Swetlana ist Mitte 30 und vor neun Jahren aus Turkmenistan geflohen. Nun wohnt sie mit Mann und Kindern im Moskauer Umland. Ihre Eltern leben noch in Turkmenistan. Um sie nicht zu gefährden, möchte Swetlana ihren richtigen Namen nicht sagen.
"Wenn meine Mutter mich in Russland besucht, muss sie sich anschließend bei der Polizei und im Rathaus melden. In jedem Büro, in jedem Betrieb wird strengstens darauf geachtet, dass niemand eine eigene politische Meinung äußert. Die Menschen sind total verschlossen. Sobald sich auch nur andeutet, dass sich eine politische Gruppe bilden könnte, wird sie auseinandergetrieben. Damit ja keine Opposition entsteht. Damit es nur den Präsidenten gibt und alle an ihn glauben, wie an einen Gesandten Gottes."
Swetlanas Mutter arbeitet in Turkmenistan in einer Fabrik. Ihr Vater hat schon vor Jahren seine Arbeit verloren. Er wurde entlassen, weil er Korruption in seinem Betrieb offen ansprach.
"In den Betrieben läuft es so: Die Chefs nehmen einfach mit, was ihnen gefällt. Und es gibt viele Chefs: Betriebsleiter, Schichtleiter, Sicherheitschefs. Jeder nimmt sich etwas. Dann fehlt natürlich Geld. Das wird den einfachen Arbeitern vom Lohn abgezogen."
Als Swetlana aus Turkmenistan floh, regierte dort noch Saparmurat Nijasow - besser bekannt als "Turkmenbaschi", der Führer aller Turkmenen. Er benannte die Monate nach seinen Familienmitgliedern und verfasste einen eigenen Verhaltenskodex für seine Untertanen. Andere Bücher ließ er verbieten.
Als Nijazow 2006 starb, ernannte der Sicherheitsrat den Zahnarzt Gurbanguly Berdymuchammedow zum Staatsführer. Bei der anschließenden Wahl erhielt er knapp 90 Prozent der Stimmen. Unter Berdymuchammedow hat der Personenkult nachgelassen. Swetlana erzählt, es würden neue Straßen gebaut, neue Bäume gepflanzt, und überall in ihrer Heimatstadt gäbe es nun Brunnen und Fontänen.
"Die Gesellschaft ist freier geworden. Es gibt jetzt Internet. Das war unter dem 1. Präsidenten komplett verboten. Die Renten werden jetzt gezahlt, ebenso wie Kindergeld."
Doch demokratisch ist Turkmenistan deshalb noch lange nicht, sagt Arkadij Gudkow, Zentralasienexperte der Moskauer Zeitung "Moskowskie Nowosti".
"Ich nenne den jetzigen Präsidenten Turkmenbaschi II. Er ist zwar gebildeter und jünger als sein Vorgänger, aber ein viel größerer Zyniker und deshalb noch viel gefährlicher."
Tatsächlich: Reporter ohne Grenzen zum Beispiel stufte Turkmenistan jüngst auf seiner Rangliste der Pressefreiheit auf dem drittletzten Platz der Welt ein. Schlechter schnitten nur Nordkorea und Eritrea ab. Auch die Bundesregierung nennt die Menschenrechtslage in Turkmenistan "unbefriedigend". Der Zentralasienexperte Arkadij Gudkow:
"Berdymuchammedow hat sich immer noch nicht von den schrecklichen Henkersmethoden seines Vorgängers, Turkmenbaschi I., losgesagt. Er weigert sich bis heute, der Welt zu zeigen, was mit den Menschen geschah, die vor zehn Jahren ins Gefängnis kamen. Ich meine diejenigen, die an der Verschwörung gegen Turkmenbaschi im November 2002 beteiligt waren. Einige von ihnen sind schon tot, wir wissen nicht mal genau, wer; andere sind verschollen – wie der Graf von Monte Christo."
