"Nach langem Schattendasein spielt das Schöne wieder eine zentrale Rolle im künstlerischen Schaffen der Gegenwart." Was zunächst klingt wie ein Stoßseufzer der Erleichterung aus der gutbürgerlichen Kunstpresse, täuscht. Hier geht es nicht darum, all das "hässliche Zeugs", das in der Gegenwartskunst den Geschmack aller "wahren Kunstliebhaber" schon immer beleidigt hat, endlich aus dem Blick zu schaffen. Nein, vielmehr hat hier der in Hongkong lehrende Komparatist Ackbar Abbas dem Projekt "Über Schönheit" im Haus der Kulturen sein Thesengerüst geschmiedet.
Das Schöne hat Abbas zufolge eben nicht mit der als hässlich verfemten Moderne seinen Rang in der Kunst eingebüßt, sondern bereits in klassischer Zeit, als Kants Ästhetik im Erhabenen das schlechthin Undarstellbare erkannte, das immer entweder zu groß oder zu klein sei, als dass es in künstlerischen Bildern gleichsam eingefangen werden könne. Daraus wiederum, so Ackbar Abbas, sei die Sehnsucht nach einer Kunst erwachsen, die in Richtung auf dieses Unerreichbare ihre Grenzen sprengt: Das Schöne ist nun einmal weit mehr als nur das visuell Reizvolle. Jede andere Auffassung von Kunst, ergänzte Adorno, führt unausweichlich in den Kitsch.
Eben daraus erklärt sich für Abbas, weshalb die modernen Avantgarden der Künste sich so weit vom puren visuellen Genuß des Schönen entfernt haben und weshalb andererseits eine Massenkultur entstanden ist, die das Bedürfnis eben danach, nach diesem visuell, Schönen, Erotischen, Adretten so gut es geht befriedigt. Die "Rückkehr des Schönen", die Abbas heute konstatiert, ist deshalb aber auch mitnichten gemeint als unverhoffte Rehabilitierung der röhrenden Hirsche, sondern als ein Phänomen der Spektakelgesellschaft, des technologischen Zeitalters, der Werbung, der Inszenierung von Terror und Katastrophen.
Das ganze Unterfangen dieses Ausstellungs,- Tanz- und Konferenzprojektes ist nicht neu, aber es gewinnt seinen Reiz hier aus der Gegenüberstellung zeitgenössischer westlicher Schönheitsvorstellungen mit denen anderer, vor allem asiatischer Kulturen. Der Kurator der Bilderschau ist der chinesische Kunsthistoriker Wu Hung, der in den 90ern für seine theoretische Verbindung chinesischer Kunst für die westliche Moderne bekannt wurde.
In Berlin setzt er auch auf das Befremden des Besuchers vor dem vermeintlich Vertrauten. David Medallas "Bubble Machine" aus den sechziger Jahren, gleich am Eingang, produziert lange zähe Schaumwürste, die sich aus mit Wasser gefüllten Plexiglasröhren wälzen und merkwürdige Assoziationen von retortenhaften Wucherungen hervorrufen. In Sichtweite dazu die Serie der "Vier Schönheiten" der Pekinger Künstlerin Liu Zheng, die auf vier altarartig aufgestellten, großen Digitalfotografien besteht. Die nackten Körper von Frauen verschiedenen Alters werden darauf von männlichen Dämonen der chinesischen Mythologie und Geschichte heimgesucht und mißhandelt oder zumindest in Besitz genommen.
Der malträtierte Frauenkörper spielt nicht nur in den ostasiatischen Traditionen eine Hauptrolle. Kurator Wu Hung schlägt mit Cindy Shermans drastischen fotografischen Zerlegungen von Frauenkörpern eine direkte Brücke in den Westen, zu Frauenkörpern, die eben gerade den hiesigen Schönheitsfantasien entsprechen, von der Heiligen Hure bis zur Gummipuppe. Spätestens hier ist klar, dass Schönheit eine Form von Fundamentalismus gebiert, der ohne weiteres auch in Terror übergeht. Sei es der alltägliche Wahn, sich selbst schön zu präsentieren, sei es die paralysierende Inszenierung von Schönheitswelten in der Stadt, in flirrenden Fußgängerzonen, die gerade in asiatischen Metropolen wie Shanghai einen außerweltlichen Charakter annehmen. Und dann gibt es da das ganz konkrete Trauma, wie in der eindrucksvollen Installation von Zhuang Hui aus Peking. Sie erzählt vom Fall eines schönen chinesischen Mädchens aus der chinesischen Provinz, die vor einigen Jahren von einem Mann, als sie seine Annäherungsversuche zurückwies, verschleppt wurde. Dann würgte er sie, bis sie ohnmächtig wurde, und als sie wieder erwachte und die Augen öffnen wollte, spürte sie nur einen dumpfen Schmerz und bemerkte, dass alles um sie dunkel blieb. Dann stellte sie fest, dass man ihr beide Augen herausoperiert hatte. Der Täter muß ein Fachmann gewesen sein, der vielleicht vom Verkauf begehrter Organe lebt. Für ein paar intakter Augen werden auf dem Schwarzmarkt des Organhandels bis zu 50.000 Dollar geboten.
