Es ist und bleibt dieser "Werther" eine ‚Literaturoper' - die Transposition des epochalen Briefromans von 1774 in ein schlichtes Handlungsschema, das der Musik die weiten Räume eröffnen sollte: Räume der Seele und gewiss auch des Körperlichen, also des jugendlichen Begehrens in ganzer üppiger Fin-de-siècle-Pracht. Dem standen in der Ära des jungen Goethe wie zur Zeit der reifen Meisterschaft von Jules Massenet gesellschaftliche Konventionen und Zwänge gegenüber, die ggf. nur zu einem sehr hohen Preis zu überspringen waren.
Guy Joostens Produktion ist durchgängig in einem Biedermeier-Winkel angelegt, den Johannes Leiacker aus einer mit großen glatten Platten verkleideten Ecke herausragen ließ: neben der Landschaftstapete nur die nötigen Möbel und Kostüme aus der guten alten Zeit. Betont wird die Selbstverständlichkeit, dass es sich um ein Konversationsstück handelt. Zu keinem Moment pumpt sich das Kammerspiel auf, nur weil eine große und breite Bühne für die Mono- und Dialoge zu Verfügung steht. Allegorische Figuren oder psychoanalytisch begründetes Mobiliar werden dem Brüsseler Opernpublikum also erspart - und es zeigte sich dankbar. Auch dafür, dass die adventliche Erwartung dem Stück nicht ausgetrieben wurde. Die Seelenpein der beiden Protagonisten eskaliert. Im protestantisch-idyllischen Winkel wird derweil der Weihnachtsbaum geschmückt, auch mit allzu großen Geschenkpaketen umlagert. Sophie, die an Stelle der Schwester die Versorgung der sechs oder sieben kleineren Geschwister im Haushalt des verwitweten Amtmanns übernommen hat, sucht - mit der glockenreinen Stimme von Hélène Guilmette - die Stimmung aufzuheitern.
Doch die Situation und der Text, wie der Subtext der Musik, treiben unerbittlich auf den letalen Exitus zu. Der Bariton Ludovic Tézier, der den leicht verwegenen und psychisch nicht ganz stabilen Sturm- und Drang-Literaten vorzüglich zu beglaubigen versteht, und die wie eine Rokokofigur durchs Stück schwebende, empfindsam-bescheidene, dann wieder frühbürgerlich-energische, jedenfalls morgenfrisch liebreizend erscheinende Jennifer Larmore sorgen für intensive Intimität und katholische Theatralik im kurzen Augenblick des tödlichen Liebesglücks.
Kalt gekachelt wie ein Badezimmer ist der Winkel, in dem der gescheiterte Poet die Pistole auf sich richtet - und die Fliesen erscheinen demonstrativ überdimensional. Zuvor hatte Charlotte die Waffe benutzt, um sowohl den allzu aufdringlichen Bewerber wie den etwas gefühlsgehemmten Ehemann Albert auf Distanz zu halten; war dann aber von diesem fachmännisch entwaffnet worden. Ohnedies tendierte Guy Joosten dazu, einige Momente in der ansonsten ganz dem Duktus der Musik folgenden Inszenierung als aufschreckende Episoden überzuinszenieren: z.B. die Gewaltbereitschaft des Amtmanns, der die Kinderschar mit dem Stock in Schach hält, während er sich bis zur Bewusstlosigkeit mit Schnaps zuschüttet und dann auch noch die Tochter Sophie sexuell nötigt.
Zum Gelingen der neuen Brüsseler Produktion Kammeroper mit gut gepolsterter symphonischer Unterfütterung trägt in hohem Maß auch Kazushi Ono bei. Er lenkt den Wärmestrom der Musik mit wohl dosierter Intensität und Geschmeidigkeit und lässt mit der Mezzosopranistin Larmore eine Sängerdarstellerin der Spitzenklasse vortrefflich zum Einsatz gelangen.
Guy Joostens Produktion ist durchgängig in einem Biedermeier-Winkel angelegt, den Johannes Leiacker aus einer mit großen glatten Platten verkleideten Ecke herausragen ließ: neben der Landschaftstapete nur die nötigen Möbel und Kostüme aus der guten alten Zeit. Betont wird die Selbstverständlichkeit, dass es sich um ein Konversationsstück handelt. Zu keinem Moment pumpt sich das Kammerspiel auf, nur weil eine große und breite Bühne für die Mono- und Dialoge zu Verfügung steht. Allegorische Figuren oder psychoanalytisch begründetes Mobiliar werden dem Brüsseler Opernpublikum also erspart - und es zeigte sich dankbar. Auch dafür, dass die adventliche Erwartung dem Stück nicht ausgetrieben wurde. Die Seelenpein der beiden Protagonisten eskaliert. Im protestantisch-idyllischen Winkel wird derweil der Weihnachtsbaum geschmückt, auch mit allzu großen Geschenkpaketen umlagert. Sophie, die an Stelle der Schwester die Versorgung der sechs oder sieben kleineren Geschwister im Haushalt des verwitweten Amtmanns übernommen hat, sucht - mit der glockenreinen Stimme von Hélène Guilmette - die Stimmung aufzuheitern.
Doch die Situation und der Text, wie der Subtext der Musik, treiben unerbittlich auf den letalen Exitus zu. Der Bariton Ludovic Tézier, der den leicht verwegenen und psychisch nicht ganz stabilen Sturm- und Drang-Literaten vorzüglich zu beglaubigen versteht, und die wie eine Rokokofigur durchs Stück schwebende, empfindsam-bescheidene, dann wieder frühbürgerlich-energische, jedenfalls morgenfrisch liebreizend erscheinende Jennifer Larmore sorgen für intensive Intimität und katholische Theatralik im kurzen Augenblick des tödlichen Liebesglücks.
Kalt gekachelt wie ein Badezimmer ist der Winkel, in dem der gescheiterte Poet die Pistole auf sich richtet - und die Fliesen erscheinen demonstrativ überdimensional. Zuvor hatte Charlotte die Waffe benutzt, um sowohl den allzu aufdringlichen Bewerber wie den etwas gefühlsgehemmten Ehemann Albert auf Distanz zu halten; war dann aber von diesem fachmännisch entwaffnet worden. Ohnedies tendierte Guy Joosten dazu, einige Momente in der ansonsten ganz dem Duktus der Musik folgenden Inszenierung als aufschreckende Episoden überzuinszenieren: z.B. die Gewaltbereitschaft des Amtmanns, der die Kinderschar mit dem Stock in Schach hält, während er sich bis zur Bewusstlosigkeit mit Schnaps zuschüttet und dann auch noch die Tochter Sophie sexuell nötigt.
Zum Gelingen der neuen Brüsseler Produktion Kammeroper mit gut gepolsterter symphonischer Unterfütterung trägt in hohem Maß auch Kazushi Ono bei. Er lenkt den Wärmestrom der Musik mit wohl dosierter Intensität und Geschmeidigkeit und lässt mit der Mezzosopranistin Larmore eine Sängerdarstellerin der Spitzenklasse vortrefflich zum Einsatz gelangen.