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Die "Schule der Romantik" im Ruhrpott

"Die Schule der Romantik" hieß ein 1832 erschienener Artikel von Heinrich Heine - es war eine ironische Auseinandersetzung mit den Dichtern und Denkern der Epoche. Dieser Titel wurde Motto des Literaturprogramms der Ruhr-Triennale. Prominente wie Michel Houellebecq sollen Englisch, Französisch und Politische Bildung "unterrichten" und dabei ihre Sichtweise auf die Epoche der Romantik verraten.

Von Christiane Enkeler |
    "Auch mir scheint heute zum Beispiel ein Künstler wie Houellebecq jemand zu sein, der auf eine ganz romantische Weise zusammendenkt, was normalerweise nicht mehr zusammengehört, nämlich Wissenschaft, Politik, Kultur und Kunst, und der in seinen Büchern aus der Perspektive des Liebesverlustes gleichwohl eine ganz kämpferische und nach Ergänzung fordernde oder rufende Art von Sozial- und Gesellschaftsdiagnose formuliert, und das ist etwas, was ich doch zutiefst romantisch empfinde in unserer Zeit."

    Hier geht es Thomas Oberender um den Universalismus der Romantik oder um das Problem, wie man die Leerstelle ergänzen kann, wie man den Verlust korrigieren kann - dabei stellt man sich Houellebecq vielleicht kämpferischer vor, als er bei dieser Lesung wirkte, nämlich etwas müde.

    Als Zuhörer wartete man vielleicht noch auf die Übersetzung seiner Antworten ins Deutsche, das mag erklären, warum am Sonntag der ein oder andere auch ging, bevor es zum Ende der Stunde geschellt hatte.

    Aber diese Atmosphäre hat nichts Unangenehmes: Man sitzt in dieser Klassenzimmer-Installation von Joachim Janner, wirklich wie ein Schüler auf einem Schulstuhl vor einem Schultisch, vor sich eine kleine Aufmerksamkeit - zum Houellebecq-Besuch ist es eine Butterbrot-Tüte mit zwei Mini-Croissants - blickt zur Tafel und bekommt langsam einen tranceartigen Blick.

    Wahrscheinlich gehört zur Romantik die "Sehnsucht" wie die "Opposition", eine eher unorganisierte, die sich aber nach Integration und Universalität sehnt.

    So beginnt die Französisch-Stunde, bevor überhaupt etwas von Houellebecq zu sehen ist (nicht mal sein Hund): Über die Ruhr-Triennale-Homepage kann man Hausaufgaben für die Schule erledigen; heute liest eine Hauptschullehrerin einleitend ihren Aufsatz vor zu der Frage: "Welche Lieder würden Sie heute sammeln?" - und, siehe da, sie kommt zu den Zwischenergebnissen "Sammelst du noch oder speicherst du schon?" und: "Sind wir nicht alle ein bisschen Punk?" - Das hat was mit "Samplen" zu tun, ein Text wird ironisch reflektiert und diskutiert, und damit sieht Thomas Oberender auch eine Linie zu Heinrich Heine hergestellt.

    Dessen Titel "Die romantische Schule", eine Schrift, in der er für die Franzosen eine Art Überblick über die deutschen Romantiker gibt, war eine Art "Stichwortgeber" für die Literaturreihe der RuhrTriennale - man hat sie nur ganz wörtlich genommen, eben als "Schule".

    "Also, die "Schule der Romantik" ist ja kein Fortsetzungsprogramm eines Leistungskurses an einem deutschen Gymnasium. Die "Schule der Romantik" soll eigentlich eine Art von Lockerungsübung sein und von Perspektivverschiebung leben, die wir gemeinsam, und ich würde auch durchaus sagen, alle als Schüler, in der Wiederlektüre romantischer Texte und der Wiederbegegnung mit romantischen Kunstwerken erfahren.

    Es ist sozusagen eine grundsätzliche Übung in Opposition, und die haben die Romantiker auf eine heute noch sehr vorbildliche Weise formuliert."

    Auch Houellebecq juckt es - am Ende dreht er die Interviewsituation auf der Bühne um. - Ist er damit jetzt dem Ideal eines Romantischen Salons näher gekommen, denn auch das soll die "Schule der Romantik" sein, ein Salon, dessen Ideal dann aber wäre, dass die Kommunikation symmetrisch liefe, niemand mehr eine Rolle spielen muss?

    Aber natürlich, sagt Oberender, kommen die Leute auch, um Houellebecq zu erleben, wie sie wohl zur Englisch-Stunde wegen Patti Smith gekommen sein mögen, und das wäre ja nicht möglich ohne die gesellschaftliche Rolle der beiden. Patti Smith hat vor vier Wochen übrigens selbst gezeichnete Vokabel-Blätter verteilt, vom Weltjugendtag geschwärmt und von inneren Werten oder einer Spiritualität, die dem Materialismus entgegenzusetzen sei.

    Begleitend zu den sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten soll es aber immer auch um Literatur gehen: "Mitgebracht" hat Houellebecq, außer seinem eigenen Text, Hölderlin.