen bekommen von Nichtwählern, die mir jetzt gesagt haben: Jetzt endlich, wo jemand mal das Thema so deutlich macht, wähle ich dich oder ich wähle die FDP oder geh überhaupt zur Wahl."

    In Deutschland gibt es rund 2 Millionen Sportschützen. Sie bilden ein großes Wählerpotenzial, das bislang noch nicht ausgeschöpft wurde – auch nicht von der FDP, sagt Roland Rehmet.

    "Ich glaube, dass meine Partei es mit ihrer Vorgehensweise nicht schaffen kann, das Wählerpotenzial zu heben. Es kommt tatsächlich darauf an, dass man sich klar zu einem Thema bekennt und positioniert."

    Dabei bezieht seine Partei klar Stellung. Im Wahlprogramm heißt es: "Wir lehnen eine Verschärfung des geltenden Waffenrechts ab." Eine Botschaft, die durchaus ankommt, glaubt Jürgen Kohlheim. Er ist Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes DSB.

    "Also ich denke schon, dass unsere Mitglieder sich sehr aufmerksam anschauen, wie die politischen Auffassungen der einzelnen Politiker und auch der einzelnen Parteien sind, das erleben wir immer an den Meldungen über den Mail-Verkehr, wo dieses oder jenes, was ein Politiker gesagt hat, kritisch oder zustimmend aufgenommen wird."

    Der FDP-Mann Rehmet bleibt allerdings ein Sonderfall, die meisten Bundestagskandidaten äußern sich nicht explizit zu einem Sonderthema wie Waffenrecht. Um seinen Mitgliedern einen Überblick zu verschaffen, welche Partei für oder gegen eine Verschärfung des Waffenrechts einsteht, erarbeitete der Deutsche Schützenbund Wahlprüfsteine. Alle im Bundestag vertretenen Parteien bekamen einen Fragenkatalog. Eine der Fragen lautet: "Hält Ihre Partei die Erhebung von Gebühren für Kontrollen der Waffen-Aufbewahrung für erforderlich?". Für die Gebühren spricht sich keine Partei aus.

    Mit den Wahlprüfsteinen will der Schützenbund seinen Mitgliedern aber nicht etwa eine Entscheidung abnehmen, betont Vizepräsident Kohlheim:

    "Das, was wir machen, ist objektiv sachlich zu informieren, dann mag sich jeder Schütze selber seine Meinung bilden. Er wird anschließend schon wissen, wo er sein Kreuzchen macht oder besser nicht macht."
    Was nach dem Wahlkampf von den Versprechen der Politik übrig bleibt, ist allerdings eine andere Frage. Deswegen bleibt der Schützenbund ständig im Gespräch mit der Politik, um auf die Sorgen seiner Mitglieder hinzuweisen. Sie fühlen sich von der Öffentlichkeit unverstanden, durch Kontrollen gegängelt, und fürchten ein Verbot des privaten Waffenbesitzes.

    "Wir nutzen jede Gelegenheit, in der unsere Führungskräfte mit Politikern zusammen sind, hier auf diese uns bedrückenden Probleme hinzuweisen, in der Hoffnung: Steter Tropfen höhlt den Stein."

    Ganz andere Möglichkeiten der Einflussnahme als Jürgen Kohlheim und der Deutsche Schützenbund haben die großen Dachverbände – der Deutsche Olympische Sportbund etwa, und der Deutsche Fußball-Bund. Sie teilen sich ein Büro in Berlin, in der Behrenstraße 24, nur zehn Minuten zu Fuß entfernt vom Brandenburger Tor – und vom Reichstag. In der Behrenstraße 24 sitzt das Hauptstadtbüro des deutschen Sports – sozusagen die Lobby-Abteilung der deutschen Sportverbände.

    "Das ist eine beständige Aufgabe, informiert zu sein, was wird hier in den politischen Gremien des Bundes beraten, welche Themen sind sportrelevant, und wie bringen wir unsere Meinung dann dazu ein?",

    sagt Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes. Der Dachverband über mehr als 90.000 Sportvereine hat seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main. Um die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Bundesregierung, den Ministerien und dem Parlament zu vertreten, gibt es auch das Büro in Berlin. Das hat ganz praktische Gründe, erklärt Michael Vesper:

    "Wenn ich hier von unserem Hauptstadtbüro in der Behrenstraße zum Reichstag rübergehe, dann treffe ich in der Regel drei bis sieben Abgeordnete oder Gesprächspartner, mit denen ich sonst aus Frankfurt kompliziert Termine machen müsste."

    Mit im Hauptstadtbüro sitzen auch der Deutsche Behindertensportverband, die Deutsche Sportjugend, die deutsche Sportmarketing – und der Deutsche Fußball-Bund, sowie die Deutsche Fußball-Liga DFL. Für den DOSB sitzen allein vier Mitarbeiter im Hauptstadtbüro:

    "Wir sind hier nicht üppig aufgestellt, aber wir glauben, dass wir gut aufgestellt sind","

    sagt Michael Vesper. Sein DOSB entschloss sich vor der Bundestagswahl, den Parteien auf den Zahn zu fühlen. Beim sogenannten Wahlhearing wurden Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien auf einem gemeinsamen Podium zu ihren Positionen zum Sport befragt. An der Besetzung kann man ablesen, welchen Stellenwert die Parteien dem Sport beimessen: Die Linkspartei schickte ihren Spitzenmann, Gregor Gysi. Die Grünen vertrat Spitzenkandidat Jürgen Trittin, für die FDP saß Rainer Brüderle auf dem Podium. Die SPD vertrat Thomas Oppermann, die CDU Volker Kauder.

    Ob die Parteien an diesem Abend aber Stimmen gewonnen haben, da ist sich Michael Vesper nicht sicher. Aber:

    ""Ich sag's mal umgekehrt: Ich denke, dass man da auch Stimmen verlieren kann in dem Bereich."