Freitag, 19. April 2024

Archiv


Die Saar-SPD zaudert

So recht entscheiden will sich bei der Saar-SPD zurzeit niemand. Die Stimmung in der Partei ist wechselhaft. Doch ob Neuwahlen oder nicht - zurzeit sieht es im Saarland nach großer Koalition aus.

Von Tonia Koch | 12.01.2012
    Die große Schiefertafel im Gasthaus zur Linde in Mainzweiler verkündet Verführerisches. Austern, das Stück zu 2 Euro. Neben der Portion Rucolasalat mit Hähnchenbrust ist es die Tagesempfehlung und das mitten unter der Woche. Die etwa 60 Genossen aber, die sich in der Linde eingefunden haben, würdigen die Empfehlung keines Blickes. Hinter verschlossenen Türen und bei Sprudel suchen die SPD-Kommunalpolitiker aus dem Kreis Neunkirchen gemeinsam mit ihrem Landesvorsitzenden Heiko Maas nach dem rechten Weg.

    "Mein Herz schlägt eher für Neuwahlen, das wäre die sauberste Lösung. Dann soll der Souverän entscheiden, das Volk, was es möchte. Es muss doch die schmutzige Wäsche gewaschen werden. Der Bürger ist mündig, der soll entscheiden; zumal die da oben diskreditiert sind bis zum geht nicht mehr."

    Eine Minderheitsmeinung vertreten Edeltraud Baltes und Josef Martin nicht. Im Landkreis Neunkirchen, wo lange Jahre das industrielle Herz des Landes schlug, sind linke Traditionen zu Hause. Hier stellt die SPD die Landrätin und die Bürgermeister. Der neu entbrannten Liebe zur CDU, die in einer großen Koalition besiegelt werden soll, begegnet die Parteibasis mit einer gehörigen Portion Skepsis.

    "Och, von Liebe würde ich da doch nicht reden. Es ist ein Zweckbündnis, das gibt es öfter in der Politik."

    Nach den Landtagswahlen 2009 gab es eine Person, die einem solchen Zweckbündnis, einer großen Koalition im Wege stand. Es war Peter Müller, der CDU-Ministerpräsident. Die CDU hatte 13 Prozentpunkte an Wählerzustimmung eingebüßt und für Müller, der heute Dienst am Bundesverfassungsgericht tut, stand wohl schon zum damaligen Zeitpunkt fest, dass er nicht bis zum Ende der Legislatur im Amt bleiben würde. Aber den Weg für eine große Koalition unter neuer Führung wollte er seinerzeit trotzdem nicht freimachen. Und Heiko Maas, der Kandidat der SPD, konnte oder wollte seinerzeit nicht über seinen Schatten springen. Rolf Altpeter.

    "Wir haben immer gesagt, auch Heiko Maas hat immer gesagt, eine große Koalition unter Peter Müller gibt es nicht. Der Peter Müller ist jetzt nicht mehr da."

    Der Müller ist nicht mehr da. Annegret Kramp-Karrenbauer ist inzwischen Ministerpräsidentin und CDU-Vorsitzende, das eröffnet zumindest eine personelle Perspektive, um mit der CDU in Verhandlungen einzutreten. Die sollte es auch geben, auch diese Position vertreten die Genossen in Neunkirchen. Annelie Scherschel Freudenberger.

    "Ich denke, das ist das, was der Bürger von uns verlangt, dass wir in ernsthafte Gespräche eintreten. Ich meine, wir sind ein überschuldetes Land und da mal eben so locker Neuwahlen anzuzetteln, die ja auch einiges kosten werden, das halte ich für unverantwortlich."

    Das Besondere an der aktuellen Gefühlslage der Genossen ist, dass sich beide Positionen nicht unversöhnlich gegenüberstehen. Zumindest noch nicht. Im Moment sind sie Ausdruck einer ernsthaften inneren Zerrissenheit, wobei das Pendel mal nach der einen und mal nach der anderen Seite ausschlagen kann. Willi Kreuter:

    "Es ist tatsächlich ein interessantes Hin und Her. Ich bin mit mir auch noch nicht eins. Bei mir leben zwei Seelen in der Brust."

    Aber in ein paar Tagen wird die Partei Farbe bekennen müssen, ob sie dem Ruf der CDU nach Zusammenarbeit folgt oder auf die im Grunde logistische aller Varianten setzt, auf Neuwahlen. Denn nach einer solchen Entscheidung wird es nicht nur strahlende Sieger, sondern auch gefühlte Verlierer in den Reihen der Partei geben. Heiko Maas, der Landesvorsitzende, favorisiert ganz klar eine große Koalition und das ohne Neuwahlen. Damit wird er wieder einmal seinem in der Partei und auch in der Öffentlichkeit bekannten Bild vom Zögerer und Zauderer gerecht. Statt den Posten des Ministerpräsidenten anzustreben, gibt sich Maas sich mit der Juniorrolle zufrieden, obwohl die SPD in den letzten Umfragen deutlich vor der CDU liegt und Neuwahlen nicht fürchten müsste.

    "Wenn sie mir versichern, dass diese Umfrageergebnisse auch das nächste Wahlergebnis sind, stimmt das."

    Eine neue Regierung auf der Grundlage der Wahlergebnisse der letzten Landtagswahl wäre für die SPD auch mit Linken und Grünen möglich. Aber sowohl Oskar Lafontaines Linke als auch die Grünen haben sich bereits für Neuwahlen ausgesprochen. Doch das ist nicht der ausschlaggebende Grund, warum diese Option nicht gezogen wird. Es sind die Grünen, die der sozialdemokratischen Basis nicht vermittelbar sind. Über Wochen hatten die Grünen 2009 mit der SPD und der Linken Scheinverhandlungen geführt, bis sie innerparteilich den Boden für Jamaika, das Bündnis aus Christdemokraten, Liberalen und Grünen geebnet hatten, das gerade gescheitert ist. Die saarländischen Sozialdemokraten hatte das tief verletzt und das ist nicht vergessen.

    "Die Grünen haben mit ihrer Haltung nach den letzten Landtagswahlen gezeigt, dass man sich auf sie nicht verlassen kann. Wer die Historie kennt, da glaube ich nicht, dass es für Heiko Maas eine Möglichkeit gibt, mit den Grünen zu koalieren. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass er das macht. Ich würde es an seiner Stelle nicht tun."

    Das wird er momentan auch nicht tun, obwohl Heiko Maas öffentliche Äußerungen zu den Grünen vermeidet und lieber davon redet, dass er mit der Linken keine Perspektive sieht, schließlich sei Oskar Lafontaine ohnehin auf dem Sprung nach Berlin, was dieser bestreitet. Er wolle vielmehr Spitzenkandidat seiner Partei bei eventuellen Neuwahlen im Saarland werden.

    "Ich hab' da vor. Sofern nicht etwas dazwischen kommen könnte, was ich jetzt noch nicht sehe."

    Überdies habe Lafontaine das Sparen nicht erfunden. Das aber müsse das Land - so Maas - und zwar eisern. Also, mit oder ohne Neuwahlen, eine große Koalition ist die wohl wahrscheinlichste Option für das Saarland.