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Die Rückkehr der Wasserräder

Vor dem Aufstieg der Windkraft war Wasser die größte Quelle von Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland. Rund vier Prozent unseres Stroms kommt aus Wasserkraft, in von der Natur in dieser Hinsicht begünstigten Ländern wie Österreich und Norwegen sind es weit mehr als die Hälfte der Stromerzeugung. Heutige Wasserkraftwerke arbeiten meist mit Turbinen und großen Stauseen, also durchaus nicht in jeder Hinsicht umweltverträglich. Früher erzeugte man Energie aus Wasser mit Hilfe von Wasserrädern. Diese Technik hat durchaus ihren Platz in einer umweltverträglichen Energieversorgung der Zukunft, meinen Berliner Wissenschaftler.

Von Stefan Nickels | 22.03.2006
    Es ist laut in der Wasserbauhalle der technischen Universität Berlin: Dröhnende Pumpen pressen 12 Liter Wasser pro Sekunde durch den Strömungskanal. Wasserbauingenieur Reinhard Marth testet das Plexiglasmodell eines speziellen Wasserrades:

    " Es gibt dort sonst keine neueren wissenschaftlichen Untersuchungen darüber, es gibt Entwurfskriterien aus dem Jahre 1899, wo festgelegt wurde, wie so ein Rad auszusehen hat, welche Schaufeleinteilung dort drin sein sollte und das ist im Prinzip keine Grundlage für eine seriöse Planung, und deswegen haben wir dort auch den Bedarf gesehen, dort ein bisschen nachzuarbeiten."

    Wasserräder waren einst gängige Energiequellen in Europa. Doch heute wird Strom aus Wasserkraft meist mit Turbinen erzeugt, die große Staumauern benötigen. Etwa vier Prozent des deutschen Energiebedarfs werden so gedeckt. Die Wasserkraft gilt hierzulande als ausgereizt, denn neue Staumauern bedeuten große Investitionen und Eingriffe in die Flusslandschaft. Die Technik der Wasserräder geriet dabei in Vergessenheit. Zu Unrecht, denn viele alte Wassermühlenstandorte könnten wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. Der Pinneberger Ingenieur Hartmuth Drews beschäftigt sich seit fünf Jahren mit Wasserrädern:

    " Das Wasserrad war zu seiner Blütezeit 1840 ein High-Tech-Produkt seiner Zeit, das war dann nicht mehr das alte Holzrad, das waren auch schon Metallräder, Schmiedeeisen mit genieteten Verbindungsstücken, die nicht nur im ländlichen Bereich, sondern auch in industriellen Fabriken als Antriebsaggregat genutzt wurden, das heißt, es gibt ein Wissen unserer Altvorderen darüber, wie Wasserräder optimal funktionieren, das heißt, das muss weder ich noch jemand anders neu erfinden, man muss es nur, oder man kann es, so wie ich es gemacht habe, auf unsere heutigen Materialien und Fertigungstechniken übertragen."

    Der Pinneberger Ingenieur entwickelte ein Wasserrad, das im Baukastensystem am Computer entworfen wird. Industrieroboter produzieren dann die einzelnen Teile. Zusammengesetzt wird das Rad erst an Ort und Stelle. So können Transportkosten gespart werden. Für sein patentiertes Segmentkranz-Wasserrad bekam Hartmuth Drews im vergangenen Jahr den Innovationspreis des Wissenschaftsmagazins PM. Bisher dreht sich allerdings erst ein Prototyp seines Systems:

    " Man muss leider sagen, die Kleinwasserkraft wird zur Zeit als nicht effizient bewertet, in Deutschland, in anderen Industrieländern auch, es liegt zum einen daran, dass man eben bei Kleinwasserkraft immer nur an Turbinen denkt, und dort eben die genannten Nachteile hat, sprich: wenig ökologisch verträglich und hohe Investitionskosten."

    Wasserräder hingegen kommen ohne große Eingriffe in den Flusslauf aus. Im Gegensatz zu Turbinen gelten sie als fischfreundlich. Zwar werden Wasserräder insgesamt keinen großen Beitrag zur Stromversorgung leisten können, doch für einzelne Anwender kann es sich durchaus lohnen. So lieferte das Karlsruher Unternehmen Hydrowatt kürzlich ein Wasserrad nach Großbritannien. Ein Reiseveranstalter stellte die Energieversorgung seines Bürogebäudes auf Wasserkraft um. Und eine Schule in München möchte die Ergebnisse der Berliner Wissenschaftler nutzen, um ein Wasserrad zu installieren. Denn das Team um Reinhard Marth hat aus der alten Technik noch einen etwas höheren Wirkungsgrad herauskitzeln können:

    " Bei unseren Versuchen hier mit den Stromrädern können wir sagen, wir sind fünf Prozent höher als man sich theoretisch ausrechnen würde."