Im November 2002 war ein Attentat auf Nijazow gescheitert. Bis heute ist unklar, ob die Sache nicht inszeniert war. In jedem Fall diente der Anschlag auf das Staatsoberhaupt als Anlass, zahlreiche Oppositionelle zu verhaften. Gudkow:
"Zu ihnen werden weder Anwälte, noch Verwandte, noch Ärzte, noch internationale Beobachter gelassen – niemand, nicht mal Mitarbeiter des Roten Kreuz. Ich denke, das ist der größte Schandfleck in dem Spiel, das die Welt mit Turkmenistan spielt."
Gudkow wirft der Europäischen Union Heuchelei vor. Turkmenistan hat riesige Erdgasvorkommen. Die EU braucht dieses Gas, um sich von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen. Sie plant eine Pipeline mit Namen "Nabucco". Nabucco soll Gas aus Zentralasien und dem kaspischen Raum an Russland vorbei über die Türkei nach Westeuropa bringen. Um Nabucco nicht zu gefährden, hielten sich die westlichen Staaten mit Kritik an dem Regime in Turkmenistan zurück, sagt Gudkow. Erst im November beehrte Außenminister Westerwelle Turkmenistan mit einem Besuch.
Die EU fürchtet offenbar, Turkmenistan könnte sein Gas statt in den Westen nach Russland oder China verkaufen. Russland hat zwar eigenes Gas, versorgt aber Sibirien und den Ural mit Gas aus Turkmenistan. Auch Russland hält sich dementsprechend mit Kritik an Turkmenistan zurück. Russische Dumaabgeordnete reisen als Beobachter zur Präsidentenwahl nach Turkmenistan. Sie haben den Urnengang schon im Voraus als demokratisch und fair bewertet.
Ihre Eltern sehen das ganz anders, erzählt Swetlana: Sie hat kürzlich mit ihrer Mutter in Turkmenistan telefoniert.
"Meine Mutter hat gesagt: Wenn ich Lust habe, gehe ich wählen, wenn ich nach der Arbeit zu müde bin, gehe ich nicht. Sie sagt: Das Ergebnis steht ja ohnehin schon fest. Das ist ein einziges Theater mit einer Hauptrolle und vielen Nebenrollen. Die Kandidaten aus der Opposition sollen beweisen, dass es in Turkmenistan angeblich freie Wahlen gibt. In Wirklichkeit ist Turkmenistan schon lange nicht frei."
"Wenn meine Mutter mich in Russland besucht, muss sie sich anschließend bei der Polizei und im Rathaus melden. In jedem Büro, in jedem Betrieb wird strengstens darauf geachtet, dass niemand eine eigene politische Meinung äußert. Die Menschen sind total verschlossen. Sobald sich auch nur andeutet, dass sich eine politische Gruppe bilden könnte, wird sie auseinandergetrieben. Damit ja keine Opposition entsteht. Damit es nur den Präsidenten gibt und alle an ihn glauben, wie an einen Gesandten Gottes."
Swetlanas Mutter arbeitet in Turkmenistan in einer Fabrik. Ihr Vater hat schon vor Jahren seine Arbeit verloren. Er wurde entlassen, weil er Korruption in seinem Betrieb offen ansprach.
"In den Betrieben läuft es so: Die Chefs nehmen einfach mit, was ihnen gefällt. Und es gibt viele Chefs: Betriebsleiter, Schichtleiter, Sicherheitschefs. Jeder nimmt sich etwas. Dann fehlt natürlich Geld. Das wird den einfachen Arbeitern vom Lohn abgezogen."
Als Swetlana aus Turkmenistan floh, regierte dort noch Saparmurat Nijasow - besser bekannt als "Turkmenbaschi", der Führer aller Turkmenen. Er benannte die Monate nach seinen Familienmitgliedern und verfasste einen eigenen Verhaltenskodex für seine Untertanen. Andere Bücher ließ er verbieten.
Als Nijazow 2006 starb, ernannte der Sicherheitsrat den Zahnarzt Gurbanguly Berdymuchammedow zum Staatsführer. Bei der anschließenden Wahl erhielt er knapp 90 Prozent der Stimmen. Unter Berdymuchammedow hat der Personenkult nachgelassen. Swetlana erzählt, es würden neue Straßen gebaut, neue Bäume gepflanzt, und überall in ihrer Heimatstadt gäbe es nun Brunnen und Fontänen.
