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Die Rückkehr der Inflation

Nicht nur Benzin und Heizöl sind teurer geworden, auch für Lebensmittel müssen die Menschen tiefer in die Tasche greifen. Die Inflation ist zu einem weltweiten Phänomen geworden, das die Welt auseinander treibt und zu weitreichenden Schlussfolgerungen führt. Der Konflikt zwischen Teller und Tank, zwischen Arm und Reich bei der Verteilung der Grundnahrungsmittel, muss gelöst werden.

Von Brigitte Scholtes und Michael Braun | 23.04.2008
    In diesen Tagen an einer Autobahntankstelle vor Frankfurt am Main. Super und Benzin kosten 1,499 Euro. Die meisten stöhnen unter den seit Monaten hohen Benzinpreisen:

    "So teuer wie nie zuvor!"
    "Wie reagieren Sie darauf?"
    "Weniger Gas geben!"
    "Ja, das empfinde ich auch so, vor allem weil ich jeden Tag nach Wiesbaden fahren muss."

    "Müssen Sie sich irgendwo einschränken? Planen Sie ein billigeres Auto zu kaufen oder so?"
    "Ich hab mich schon mal nach einer Bahn-Card erkundigt, die ist für Studenten ermäßigt, und ich werde jetzt wohl ein, zwei Wochen pro Monat mit der Bahn fahren, weil es billiger ist."

    "Es ist wirklich teuer momentan. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich einen Firmenwagen fahre und dementsprechend der Arbeitgeber das übernimmt. Von daher kann ich dann relativ gelassen darauf zurückblicken."

    "Ja definitiv ist es viel zu teuer, ich werde mir überlegen, Hybridauto zu fahren oder auf Gasantrieb umzustellen."
    "Verzichten aufs Autofahren geht nicht?"
    "Leider nicht. Berufstätig, ich muss pendeln, ich bin drauf angewiesen. Bahn ist mir zu unzuverlässig, und ich brauche definitiv mein Fahrzeug."

    Nicht nur Benzin wird immer teurer. Der Preis für Heizöl hat im März um 40 Prozent zugelegt. Die Bildungsausgaben schossen um 34 Prozent nach oben - eine Folge der Studiengebühren, die einige Bundesländer eingeführt haben. Noch stärker spürbar dürfte sein, dass die Menschen für den täglichen Bedarf an Lebensmitteln tiefer in die Tasche greifen müssen: Quark plus 46 Prozent, Mehl plus 34 Prozent, Milch plus 31 Prozent, Nudeln plus 26 Prozent. Insgesamt errechnete das Statistische Bundesamt für März eine Inflationsrate von 3,1 Prozent.

    Zuletzt waren solche Inflationsraten im Sommer 2001 gesehen worden. Danach sanken sie deutlich auf 1,0 Prozent im Jahr 2004. Die geringe Konsumneigung ließ damals keinen Platz für Preiserhöhungen. Die Großhandelspreise sanken, die für Öl auch, die Baukonjunktur schwächte sich ab. Im Rückblick, so Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der BHF Bank, seien vor allem zwei Gründe für die hohe Preisstabilität zwischen 2002 und 2007 verantwortlich gewesen:

    "Der eine Grund ist natürlich die Globalisierung, die Öffnung der Arbeitsmärkte hin nach Asien, was einen enormen Druck auf die Löhne insgesamt und die Herstellungskosten ausgelöst hat. Der zweite Grund ist, denke ich, dass in dieser Zeit auch große Marktliberalisierungen stattgefunden haben – denken Sie an die Telekommunikation -, wo halt die Preise auch massiv unter Druck gekommen sind im Zuge dieser Liberalisierung. Und ich denke, beides zusammen hat dann zu dem sehr langen, sehr niedrigen Preisniveau geführt."

    Die Globalisierung hält an, die Liberalisierung vieler großer Wirtschaftsbereiche auch, bei der Bahn oder der Post etwa. Und doch ist die Inflation zurück. Bei eben 3,1 Prozent lag die deutsche Inflationsrate im März. Sie hat sich also in den letzten gut drei Jahren verdreifacht. Auch Ende 2007 waren es mehr als drei Prozent. In Euroland kletterten die Verbraucherpreise im März binnen eines Jahres gar um 3,6 Prozent. In den Vereinigten Staaten stiegen sie um mehr als vier Prozent - Zeichen dafür, dass Inflation kein deutsches, sondern ein Thema in allen Ländern ist, nicht nur in den Industriestaaten.

