Das ist eines der ersten modernen Gemetzel, eine Schlacht ohne Nutzen. Letztendlich haben die Österreicher und Napoleon beide verloren. Zu jener Zeit kommt es immer wieder zu solchen Massenschlachten, und die Methoden unterscheiden sich nur wenig von den heutigen. Sehr erstaunt hat mich, daß mein Freund Doktor Kouchner bei der Lektüre auf Dinge gestoßen ist, die er selbst erlebt hat: in der Kriegsmedizin zum Beispiel. Die hoffnungslosen Fälle bekamen ein Kreidekreuz auf die Stirn. Um Zeit zu gewinnen, konnte man sich nicht mehr um sie kümmern, so viele Verletzte gab es - und Kouchner und die anderen Ärzte ohne Grenzen haben das in Biafra genauso gemacht. Das wußte ich nicht. Da gibt es also eigenartige, unerwartete Übereinstimmungen.
Für seinen Roman "Die Schlacht" ist Patrick Rambaud 1997 gleich mit zwei der wichtigsten französischen Literaturpreise ausgezeichnet worden: dem Prix Goncourt und dem Romanpreis der Académie Française. Die Vermutung liegt nahe, daß das Interesse an seinem blutigen Stoff durch den Krieg auf dem Balkan gesteigert wurde. Denn Rambaud beschreibt nicht nur Napoleons erste persönliche militärische Niederlage und damit den Anfang vom Ende des Kaiserreichs. Sein Roman über die Schlacht bei Aspern im Mai 1809 bietet - aufgrund seiner Detailfülle - auch eine Art Phänomenologie der modernen Massenschlacht. Dazu der Autor:
Die Historiker haben Thesen, die sie beweisen wollen. Auf mich trifft zu, was Dumas sagt: Ich beschreibe etwas, und der Leser muß sich selbst seinen Reim darauf machen. Ich versuche darzustellen. Ich rede weder von Objektiviät noch von Subjektivität, sondern einfach von der Darstellung der Dinge, die man anhand der Zeitzeugnisse begriffen hat, die man wie in einer Reportage gegenüberstellt, ohne seine eigene Meinung kundzutun. Man muß die Standpunkte eines jeden aufbieten - und da wird es interessant. Die Leser müssen selbst damit klarkommen, denn ich habe nichts zu beweisen. Also, die einen haben mir gesagt: "Das ist spitze, Sie haben ein sehr schönes Buch über Napoleon geschrieben!", und die anderen: "Sie haben übertrieben, Napoleon ist ja abscheulich!" Jeder sieht seinen eigenen Napoleon, während ich versucht habe, ihn gerade nicht in die eine oder andere Richtung zu ziehen, sondern auf der Grundlage der Zeitzeugnisse der ihm Nahestehenden eine Figur zu entwerfen. Das ist interessanter.
Mit seinem Roman "Die Schlacht" hat Patrick Rambaud ein unvollendetes Projekt von Honoré de Balzac aufgegriffen. Der Schöpfer der "menschlichen Komödie" hatte Madame Hanska in einem Brief angekündigt, er wolle sie anhand der Schlacht von Aspern "mit allen Greueln, allen Schönheiten eines Schlachtfeldes vertraut machen". Bei Patrick Rambaud bleiben die Greuel - schon deshalb, weil der Ehrenkodex für viele Soldaten bloß Fassade ist. Schon im Vorfeld der Schlacht wird geplündert und vergewaltigt, gemeuchelt und gefleddert. Auch unter den Offizieren herrscht das Gesetz der Machterhaltung um jeden Preis. Napoleon in seiner Unberechenbarkeit erscheint da mehr als Menschenschinder, denn als genialer Stratege:
"Kein weibliches Gesicht, nur Kanonen, Pferde, zwei Armeen, Uniformen" - auch an diese Ankündigung Balzacs hat sich Patrick Rambaud nicht halten wollen. Denn das Vor- und Nachspiel des Blutbades bei Aspern verlegt er ins nahe, von Napoleons Truppen besetzte Wien. Mehr noch: auch während der Schlacht blendet Rambaud immer wieder hinüber in die Hauptstadt, wo sich Spione, Geliebte und potentielle Tyrannenmörder tummeln. Gereizt hat ihn vor allem die Anwesenheit eines gewissen Henri Beyle, der 21 Jahre später unter dem Pseudonym Stendhal seinen Roman "Rot und Schwarz" veröffentlicht. Dazu Rambaud:
"Ich wußte nicht, daß er da war! Als ich es gemerkt habe, habe ich mir gesagt: Das ist nicht möglich! Das ist eine Persönlichkeit, die man nicht links liegen lassen darf! Daraus muß eine Figur werden! Er war Kriegskommissar, damals in Wien - es gab also keinen Weg an ihm vorbei! Ich habe gelesen, was er über die Zeit erzählt, und es verwendet. Amüsant ist sein Waterloo-Prinzip: man bekommt nur einen Bruchteil von der Schlacht mit, ohne etwas zu begreifen. Denn jedes Mal, wenn es eine Schlacht gab, war er krank und bekam nichts mit. Auch in Aspern ist er krank und bleibt im Bett. Das entspricht seinem Charakter. Später, beim Brand von Moskau, wird er Zahnschmerzen haben. Sein Waterloo ist also schon in seinem Kopf."
