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Die Schattenseite des Bioenergie-Booms

Ob für Strom, Wärme oder Antriebsstoffe für Autos - die Anbauflächen von Energiepflanzen wachsen und die Rapsölproduktion in Deutschland für die Gewinnung von Biodiesel zum Beispiel gelangt schon jetzt an ihre Grenzen. Das Biokraftstoffquotengesetz, dass in Deutschland eine Beimischungspflicht ab dem kommenden Jahr vorschreibt, ist heute Thema im Bundesrat - und dabei geht es auch um die Möglichkeit der Zertifizierung von Biokraftstoffen, ein Vorschlag aus dem Saarland.

Von Toni Koch |
    Der WWF, der World Wide Fund For Nature, hat schon frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass die intensive Nutzung von Biokraftstoffen in Europa woanders zu negativen Entwicklungen führen kann. Die Naturwälder in Südostasien und Südamerika seien in Gefahr, wenn sie großflächig gerodet würden, um darauf Zuckerrohr, Soja oder Palmöl anzubauen. Aber in der ersten Euphorie darüber, dass der Gesetzgeber den Biokraftstoffen zum Durchbruch verhilft, ist die Zertifizierung wohl vergessen worden. Ab Januar 2007 muss sämtlichen Kraftstoffen aus Erdöl Biosprit beigemischt werden. Karl Rudi Reiter, stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbundes im Saarland.

    "Leider ist es wie bei vielen Technologien oft der Fall, dass sobald die Dinge großmaßstäblich durchgeführt werden, aus dem Ruder laufen, wenn viel Geld im Spiel ist. Und es hat wohl niemand daran gedacht, ursprünglich, als man die Idee hatte, Rapsöl und andere Energiepflanzen bei uns umweltverträglich anzubauen und für verschiedene Energieerzeugung zu nutzen."

    Im Bundesrat geht es heute darum, diesen Strickfehler im so genannten Biokraftstoffquotengesetz auszubügeln. Auf Initiative des saarländischen Umweltministers Stephan Mörsdorf soll der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass die 5,7 Prozent Biokraftstoff, die ab Januar beigemischt werden müssen, aus ökologisch einwandfreiem Anbau stammen. Stephan Mörsdorf:

    "Das was beigemischt werden darf, das was beigemischt werden muss, muss entweder aus europäischer Produktion stammen oder nach einem in Europa zugelassenen Zertifizierungsverfahren als nachhaltig zertifiziert sein."

    Darüber wie ein solches Zertifizierungssystem ausgestaltet werden soll, wird heute nicht entschieden. Auf internationaler Ebene zum Beispiel existiert bereits ein Zertifizierungssystem für Palmöl, das auf freiwilliger Basis funktioniert. Allerdings wurde dieses System vor einem anderen Hintergrund konzipiert. Es soll zum Beispiel die Palmölproduktion kontrollieren, die für die Waschmittelherstellung verwendet wird. Durch den Einsatz von preiswerten Palmölen als Biokraftstoff oder zur Stromerzeugung in Kraftwerken, wird jedoch ein viel größerer Markt geschaffen. Zum Schutz der tropischen Regenwälder erfordert dieser Markt nach Auffassung des saarländischen Umweltministers daher auch effizientere Überwachungsstrukturen. Er plädiert deshalb dafür auch das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, entsprechend anzupassen. Stefan Mörsdorf:

    " Wir wollen nicht auf Kosten der Urwälder gewonnenes Palmöl auch noch fördern, weder mit öffentlichen Geldern noch über den Umweg der erhöhten Einspeisevergütung über das EEG."

    Über den Strompreis subventioniert der Verbraucher die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Dabei wird nicht unterschieden, ob Palmöl aus Malaysia oder heimisches Rapsöl eingesetzt wird. Auch die Bauern, die sich hierzulande längst darauf eingestellt haben, vermehrt Energiepflanzen zu produzieren, begrüßen eine Zertifizierung. Allerdings nicht vordergründig aus wirtschaftlichen Erwägungen. Denn auch ein Qualitätssiegel für Bio-Kraftstoffe aus Entwicklungs- und Schwellenländern kann Preisunterschiede in der Herstellung nicht ausgleichen. Gerd Sonnleitner, Präsident des deutschen Bauernverbandes:

    "Sie bringt schon was, aber nicht so, dass wir glauben, dass wir einen geschützten Markt haben. Soweit wird das Ergebnis einer Zertifizierung nicht reichen."

    Was den heimischen Bauern hilft, ist die steigende Nachfrage nach Energiepflanzen. Der Markt wird weltweit überaus positiv eingeschätzt, so dass die europäischen Bauern davon überzeugt sind, im Wettbewerb bestehen zu können.