    Zwei weltweit wirkende Preistreiber gibt es: Öl und Lebensmittel. Beides wird teurer, weil die Nachfrage steigt. Auch wenn in Deutschland der Primärenergieverbrauch im vorigen Jahr um rund fünf Prozent gesunken ist – weltweit steigt er. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur ist der Ölverbrauch zwischen 1990 und 2005 von 3,1 auf 3,8 Billionen Tonnen geklettert. Für 2015 wird mit 4,6 Billionen Tonnen gerechnet. Und selbst wenn neue Ölquellen erschlossen werden – billiger, so Dora Borbely von der Deka Bank, wird es nicht:

    "Zum einen sehen wir, dass ein sehr langer Investitionszyklus vorliegt am Ölmarkt: Das heißt, wenn ich anfange zu investieren, dann dauert es ungefähr sieben bis acht Jahre, bis ich tatsächlich mehr Öl produzieren kann. Zum anderen: Das Öl, die Ölquellen, die man jetzt erschließt - zum Beispiel denke man an die kanadischen Ölsandfelder - da sind die Produktionskosten deutlich höher. Das heißt, selbst wenn ich dann in ein paar Jahren soweit wäre, mehr zu produzieren, selbst dann dürfte sich der Ölpreis nicht sehr stark zurückbilden, denn die Kosten sind einfach stark gestiegen für die Produktion."

    Zweiter großer Preistreiber sind die Lebensmittel. Die Großhandelspreise für Getreide, Saaten und Futtermittel etwa lagen im März 52 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Auch Milch und Nahrungsfette, die zumindest zum großen Teil am Preis für Futtergetreide hängen, waren im Großhandel um 23,5 Prozent teurer. Dass Getreide so knapp geworden ist, liegt an der steigenden Nachfrage, unter anderem als Folge besserer Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern, sagt David Milleker, Chefvolkswirt von Union-Invest:

    "In den Entwicklungs- und Schwellenländern entstehen jetzt zunehmend Mittelschichten. Diese Mittelschichten ändern ihre Essensgewohnheiten dahingehend, dass sie halt mehr Fleisch zu sich nehmen. Das ist eine proteinhaltigere Nahrung. Diese proteinhaltigere Nahrung bedeutet aber ungefähr, dass wir das Sechs- bis Zehnfache an Rohstoff-Input in die Produktion dieser Fleisch-Lebensmittel stecken müssen, wie für normales Getreide. Das heißt im Endeffekt: Durch die bessere Ernähung in diesen Ländern steigen dann halt eben auch überproportional stark die Nachfrage nach Basisnahrungsmitteln für Tiere."

    Außerdem sorge die wachsende Produktion von Bioethanol für mehr Nachfrage nach Getreide, treibe so die Preise auch für Nahrungsmittel. All das nutzten natürlich die Saatguthersteller, die sich ihre Gencodes für ertragreiches und widerstandsfähiges Getreide patentieren lassen und ihre Margen ausweiten. Überdies trägt die seit August vorigen Jahres offen zu Tage getretene Finanzmarktkrise zu den Preisschüben bei: Weil sich mit Finanzprodukten nicht mehr spekulieren lässt, haben die Anleger die Rohstoffe entdeckt, auch Öl und Getreide. BHF-Volkswirt Uwe Angenendt:

    "Ich denke, das ist auch noch zusätzlich gefüttert durch die Finanzmarktkrise, weil man sich zunehmend von finanziellen Zahlungsversprechen verabschiedet und in Sachwerte, und sprich damit in Rohstoffe geht, weil diese Risiken dann auch nicht korreliert sind zu den anderen Finanzmarktsegmenten."

    Über Öl und Getreide ist Inflation ein weltweites Phänomen geworden - und ein Problem, das die Welt auseinander treibt. Der Präsident des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, sagte, die steigenden Lebensmittelpreise führten in einer Anzahl Länder, namentlich in Afrika, "zu wirtschaftlichen Turbulenzen" und "zu beträchtlichem individuellen Leid". Der weltweite Anstieg der Lebensmittelpreise sei ein ebenso großes Problem für die Weltwirtschaft wie die globale Finanzkrise.