"Die Gesellschaft ist freier geworden. Es gibt jetzt Internet. Das war unter dem 1. Präsidenten komplett verboten. Die Renten werden jetzt gezahlt, ebenso wie Kindergeld."
Doch demokratisch ist Turkmenistan deshalb noch lange nicht, sagt Arkadij Gudkow, Zentralasienexperte der Moskauer Zeitung "Moskowskie Nowosti".
"Ich nenne den jetzigen Präsidenten Turkmenbaschi II. Er ist zwar gebildeter und jünger als sein Vorgänger, aber ein viel größerer Zyniker und deshalb noch viel gefährlicher."
Tatsächlich: Reporter ohne Grenzen zum Beispiel stufte Turkmenistan jüngst auf seiner Rangliste der Pressefreiheit auf dem drittletzten Platz der Welt ein. Schlechter schnitten nur Nordkorea und Eritrea ab. Auch die Bundesregierung nennt die Menschenrechtslage in Turkmenistan "unbefriedigend". Der Zentralasienexperte Arkadij Gudkow:
"Berdymuchammedow hat sich immer noch nicht von den schrecklichen Henkersmethoden seines Vorgängers, Turkmenbaschi I., losgesagt. Er weigert sich bis heute, der Welt zu zeigen, was mit den Menschen geschah, die vor zehn Jahren ins Gefängnis kamen. Ich meine diejenigen, die an der Verschwörung gegen Turkmenbaschi im November 2002 beteiligt waren. Einige von ihnen sind schon tot, wir wissen nicht mal genau, wer; andere sind verschollen – wie der Graf von Monte Christo."
Im November 2002 war ein Attentat auf Nijazow gescheitert. Bis heute ist unklar, ob die Sache nicht inszeniert war. In jedem Fall diente der Anschlag auf das Staatsoberhaupt als Anlass, zahlreiche Oppositionelle zu verhaften. Gudkow:
"Zu ihnen werden weder Anwälte, noch Verwandte, noch Ärzte, noch internationale Beobachter gelassen – niemand, nicht mal Mitarbeiter des Roten Kreuz. Ich denke, das ist der größte Schandfleck in dem Spiel, das die Welt mit Turkmenistan spielt."
Gudkow wirft der Europäischen Union Heuchelei vor. Turkmenistan hat riesige Erdgasvorkommen. Die EU braucht dieses Gas, um sich von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen. Sie plant eine Pipeline mit Namen "Nabucco". Nabucco soll Gas aus Zentralasien und dem kaspischen Raum an Russland vorbei über die Türkei nach Westeuropa bringen. Um Nabucco nicht zu gefährden, hielten sich die westlichen Staaten mit Kritik an dem Regime in Turkmenistan zurück, sagt Gudkow. Erst im November beehrte Außenminister Westerwelle Turkmenistan mit einem Besuch.
Die EU fürchtet offenbar, Turkmenistan könnte sein Gas statt in den Westen nach Russland oder China verkaufen. Russland hat zwar eigenes Gas, versorgt aber Sibirien und den Ural mit Gas aus Turkmenistan. Auch Russland hält sich dementsprechend mit Kritik an Turkmenistan zurück. Russische Dumaabgeordnete reisen als Beobachter zur Präsidentenwahl nach Turkmenistan. Sie haben den Urnengang schon im Voraus als demokratisch und fair bewertet.
Ihre Eltern sehen das ganz anders, erzählt Swetlana: Sie hat kürzlich mit ihrer Mutter in Turkmenistan telefoniert.
"Meine Mutter hat gesagt: Wenn ich Lust habe, gehe ich wählen, wenn ich nach der Arbeit zu müde bin, gehe ich nicht. Sie sagt: Das Ergebnis steht ja ohnehin schon fest. Das ist ein einziges Theater mit einer Hauptrolle und vielen Nebenrollen. Die Kandidaten aus der Opposition sollen beweisen, dass es in Turkmenistan angeblich freie Wahlen gibt. In Wirklichkeit ist Turkmenistan schon lange nicht frei."