Doch auch der schlichte Barbarismus dieser Tat folgt dem kulturellen Schema der brutalen Verstümmelung des weiblichen Körpers, ähnlich wie schon in Shakespeares "Titus" exerziert: Gibst du mir nicht Deine Schönheit, nehme ich dir die Schönheit des Anblicks der Welt. Zhuang Hui hat um diese Geschichte herum die Installation eines wahrhaft traurigen Gartens aus Plastikbambuspflanzen gestellt, dem nunmehr dürftige Symbol ewiger Jugend und Erneuerung in Ostasien. Die Geschichte der Schönheit, hier kehrt sie wieder in der Gestalt ihrer Opfer.
Das Schöne hat Abbas zufolge eben nicht mit der als hässlich verfemten Moderne seinen Rang in der Kunst eingebüßt, sondern bereits in klassischer Zeit, als Kants Ästhetik im Erhabenen das schlechthin Undarstellbare erkannte, das immer entweder zu groß oder zu klein sei, als dass es in künstlerischen Bildern gleichsam eingefangen werden könne. Daraus wiederum, so Ackbar Abbas, sei die Sehnsucht nach einer Kunst erwachsen, die in Richtung auf dieses Unerreichbare ihre Grenzen sprengt: Das Schöne ist nun einmal weit mehr als nur das visuell Reizvolle. Jede andere Auffassung von Kunst, ergänzte Adorno, führt unausweichlich in den Kitsch.
Eben daraus erklärt sich für Abbas, weshalb die modernen Avantgarden der Künste sich so weit vom puren visuellen Genuß des Schönen entfernt haben und weshalb andererseits eine Massenkultur entstanden ist, die das Bedürfnis eben danach, nach diesem visuell, Schönen, Erotischen, Adretten so gut es geht befriedigt. Die "Rückkehr des Schönen", die Abbas heute konstatiert, ist deshalb aber auch mitnichten gemeint als unverhoffte Rehabilitierung der röhrenden Hirsche, sondern als ein Phänomen der Spektakelgesellschaft, des technologischen Zeitalters, der Werbung, der Inszenierung von Terror und Katastrophen.
Das ganze Unterfangen dieses Ausstellungs,- Tanz- und Konferenzprojektes ist nicht neu, aber es gewinnt seinen Reiz hier aus der Gegenüberstellung zeitgenössischer westlicher Schönheitsvorstellungen mit denen anderer, vor allem asiatischer Kulturen. Der Kurator der Bilderschau ist der chinesische Kunsthistoriker Wu Hung, der in den 90ern für seine theoretische Verbindung chinesischer Kunst für die westliche Moderne bekannt wurde.
In Berlin setzt er auch auf das Befremden des Besuchers vor dem vermeintlich Vertrauten. David Medallas "Bubble Machine" aus den sechziger Jahren, gleich am Eingang, produziert lange zähe Schaumwürste, die sich aus mit Wasser gefüllten Plexiglasröhren wälzen und merkwürdige Assoziationen von retortenhaften Wucherungen hervorrufen. In Sichtweite dazu die Serie der "Vier Schönheiten" der Pekinger Künstlerin Liu Zheng, die auf vier altarartig aufgestellten, großen Digitalfotografien besteht. Die nackten Körper von Frauen verschiedenen Alters werden darauf von männlichen Dämonen der chinesischen Mythologie und Geschichte heimgesucht und mißhandelt oder zumindest in Besitz genommen.
Der malträtierte Frauenkörper spielt nicht nur in den ostasiatischen Traditionen eine Hauptrolle. Kurator Wu Hung schlägt mit Cindy Shermans drastischen fotografischen Zerlegungen von Frauenkörpern eine direkte Brücke in den Westen, zu Frauenkörpern, die eben gerade den hiesigen Schönheitsfantasien entsprechen, von der Heiligen Hure bis zur Gummipuppe. Spätestens hier ist klar, dass Schönheit eine Form von Fundamentalismus gebiert, der ohne weiteres auch in Terror übergeht. Sei es der alltägliche Wahn, sich selbst schön zu präsentieren, sei es die paralysierende Inszenierung von Schönheitswelten in der Stadt, in flirrenden Fußgängerzonen, die gerade in asiatischen Metropolen wie Shanghai einen außerweltlichen Charakter annehmen. Und dann gibt es da das ganz konkrete Trauma, wie in der eindrucksvollen Installation von Zhuang Hui aus Peking. Sie erzählt vom Fall eines schönen chinesischen Mädchens aus der chinesischen Provinz, die vor einigen Jahren von einem Mann, als sie seine Annäherungsversuche zurückwies, verschleppt wurde. Dann würgte er sie, bis sie ohnmächtig wurde, und als sie wieder erwachte und die Augen öffnen wollte, spürte sie nur einen dumpfen Schmerz und bemerkte, dass alles um sie dunkel blieb. Dann stellte sie fest, dass man ihr beide Augen herausoperiert hatte. Der Täter muß ein Fachmann gewesen sein, der vielleicht vom Verkauf begehrter Organe lebt. Für ein paar intakter Augen werden auf dem Schwarzmarkt des Organhandels bis zu 50.000 Dollar geboten.
Doch auch der schlichte Barbarismus dieser Tat folgt dem kulturellen Schema der brutalen Verstümmelung des weiblichen Körpers, ähnlich wie schon in Shakespeares "Titus" exerziert: Gibst du mir nicht Deine Schönheit, nehme ich dir die Schönheit des Anblicks der Welt. Zhuang Hui hat um diese Geschichte herum die Installation eines wahrhaft traurigen Gartens aus Plastikbambuspflanzen gestellt, dem nunmehr dürftige Symbol ewiger Jugend und Erneuerung in Ostasien. Die Geschichte der Schönheit, hier kehrt sie wieder in der Gestalt ihrer Opfer.