    Weil der Preisindex für Nahrungsmittel weltweit im März um 57 Prozent, bei Reis allein in den vergangenen zwei Monaten um 75 Prozent und bei Weizen im vergangenen Jahr um 120 Prozent gestiegen ist, hat das deutsche Entwicklungshilfeministerium empfohlen, Getreide und Ölfrüchte einstweilen nicht mehr für Biotreibstoffe zu verwenden. Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul:

    "Für die Agrartreibstoffe, die sich beziehen auf die Nutzung von Getreide und von Lebensmitteln, ist dringlich ein Moratorium notwendig als eine der Schlussfolgerungen."

    Die Inflation als weltweites Phänomen führt also zu weitreichenden Schlussfolgerungen und Handlungsabsichten. Umso verständlicher, dass Politiker und Experten die Frage umtreibt: Ist die Rückkehr der Inflation ein dauerhaftes Phänomen? Denn Inflation, das gehört zu den Grundregeln der Volkswirtschaft, ist schädlich. Warum, das erläutert Hans Jäckel, Leiter Volkswirtschaft der DZ Bank:

    "Ein stabiles Geld, mit dem man kalkulieren kann und wo die Inflationsrate sich in einem engen Rahmen um Null hält, ist eine Rahmenbedingung für die Wirtschaft im Ganzen, auch für die gesellschaftliche Stabilität. Ich glaube, nur weil der Ölpreis jetzt mal gestiegen ist, in den letzten zwei Jahren, sollte man diese wirklich jahrhunderte lang gesicherte Ansicht nicht aufgeben."

    Stabiles Geld – das hat auch oberste Priorität für die Europäische Zentralbank. Deshalb verweist der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, auch gern auf die Verantwortung seiner Bank. 320 Millionen Mitbürger hätten mit ihrem Vertrauen in die Geldpolitik diese Verantwortung aufgebaut, und die EZB werde sie auch wie bisher selbstverständlich wahrnehmen:

    "We have a very important level of confidence which is put on us by 320 million fellow-citizens. And we will continue to be up to our responsibility as we were in the past, of course."

    Kurzfristig aber, darin sind sich die Experten einig, müssen wir uns mit einer höheren Inflationsrate abfinden. So meint Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:

    "Es ist wohl so, dass man mit Geldpolitik und dass man mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen an dieser Inflation, die durch internationale Ereignisse geprägt ist, die unglücklicherweise nicht schnell vorübergehen, nichts ändern kann. Da kann man höchstens das Thermometer kaputt machen, aber die Inflationsmessung wird wohl noch eine Weile hoch bleiben."

    Weitgehend machtlos stehen also die Notenbanken der Welt derzeit diesem Phänomen gegenüber. Und doch hat die höhere Preissteigerung natürlich Auswirkungen auf die reale Wirtschaft. Vor allem fürchten die Ökonomen die so genannte Lohn-Preis-Spirale: Steigen die Preise, dann fordern die Arbeitnehmer entsprechenden Lohnausgleich, das wiederum versuchen die Unternehmen durch Preissteigerungen an ihre Kunden zu überwälzen und so weiter. Noch sei es zwar nicht so weit, diagnostizierten in der vergangenen Woche die sieben führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands in ihrem Frühjahrsgutachten. Doch warnte Kai Carstensen, Konjunkturexperte des Münchner ifo-Instituts:

    "Das Problem geht dann los, wenn die Lohnforderungen auf den aktuell sehr hohen Inflationsraten aufsetzen. Und sich sozusagen nicht an den mittelfristigen Inflationstrend halten, den wir deutlich niedriger sehen. Aber in dem Moment, in dem drei Prozent - vielleicht sogar 3,1 Prozent, was wir im März hatten - wenn das Basis für Lohnverhandlungen wird, und darüber hinausgehend noch Produktivitätsgewinne in die Löhne eingefahren werden sollen, dann hätten wir genau die Lohn-Preisspirale, auf die dann auch die Europäische Zentralbank dann sicherlich sehr schnell reagieren würde."

    Deshalb mahnt die EZB immer wieder die Wirtschaftsakteure zur Besonnenheit. Denn ihr oberstes Ziel der Preisstabilität kann sie derzeit nicht erreichen: Preisstabilität, das ist für die Währungshüter eine Preissteigerung von knapp zwei Prozent – also weit unter den aktuellen Inflationsraten von 3,1 Prozent für Deutschland und gar 3,6 Prozent für Euroland.

