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Die Sanierung und die Wiederverwertung der Platte

Der Plattenbau ist das Sorgenkind der ostdeutschen Städteplaner. Rund 1,3 Millionen Wohnungen stehen leer, obwohl in den Neunzigerjahren Milliarden Euro in die Sanierung und Aufwertung dieser Wohngebiete geflossen sind. Doch in vielen ostdeutschen Regionen ist die Zahl der Wohnungen größer als die Zahl der Wohnungssuchenden, weil viele Menschen vor Ort keine Arbeit fanden und in den Westen gezogen sind. Was also tun mit der Platte? Abriss oder Umbau, das ist die Frage, vor der fast jede ostdeutsche Stadt steht. Ein Team von Wissenschaftlern der Technischen Universität Cottbus hat in den vergangenen Jahren erstmals erforscht, wie denn Plattenbauten kostengünstig umgebaut und ausrangierte Fertigteile wiederverwertet werden könnten. Die Ergebnisse wurden jetzt auf einer internationalen Fachtagung in Cottbus veröffentlicht.

Von Maren Schibilsky |
    Angelika Mettke hat es genau ausgerechnet: Rund zwei Millionen Tonnen Betonabfälle pro Jahr entstehen aus dem Abriss von Plattenbauten. Denn noch immer entscheiden sich die meisten Städte, die ungeliebten Wohnsilos einfach wegzureißen: Mit Fördermitteln aus dem "Stadtumbauprogramm Ost". Für die Wissenschaftlerin an der Technischen Universität Cottbus ein unhaltbarer Zustand. Seit 2000 hat sie mit ihrem Forscherteam an über zehn Standorten in Ostdeutschland gezeigt, wie die Platte kostengünstig rückgebaut werden kann. Zum Beispiel in der brandenburgischen Kleinstadt Templin, wo fünfgeschossige Plattenbauten auf drei Etagen reduziert und die Grundrisse der Wohnungen verändert wurden, neue Treppenhäuser, neue Balkone entstanden.

    Sehr ansprechend und mit Kosten, die sich bei 623 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche belaufen inklusive Rückbau, inklusive Modernisierung. Das erreichen sie mit einem Neubau nicht. Und dann haben Sie wirklich noch den Vorteil, dass die Substanz im Bestand erhalten werden kann.

    Berlin, Cottbus, Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau - alles Städte, wo ähnliche Pilotprojekte liefen. Erfolgreich, denn die umgebauten Wohnungen werden stark nachgefragt. Und die Wohnungsbaugesellschaften sparten bis zu 30 Prozent Kosten gegenüber Abriss und Neubau. Aber die Rechnung geht nicht überall auf.

    Leider Gottes greifen viele doch noch zum Abbruch. Da sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Unternehmen wirklich so knapp bemessen, dass viele das als einzigen Ausweg sehen, weil viele wissen, dass 2009 Ende ist. Da wird es keine Fördergelder mehr geben.

    Angelika Mettke möchte das Verhältnis zwischen Abriss und Umbau in den Städten verändern. Während in Sachsen-Anhalt immer noch 91 Prozent aller Plattenbausiedlungen dem Erdboden gleichgemacht werden, ist in Brandenburg erklärtes Ziel, zwei Drittel der Wohngebiete jetzt rückzubauen. In den nächsten Jahren will die Brandenburger Forscherin zudem erreichen, dass ausrangierte Betonfertigteile, nicht einfach geschreddert und nur im Straßenbau Verwendung finden.

    Sie können davon ausgehen, dass 70 bis 80 Prozent der Rückbaumasse als Teile wieder verwendet werden können. Wir haben uns das Ziel gestellt, neue Wege zu zeigen, in welchen Einsatzbereichen es möglich ist, diese Platte wieder als Platte zu verwenden. Es sind Pilotprojekte in Ostdeutschland gelaufen: Hausbau, Doppelhausbau, hier in Cottbus die Stadtvillen, in Eggesin dieses Doppelhaus und in Brödten.

    Aber nicht immer ist es einfach, Häuslebauer für die Platte zu begeistern. Gerade im Osten hat sie nach wie vor ein Negativimage. Unbegründet - meint Angelika Mettke. Stolz zeigt sie in einer Ausstellung Projekte, in denen die Platte im Garagen- und Raststättenbau, beim Lärm- und Hochwasserschutz und sogar bei der Landschaftsgestaltung eine Renaissance erlebt.

    Einfach mal übereinander gestapelt als Plattenberg für die Kinder oder hier eine Einfriedung eines besonderen Baumes oder zur Begrenzung von Sportplätzen, als Treppen oder auch als lange Wand, wo auch Graffitiwettbewerbe stattfinden können. Also, es gibt ganz, ganz viele Ideen.

    Die sollen jetzt im Internet für Bauherren und Unternehmen publik gemacht werden - mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung - auf Deutschlands erster Bauteilbörse für Plattenbau, die ab 1. März in Thüringen an den Start geht. Eine Plattform, wo ausrangierte und geprüfte Betonfertigteile von der Baustelle weg zum Kauf angeboten werden. Auch Gesuche können ins Internet gestellt werden. Klaus Deininger von einer Thüringer Rückbaufirma hat die Bauteilbörse mitbegründet.

    Wir haben in der Bauteilbörse nicht nur diese Betonelemente eingestellt, sondern beim Rückbau fallen ja auch Gebäude darunter, wo fünf bis sieben Jahre zurück Sanierungsmassnahmen vorgenommen wurden. Da fallen auch einmal auf einen Schlag 1000 Fenster gleicher Größe an oder Heizungsanlagen oder Boiler oder Haustechnik, Lüftungen, Türen etc. , die etwa nur 20 Prozent ihrer Gesamtlebensdauer hinter sich haben. Das sind natürlich auch interessante Objekte, so dass auch der normale Bürger dort suchen kann.

    Vielleicht, so die Hoffnung der Beteiligten, wird so der Millionen Tonnen schwere Abfallberg aus dem Plattenbau in Zukunft ein bisschen leichter.