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Die Schokoladenseite der Krise

Zu den wenig bekannten Gewinnern von Wirtschaftskrisen gehören die Hersteller von Schokolade. Nach aller Erfahrung essen die Menschen in bitteren Zeiten mehr Süßes. Seit 100 Jahren kann man dem Luxus mit einer traditionsreichen Sorte aus Bremen frönen, die sogar eine adelige Taufpatin hatte: Feodora, die jüngste Schwester der letzten deutschen Kaiserin Auguste Viktoria.

Von Christina Selzer | 14.05.2010
    Feodora, die Schwester von Kaiserin Auguste Viktoria, starb schon mit 36 Jahren. Als in Tangermünde bei Magdeburg der Zuckerfabrikant Hermann Meyer davon erfuhr, kam ihm eine Idee. Denn für eine neue, besonders feine Schokolade suchte er noch einen eleganten Namen. Feodora. Ein Name, wie gemacht dafür, und das findet auch der heutige Feodora-Chef Hasso Nauck:

    "Der Klang ist schön, bestimmt die weibliche Komponente der Marke, und mit Sicherheit ist das auch die Motivation des Firmengründers Hermann Meyer gewesen, als das mit einem Namen zu machen, der die Bedingungen erfüllt, da hat er eine weise Entscheidung getroffen."

    Der Zuckerfabrikant Meyer musste natürlich beim Kaiserhaus um Erlaubnis fragen. Und tatsächlich: Die Kaiserin war einverstanden. Aber unter der Bedingung, dass sie Farbe und Gestaltung der Verpackung aussuchen durfte. Noch heute sind die Tafeln und Pralinenschachten in Gelb gestaltet, der Lieblingsfarbe der Kaiserin, verbunden mit dem goldenen Schriftzug, der Handschrift von Feodora und dem Wappen der Herzöge zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg.

    Feodora, die Prinzessin zu Schleswig-Holstein war eine ungewöhnliche Frau. Sie war Malerin und Schriftstellerin. "Feo" wie sie genannt wurde, galt als unabhängiger Geist. Hasso Nauck:

    "Was mich am meisten beeindruckt hat, dass die Feodora nicht eine eitle egozentrische Mittelpunktsperson war, kaiserliche Herkunft herausgestellt hat, sehr emotional, introvertiert und interessiert an der Kunst. Sie hat Talente entwickelt, die sehr Hochburgen, die den Männern vorbehalten war. Auch das Schreiben war eine Domäne der Männer, weil sie das Interesse an der Sache hatte."

    Sie schrieb Gedichte und Erzählungen. Das Honorar dafür spendete sie für die Armen, was keine Selbstverständlichkeit war. Zu ihrem Freundeskreis zählten die Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler und Fritz Mackensen. In Worpswede erlernte sie auch das Malen.

    "Wenn ich zurückdenke: So eine Person haben wir als Namensgeberin, da können wir froh sein, dass das so eine schillernde Persönlichkeit ist. Denn das lädt eine Marke positiv auf, wenn man diese Hintergrundgeschichten kennt und den Schriftzug kennt, dann füllt das das Stimmungsbild."

    Längst aber kommt die Feodora-Praline nicht mehr aus Tangermünde, sondern aus Bremen. Dort wir sie unter einem Dach mit der Edelmarke Hachez hergestellt. Die Not der Nachkriegszeit hatte die beiden Marken zusammengeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg enteigneten die sowjetischen Besatzer den Fabrikbesitzer Meyer in Tangermünde. Er landete mit seiner Familie in Hamburg und suchte einen neuen Ort für seine Schokoladenproduktion.

    Auch der Hachez-Chef, der Großvater des heutigen Chefs Hasso Nauck, brauchte Hilfe. Seine Schokoladenfabrik in Bremen war zerstört. Die beiden Schokoladen-Fabrikanten taten sich zusammen. Und seitdem werden die beiden Firmen unter einem Dach hergestellt. Aber jede nach ihrer eigenen Rezeptur, wie Hasso Nauck betont.

    In der Schokoladen-Produktion in Bremen: Frauen in dunkelroten Schürzen und mit Hauben auf dem Kopf stehen an einem Fließband und sortieren Pralinen. Bis zur fertigen Praline stellt Feodora alles unter einem Dach her. Das ist ein Markenzeichen, das wird auch vom Werksleiter Karl-Heinrich Augustin betont:

    "Das ist die Füllungsküche, für Schokolade, leckere Geschichten wie Champagnertrüffel, Nugat, Kirschfüllung werden hier hergestellt."

    Hasso Nauck, der Urenkel des Firmengründers Josef Emile Hachez, hält auch heute an Traditionen fest: hochwertige Rohstoffe und fast schon altmodische Zubereitungsverfahren. Die Röstmaschine stammt aus den 30er-Jahren und soll ein besseres Ergebnis liefern als ein moderner Ofen. Doch neben dem Altbewährten musste sich der Schokomanager auch immer wieder Neues einfallen lassen, um nicht den Anschluss an moderne Trends zu verpassen: Es gibt die klassischen Pralinen, wie Mandelsplitter, Rumtrüffel, Cognac-Butte. In den neuen Sorten spielen aber auch Zutaten wie Pfeffer, Zitronenmelisse und Koriander eine Rolle:

    "Risiko ist es immer, es ist wie mit der Auster und der Perle, meistens ist keine drin. Da gibt es zwei Möglichkeiten, sie forschen sich zu Tode, dann läuft der Markt Ihnen weg. Bei uns ist es so, dass wir für uns abschätzen, was geht und was nicht."

    Das Wirtschaften in Zeiten der Krise ist nicht einfacher geworden, sagt Hasso Nauck. Details zum Umsatz möchte der Manager aber nicht nennen. Da hält er es mit der hanseatischen Kaufmannstradition: "Über Umsätze reden wir nicht, die machen wir lieber."

    Der Jahresumsatz 2008 wird auf 54 Millionen Euro geschätzt - der Schokoladenmarkt ist hart umkämpft. Doch Hasso Nauck will kein "billiges braunes Zeug" herstellen, wie er verächtlich sagt. Er will lieber weiter auf Luxus setzen. Denn die Zukunft gehört den Schokoladen-Gourmets, hofft der Feodora-Chef.