    Sie kann dieses Ziel nicht erreichen, weil sie die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise beachten muss. Die wirkt nämlich dämpfend auf die Weltkonjunktur. Die Zinsen erhöhen kann sie deshalb nicht. Das wäre unter normalen Umständen im Verständnis der Europäischen Zentralbank die logische Folge von Preissteigerungen. Für die amerikanische Notenbank hingegen hat die Belebung der Konjunktur Priorität. Daran sollte sich die EZB jedoch kein Beispiel nehmen, rät Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:

    "Wenngleich das, was da passiert, jetzt nicht durch Geldpolitik ausgelöste Inflation ist, sollte nach meiner Einschätzung, um Missverständnisse zu vermeiden, die Europäische Zentralbank jetzt nicht deshalb, weil die Amerikanische Zentralbank Zinsen senkt, hinterher galoppieren. Ich glaube, es ist angemessen, dass die Europäische Zentralbank für die nächste Zeit stur an ihrem Kurs - die Zinsen unverändert zu lassen - festhält und deutlich macht, dass sie sich dafür verantwortlich fühlt, dass das, was jetzt unvermeidlich ist, nicht auf Dauer bei uns einreißt. Eine solche Entwicklung von Zweitrundeneffekten, die gilt es jetzt einzufangen."

    Die aber deuten sich schon an, hat Hans Jäckel von der DZ-Bank beobachtet:

    "Das ist die Kehrseite einer guten Konjunktur: Wenn die Unternehmen sich in einer guten Wirtschaftslage sehen, dann sehen sie auch Preiserhöhungsspielräume, und wir sehen das durchaus in der Breite der Wirtschaft. Also, es sind nicht nur Lebensmittelpreise und Energiepreise, die steigen, sondern auch zum Beispiel Dienstleister oder die Bauindustrie sehen Preiserhöhungsspielräume. Es handelt sich schon um eine Aufwärtsbewegung der Preise in der Breite."

    Doch allzu groß dürften diese Spielräume auch nicht sein. Denn die Inflation hat einen wesentlichen Effekt, warnt Klaus Schrüfer, Chefvolkswirt der SEB:

    "Für den Verbraucher heißt es in erster Linie, dass er von den stärker steigenden Nominaleinkommen real relativ wenig behält. Und das hat zur Konsequenz, dass vom privaten Konsum zunächst weniger Impulse für die deutsche Konjunktur kommen, als zu Jahresbeginn noch zu erwarten war."

    Eine Abschwächung der Konjunktur erwartet mittelfristig auch die Europäische Zentralbank: Dann sinken die Preise tendenziell, auch die für Rohstoffe. Das dauert zwar noch eine Weile, es bleibt also nicht nur bei einem kleinen Inflationsbuckel, so wie ihn EZB-Präsident Trichet noch im November vorausgesagt hatte. Er rechnet aber mittelfristig mit einer Rückkehr zur Preisstabilität:

    "Wir glauben, dass wir für Preisstabilität nach unserer Definition in etwa 18 Monaten wieder sorgen können. In dieser zeitlichen Perspektive muss man die etwas ausgedehnte Zeitspanne sehr hoher Inflation sehen. Wir bleiben wachsam, weil alle sich auf unsere Glaubwürdigkeit verlassen und auf die feste Verankerung der Inflationserwartungen. Die Preissetzer heute berücksichtigen natürlich die Preissteigerungsrate, die es auf mittlere Sicht geben wird, wenn dieser ausgedehnte Inflationsbuckel dann verschwunden sein wird."

    Inzwischen diskutiert man in Ökonomenkreisen auch gelegentlich über die Kriterien der Inflationsmessung. So habe etwa die EZB ihren Maßstab von Preisstabilität festgelegt, als Öl nur einen Bruchteil des heutigen Preises gekostet habe. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte deshalb die Beschränkung auf eine Kerninflationsrate sein, lautet ein Vorschlag. Dann flössen die Energie- und Lebensmittelpreise nicht in die Berechnung der Inflationsrate ein. Doch davon hält Volkswirt Jäckel wenig:

    "Es ist im Grunde doch beliebig, ob man jetzt Öl herausnimmt, oder Nahrungsmittel herausnimmt, oder was man sonst noch herausnimmt, man verstrickt sich da nur in Definitionsstreitigkeiten, und der Maßstab der Geldwertstabilität verliert seine Bedeutung und seine Glaubwürdigkeit. Da halt ich gar nichts davon."

    Solche akademischen Diskussionen helfen vor allem dem Verbraucher nicht weiter. Der empfindet nämlich die aktuelle Preissteigerung stärker, als es die Statistiker dies messen können.