Patrick Rambaud porträtiert in seinem Roman "Die Schlacht" jedoch nicht nur die Großen der Geschichte. In seinem knappen, realistischen Stil beschreibt er das Gemetzel auch aus der Sicht der einfachen Soldaten - so, wenn sie, vom Rotwein enthemmt, über die zerfetzten Körper der Gefallenen nach vorne stürmen, oder wenn sie eine mit Kanonenpulver gewürzte Suppe aus Pferdekadavern essen. Und auch der Lazarett-Horror mit seinen ständigen Amputationen ohne Betäubung gehört zur dargestellten Realität der Massenschlacht. Der Leser wird in keiner Weise geschont. Denn "ein historischer Roman" ist für Patrick Rambaud, wie er in den Anmerkungen schreibt, eine "Inszenierung wahrer Begebenheiten". Deshalb hält er sich - so weit es geht - an die historischen Fakten, an die Fülle der recherchierten Details, die er immer wieder zu beklemmenden Szenen verdichtet. Rambaud:
"Verglichen mit dem, was heute passiert, ist das Zeitalter des Kaiserreichs aber fast wie der "Club Méditerrané". Da ich schon mal in der Epoche war, hatte ich Lust weiterzugehen und eine Trilogie über das Kaiserreich zu schreiben. Gerade habe ich den zweiten Band abgeschlossen, der den Brand von Moskau und den Rückzug aus Rußland behandelt. Davon wird wenig gesprochen. Man kennt ein paar Bilder, immer dieselben. Ich bin neugierig gewesen, das näher zu betrachten, weil ich eben ganz einfach neugierig bin, weil ich auf so viel Wahrheit aus bin wie möglich.
Für seinen Roman "Die Schlacht" ist Patrick Rambaud 1997 gleich mit zwei der wichtigsten französischen Literaturpreise ausgezeichnet worden: dem Prix Goncourt und dem Romanpreis der Académie Française. Die Vermutung liegt nahe, daß das Interesse an seinem blutigen Stoff durch den Krieg auf dem Balkan gesteigert wurde. Denn Rambaud beschreibt nicht nur Napoleons erste persönliche militärische Niederlage und damit den Anfang vom Ende des Kaiserreichs. Sein Roman über die Schlacht bei Aspern im Mai 1809 bietet - aufgrund seiner Detailfülle - auch eine Art Phänomenologie der modernen Massenschlacht. Dazu der Autor:
Die Historiker haben Thesen, die sie beweisen wollen. Auf mich trifft zu, was Dumas sagt: Ich beschreibe etwas, und der Leser muß sich selbst seinen Reim darauf machen. Ich versuche darzustellen. Ich rede weder von Objektiviät noch von Subjektivität, sondern einfach von der Darstellung der Dinge, die man anhand der Zeitzeugnisse begriffen hat, die man wie in einer Reportage gegenüberstellt, ohne seine eigene Meinung kundzutun. Man muß die Standpunkte eines jeden aufbieten - und da wird es interessant. Die Leser müssen selbst damit klarkommen, denn ich habe nichts zu beweisen. Also, die einen haben mir gesagt: "Das ist spitze, Sie haben ein sehr schönes Buch über Napoleon geschrieben!", und die anderen: "Sie haben übertrieben, Napoleon ist ja abscheulich!" Jeder sieht seinen eigenen Napoleon, während ich versucht habe, ihn gerade nicht in die eine oder andere Richtung zu ziehen, sondern auf der Grundlage der Zeitzeugnisse der ihm Nahestehenden eine Figur zu entwerfen. Das ist interessanter.
