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Die Rolle von Neurotransmittern im Körper

Julius Axelrods Fachgebiet waren die Prozesse, wie Informationen im Nervensystem verarbeitet werden und welche Funktion Enzyme dabei haben. 1970 wurde er für seine Arbeit mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Am 30. Mai 1912 wurde er geboren.

Von Anke Wilde | 30.05.2012
    Julius Axelrod: "Erfolgreiche Wissenschaftler werden normalerweise jung entdeckt. Sie bekommen Stipendien. Und sie beginnen früh, wissenschaftliche Arbeiten zu veröffentlichen. Nichts davon ist mir passiert.”"

    Eine Laufbahn als Biochemiker war dem am 30. Mai 1912 geborenen Julius Axelrod keineswegs vorgezeichnet. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus Galizien. Der Vater arbeitete als Korbmacher und die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen in der New Yorker Lower East Side.

    Und doch: 1970 erhielt Axelrod zusammen mit dem schwedischen Physiologen Ulf von Euler und dem britischen Biophysiker Bernard Katz den Nobelpreis für Medizin. Die drei Preisträger hatten herausgefunden, dass Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin im Nervensystem als sogenannte Neurotransmitter Informationen übertragen. Axelrod hatte dabei entdeckt, dass manche dieser Botenstoffe, nachdem sie einmal vom Organismus ausgeschüttet wurden, in den Nervenzellen gespeichert und erneut ausgeschüttet werden können. Wiederum andere Neurotransmitter werden in neue Botenstoffe mit anderen körperlichen Auswirkungen umgewandelt.

    Diese Erkenntnisse waren grundlegend für die Entwicklung von Antidepressiva. Die nämlich bewirken, dass bestimmte Neurotransmitter nicht in den Zellen gespeichert werden, sondern stattdessen weiter aktiv den Informationsfluss im Nervensystem anregen.

    Doch der Weg in die Forschung erwies sich als steinig. Nach dem Abschluss als Bachelor in Biologie 1933 konnte Axelrod kein Medizinstudium aufnehmen – seine Noten waren nur mittelmäßig, außerdem gab es an vielen Hochschulen eine Quote für jüdische Bewerber. Zugleich war die Weltwirtschaftskrise längst noch nicht ausgestanden.

    ""Das waren hoffnungslose Zeiten. Es gab kaum Aussichten, einen Abschluss zu machen oder einen Job zu finden. Ich hörte von einer Stelle als Laborassistent. Ich ging zum Vorstellungsgespräch und man sagte mir, dass ich eine Bezahlung von 25 Dollar pro Monat erhalten würde."

    In seinem nächsten Job bestimmte er für die New Yorker Gesundheitsbehörde den Vitamingehalt von Nahrungsmitteln und absolvierte nebenher ein Abendstudium. Vom Kriegsdienst blieb er verschont, weil er bei einer Laborexplosion sein linkes Auge verloren hatte.

    Erst 1946 kam für ihn der große Umbruch. Wegen einer Untersuchung zu den Nebenwirkungen von Schmerzmitteln nahm er Kontakt mit Bernard Brodie auf, einem renommierten Pharmakologen.

    "Ich weiß noch das Datum, es war Lincolns Geburtstag, der 12. Februar 1946. Es war ein schicksalhafter Tag für mich. Und als ich Brodie traf, war ich fasziniert von ihm."

    Gemeinsam forschten sie an Enzymen, mit deren Hilfe der Körper Medikamente verarbeitet. Sie erkannten, dass beim Abbau von Schmerzmitteln Paracetamol entsteht, und wiesen nach, dass der schmerzstillende Effekt allein auf dessen Wirkung beruht. So verhalfen sie dem relativ nebenwirkungsarmen Medikament zu seiner heutigen Bedeutung.

    "Es gibt Tausende chemischer Verbindungen, die im Körper umgesetzt werden. Es muss also Enzyme geben, die das tun können. Wie kann der Körper wissen, wie er all diese synthetischen Verbindungen umwandeln kann – das war eine Frage, die viele, viele Pharmakologen beschäftigte, mich selbst eingeschlossen.”"

    1955, nach seiner Promotion, ging Axelrod ans "National Institute of Mental Health" und leitete fast 30 Jahre lang sein eigenes Labor. Angeregt durch Ulf von Eulers Veröffentlichungen über Neurotransmitter, stürzte er sich selbst in die Erforschung dieser Prozesse. Ihn interessierte, welche Rolle Enzyme dabei spielen.

    ""Ich habe versucht, Mainstream-Themen zu vermeiden und mir Forschungsgebiete herauszusuchen, die nicht schon von vornherein hart umkämpft waren. Die Neurotransmitter waren damals erst am Aufkommen. Wir waren nur sehr wenige, die sich damit beschäftigt haben."

    Später befasste Axelrod sich mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus und wie dieser mit Neurotransmittern von der Zirbeldrüse aus gesteuert wird – jenem Bereich des Gehirns also, in dem René Descartes einst die menschliche Seele vermutet hatte.

    Mit 92 Jahren starb Axelrod am 29. Dezember 2004 an einer Herzattacke.