    Hinzu kommt: Die Preissteigerungen für die Güter des täglichen Bedarfs treffen vor allem die Menschen, deren Einkommen nicht so hoch sind, sagt Professor Helmut Siekmann, geschäftsführender Direktor des neu gegründeten Instituts für Währungs- und Finanzstabilität an der Universität Frankfurt:

    "Rentner, Stipendiaten und vor allem die Bezieher staatlicher Transferzahlungen, auch sie gehören wohl zu den Verlierern in der Inflation. Lohn- und Gehaltsempfänger sind regelmäßig verhältnismäßig gut über Tarifverträge abgesichert."

    Denn sie profitieren weniger davon, dass etwa die Preise für elektronische Produkte tendenziell seit Jahren sinken. Die Statistiker berechnen die Preise für einen Durchschnittshaushalt, nur entsprechen die wenigsten Konsumenten genau diesem Durchschnitt.

    Es erscheint jedoch leichtfertig, wenn in einigen Boulevardblättern jetzt in großen Lettern die Angst geschürt wird vor den Gefahren der Inflation: Ist mein Geld, ist meine Rente noch sicher, wird da provokativ gefragt. Panikmache aber ist fehl am Platz, meinen Ökonomen: Denn die Inflation werde mittelfristig wieder auf ein normales Maß zurückkommen. Uwe Aengenendt, Chefvolkswirt der BHF-Bank:

    "Letztlich kommt es darauf an, dass diese Preise, die wir jetzt bei Rohstoffen sehen, sich nicht in Zweitrundeneffekten niederschlagen, sprich: eine Lohnpreisspirale auslösen. Und die Gefahr sehe ich angesichts der Probleme, die wir jetzt in der Weltkonjunktur haben, auch mit der Finanzkrise, an und für sich nicht."

    Aber auch wir Verbraucher in den reichen Industrieländern können mit dazu beitragen, dass die Preise vor allem für Nahrungsmittel nicht weiter so stark steigen wie bisher. Dazu wäre es nur nötig, seine eigenen Ernährungsgewohnheiten zu überdenken, meint Rupert Neudeck, Sprecher der Organisation Grünhelme:

    "Wir müssen in unserem exorbitanten Angebot, das wir da so bekommen auf den Tisch, täglich und wöchentlich, versuchen, mit daran zu denken, dass das Recht auf Nahrung auch an unserem Verhalten hängt."

    Wenn die Menschen in den westlichen Industrieländern jetzt etwa weniger Fleisch essen, wäre die Umstellung der Essgewohnheiten in den aufstrebenden Ländern Chinas und Indiens leichter zu verkraften. Denn dass die mit zunehmender Bedeutung in der Weltwirtschaft auch entsprechende Rechte für sich einfordern, zeigt sich schon in der Realität. Die jüngsten Proteste in den Entwicklungsländern gegen steigende Nahrungsmittelpreise haben in den reichen Staaten einen Prozess in Gang gesetzt: Es hat ein Umdenken begonnen, ob denn alternative Energien tatsächlich aus Getreide hergestellt werden müssen. Das sei eine ethische Frage, meint etwa Klaus Martini, Chefanlagestratege der Deutschen Bank:

    "Warum soll ich denn den ganzen Weizen, den ganzen Mais, die ganzen Sojabohnen zu Biodiesel umbauen, wenn irgendwo Menschen Hunger leiden. Die Frage – Teller oder Tank? – das wird noch eine spannende Geschichte sein."

    Inzwischen deutet sich eine leichte Entspannung an: Milch ist in den letzten Tagen wieder etwas billiger geworden. Die Weizen-Preise lagen an den Terminmärkten um ein Fünftel unter den Notierungen im März. Die Anleger scheinen Sorge zu haben, dass die Hausse kippen könnte und ziehen sich vorsichtig zurück.

    Dennoch: So billig wie vor zwei Jahren werden Rohstoffe wohl kaum mehr werden. Der Konflikt zwischen Teller und Tank, zwischen Arm und Reich bei der Verteilung der Grundnahrungsmittel, muss gelöst werden. Geschieht das nicht, dann werden politische Instabilitäten in den Entwicklungsländern die Folge sein. Eine Inflation der Nahrungsmittelpreise ist für die Menschen dort lebensbedrohlich. Allein deshalb müssen die reichen Industriestaaten sich bemühen, dem Einhalt zu gebieten.