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Die Schönheit des Universums

Heute vor 50 Jahren flog Juri Gagarin als erster Mensch ins All. Die Kunsthalle Wien zeigt, was Künstlern in den letzten zehn Jahren zum Thema Weltraum so alles einfiel.

Von Beatrix Novy | 12.04.2011
    So muss eine Ausstellung über den Weltraum und die Kunst schon im Treppenhaus anfangen: mit der Walzerfahrt durchs All aus Stanley Kubricks Film 2001. Die hier mit Strauss-Klängen suggerierte Schwerelosigkeit war damals, 1968, schon reale Erfahrung: jedenfalls hatte der sowjetische Kosmonaut Alexei Leonow seinen Weltraumspaziergang schon seit drei Jahren hinter sich.

    Dieser und jeder weitere Schritt, den Astronauten und Astronomen ins Universum taten, hat sich seither auch in der Kunst niedergeschlagen – ob in Andy Warhols "Moon Walk", das bekannte Foto des gut verpackten Astronauten Armstrong samt US-Flagge, hier in Wien einmal in pink, einmal in gelb zu sehen, oder in Robert Rauschenbergs schönen Farblithografien, der er als Augenzeuge eines Raketenstarts für die NASA anfertigte; in Thomas Ruffs gepixeltem Marsfahrzeug; oder in Jyoti Mistrys filmischem Porträt des Weltraumtouristen Mark Shuttleworth.

    Aber auch den vertrauten Gesichtern aus Startrek, den rituell angeordneten Astronauten-Crews und der Barbie-Puppe im Raumhelm entgeht man hier nicht. Künstler mit Weltraum-Interesse können sich heute auf viele Bilder aus Literatur und Medien beziehen: Denn das sind mächtige Bilder.

    Seit es einen Begriff vom Weltraum gibt, war er Sehnsuchtsort und Bedrohung, unendlich frei für alle denkbaren Fantasien, Utopien, Ängste. Allein das große Genre der Science Fiction-Literatur spricht davon. Fügt diese Ausstellung, die in 80 Werken zeigt, wie etablierte und junge Künstler ihre Faszination ausdrücken, dieser Binsenwahrheit etwas hinzu? Nein. Aber sie zeigt ein beachtliches Spektrum, und sie macht Spaß, schon deshalb, weil sie angeregt wurde von der nicht nur in Wien notorischen Kosmosgruppe Juri Gagarin: Deren Kommandant, im Rang eines Generalmajors, der Wiener Walter Famler, gründete sie 1997; als er miterleben musste, wie die Gagarin gewidmete Weltausstellung in Moskau demontiert, viele Artefakte der sowjetischen Raumfahrt entsorgt wurden.

    "Da hatte ich eine Epiphanie, ich habe Gagarin geschaut."

    Was nicht abwegig ist angesichts des Mythos Gagarin, der sich, wie geschaffen für religiöse Konnotation, um den früh verstorbenen Sohn eines Zimmermanns rankt. Wenigstens eine Aluminiumbüste des Menschen Gagarin wollte Walter Famler damals retten.

    "Das ist nicht gelungen, ich habe das ins Dadaistisch-Virtuelle gewendet, mit der Agitprop-Formel, das Lächeln Gagarins weltweit in Antlitze der Frauen zu zaubern, daraus entstand, Gruppe von 64 Spezialistinnen und Spezialisten ... wir haben auch ds. Ausstellung in der KuH initiiert, werden aber die Gruppe genau am 12. April auflösen und sie wird in den Untergrund gehen."

    Schade. Immerhin bleibt als Erinnerung die zauberhafte Installation , die Juri Gagarins Büro lebensecht zeigt: die herrlich retro-ästhetische sowjetische Einrichtung, die zwei wichtigen Telefone, eine Erinnerungsvitrine mit Devotionalien. An der Wand hängt ein utopisch-hoffnungsfrohes Gemälde von Andrei Sokolov, ein Kraftwerk auf dem Mond darstellend. Sokolov malte es 1967. Ein halbes Jahrhundert später schufen seine Landsleute Vladimir Dubossarsky und Alexander Vinogradov eine noch fantastischere Utopie: Die quietschbunte Ansicht eines Footballspiels vor weltalldunklem Himmel, auf den Tribünen jubelnde Erdlinge und weinende Außerirdische, der Titel: Die Erde gewinnt. -

    Hier kreist alles um den Versuch, das Unbegreifliche zu erfassen: Die Tiefe des Raums, vor allem den Sternenhimmel, die Schwerkraft, die Meteoriten, die von der Entstehung unserer erweiterten Heimat Milchstraße erzählen und so weiter. Hier wird aber auch schon kräftig mit dem erschlaffenden Mythos der Raumfahrt gespielt, geschäkert, ein Video zeigt zum aufgeregten O-Ton eines NASA-Raketenstarts, wie die jungen Künstler das Ganze als Laienspiel auf dem Hinterhof inszenieren. Und unmissverständlich zeigt sich das Misstrauen gegenüber dem Mythos im Bild, auf dem die Sterne im All die Worte formen "Turn back now" – Kehr um, jetzt!