Mit seinem Roman "Die Schlacht" hat Patrick Rambaud ein unvollendetes Projekt von Honoré de Balzac aufgegriffen. Der Schöpfer der "menschlichen Komödie" hatte Madame Hanska in einem Brief angekündigt, er wolle sie anhand der Schlacht von Aspern "mit allen Greueln, allen Schönheiten eines Schlachtfeldes vertraut machen". Bei Patrick Rambaud bleiben die Greuel - schon deshalb, weil der Ehrenkodex für viele Soldaten bloß Fassade ist. Schon im Vorfeld der Schlacht wird geplündert und vergewaltigt, gemeuchelt und gefleddert. Auch unter den Offizieren herrscht das Gesetz der Machterhaltung um jeden Preis. Napoleon in seiner Unberechenbarkeit erscheint da mehr als Menschenschinder, denn als genialer Stratege:
"Kein weibliches Gesicht, nur Kanonen, Pferde, zwei Armeen, Uniformen" - auch an diese Ankündigung Balzacs hat sich Patrick Rambaud nicht halten wollen. Denn das Vor- und Nachspiel des Blutbades bei Aspern verlegt er ins nahe, von Napoleons Truppen besetzte Wien. Mehr noch: auch während der Schlacht blendet Rambaud immer wieder hinüber in die Hauptstadt, wo sich Spione, Geliebte und potentielle Tyrannenmörder tummeln. Gereizt hat ihn vor allem die Anwesenheit eines gewissen Henri Beyle, der 21 Jahre später unter dem Pseudonym Stendhal seinen Roman "Rot und Schwarz" veröffentlicht. Dazu Rambaud:
"Ich wußte nicht, daß er da war! Als ich es gemerkt habe, habe ich mir gesagt: Das ist nicht möglich! Das ist eine Persönlichkeit, die man nicht links liegen lassen darf! Daraus muß eine Figur werden! Er war Kriegskommissar, damals in Wien - es gab also keinen Weg an ihm vorbei! Ich habe gelesen, was er über die Zeit erzählt, und es verwendet. Amüsant ist sein Waterloo-Prinzip: man bekommt nur einen Bruchteil von der Schlacht mit, ohne etwas zu begreifen. Denn jedes Mal, wenn es eine Schlacht gab, war er krank und bekam nichts mit. Auch in Aspern ist er krank und bleibt im Bett. Das entspricht seinem Charakter. Später, beim Brand von Moskau, wird er Zahnschmerzen haben. Sein Waterloo ist also schon in seinem Kopf."
Patrick Rambaud porträtiert in seinem Roman "Die Schlacht" jedoch nicht nur die Großen der Geschichte. In seinem knappen, realistischen Stil beschreibt er das Gemetzel auch aus der Sicht der einfachen Soldaten - so, wenn sie, vom Rotwein enthemmt, über die zerfetzten Körper der Gefallenen nach vorne stürmen, oder wenn sie eine mit Kanonenpulver gewürzte Suppe aus Pferdekadavern essen. Und auch der Lazarett-Horror mit seinen ständigen Amputationen ohne Betäubung gehört zur dargestellten Realität der Massenschlacht. Der Leser wird in keiner Weise geschont. Denn "ein historischer Roman" ist für Patrick Rambaud, wie er in den Anmerkungen schreibt, eine "Inszenierung wahrer Begebenheiten". Deshalb hält er sich - so weit es geht - an die historischen Fakten, an die Fülle der recherchierten Details, die er immer wieder zu beklemmenden Szenen verdichtet. Rambaud:
"Verglichen mit dem, was heute passiert, ist das Zeitalter des Kaiserreichs aber fast wie der "Club Méditerrané". Da ich schon mal in der Epoche war, hatte ich Lust weiterzugehen und eine Trilogie über das Kaiserreich zu schreiben. Gerade habe ich den zweiten Band abgeschlossen, der den Brand von Moskau und den Rückzug aus Rußland behandelt. Davon wird wenig gesprochen. Man kennt ein paar Bilder, immer dieselben. Ich bin neugierig gewesen, das näher zu betrachten, weil ich eben ganz einfach neugierig bin, weil ich auf so viel Wahrheit aus bin wie möglich.