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Die Schweizer Band Panda Lux
Im Zoo der Klänge

Sie sind zwar alle studierte Musiker, doch verkopft klingt der Sound von Panda Lux trotzdem nicht. "Fun, Fun, Fun": Den Titel ihres aktuellen Albums kauft man den Schweizern ab, auch wenn es vergleichsweise introvertiert geraten ist. Doch neben dem Spaß probieren sie Neues aus.

Von Anja Buchmann | 22.11.2020
    Vier Männer stehen vor einem roten Samtvorhang mit Lampe.
    Spielten anfangs Rock-Musik: Die Musiker von Panda Lux: Samuel Kuntz, Moritz Widrig, Janos Mijnssen, Silvan Kuntz (v.l.n.r.) (Anja Furrer)
    Musik: "¼ life"
    Verspielt, Klang verliebt, experimentell – so klingt die Musik der Schweizer Band Panda Lux. Mal Pop, mal Funk oder Disco, mal ein an Jazz erinnerndes Saxofon-Solo, viel Elektronik, mal eine Surfgitarre, mal orientalisch anmutende Tonskalen. Vier Mittzwanziger, die auf ihrem aktuellen Album "Fun, fun, fun" ihre instrumentalen Fertigkeiten und große Vielfalt demonstrieren. Und das auf eine entspannte Art.
    "Waren mal eine Rockband"
    Dabei begann alles im Jahr 2006 im kleinen Schweizer Örtchen Rorschach am Bodensee mit ganz anderer Musik, wie Sänger Silvan erzählt:
    "Also ganz anfangs waren wir mega punkig unterwegs und haben Instrumental Rock gemacht, also ohne Gesang. Das lief so ab, dass ich vor allem so Power-Chords gespielt hab und Samuel Melodien auf einer Seite geklimpert hat und Moritz irgendeinen geilen beat zugespielt hat. Was spannend ist: Wir haben nie gecovert oder so. Wir haben immer von Anfang an, also als ich so elf oder zwölf war, direkt eigene Sachen gemacht und es hat sich natürlich extrem gewandelt. Also wir haben noch irgendwelche Video und Handy oder so Recorder Aufnahmen von damals und es ist ultra spannend, wie sich die Musik entwickelt hat. Wir waren eigentlich mal wirklich so eine Rockband."
    In der ersten veröffentlichten Single, "Freier Fall", im Jahr 2013 hört man, wenn auch keinen Instrumental-Rock, so doch eine deutlichere Präsenz der zwei Gitarren von Silvan und Samuel. Die beiden Brüder, die schon als Kinder zusammen Musik machten, und bereits damals verschiedene Rollen auf ihrem Instrument ausgeübt haben.
    "Ich bin eigentlich eher der den Rhythmus, die Harmonien bringt. Und er ist eher der Melodie-Typ. Ich glaube, das kommt daher, dass er als erstes Instrument Trompete gelernt hat und das ist ja eigentlich quasi ein Melodieinstrument. Und es ist witzig, es gibt wirklich eigentlich eine sehr klassische Aufteilung bei uns. Also wenn wir einfach so spontan jetzt, wie wir sehr oft zusammen auf den Gitarren spielen, dann gibt es schon diese Rollenverteilung."
    Musik: "Freier Fall"
    Es sei schon etwas Besonderes, mit seinem Bruder zusammen Musik zu machen, in einer Band zu spielen, erzählt Silvan von Panda Lux. Beide haben nach der Schule Musik studiert, Silvan klassische und Samuel die Jazzgitarre. Was man auch heute noch an Silvans Fingernägeln sehen kann:
    "Naja, ich hab die langen Fingernägel an der rechten Hand, die werden auch immer schön geschliffen, vor dem Konzert gefeilt."
    Und er hat nach der ersten instrumentalen Anfangsphase der Band mit dem Singen begonnen. Als Teenager hatte er ein bisschen Unterricht, aber keine wirkliche Gesangsausbildung bekommen.
    "Ich bezeichne mich deswegen auch nie wirklich als Sänger. Ich bin einfach einer, der singt."
    Aber einer, der gut singt. Silvan hat ein sehr wiedererkennbares Timbre: elegant, beweglich, mit vielen zarten Farbschattierungen. Im Laufe der Zeit ist dann immer mehr die Kopfstimme hinzugekommen. Quasi "aus Versehen".
    "Also auf dem ersten Album hab ich eigentlich noch nie was mit Kopfstimme gemacht. Und das hat sich irgendwie, diese Klangfarbe und diese Möglichkeit auch zu wechseln, das hat sich erst so ergeben und ist ganz intuitiv beim Song Schreiben entstanden."
    Öffnung zum Experiment
    "Versailles" heißt das erste Album von Panda Lux aus dem Jahr 2017, mit dem sie für den Swiss Music Award nominiert wurden. Auch hier zeigt sich schon ein - wenn auch noch nicht so ausgeprägter - Hang zum Experimentieren. Etwa bei den Songs "Jung 1" und "Jung 2": Ersterer mit Gesang und im zweiten werden Harmonien und Stimmung aufgegriffen, die Stimme tritt mehr in den Hintergrund und das Ganze wird zu einem elegischen Stück Post-Rock mit Shoegaze-Charakter.
    Musik: "Jung 1 / Jung 2"
    "Ja, Versailles ist eigentlich ein live eingespieltes Album gewesen. Logisch haben wir viele Overdubs und so gemacht, gar keine Frage. Aber so die Basics: Drums, Bass und Rhythmusgitarre... Wir waren alle in einem Raum und haben zusammen gespielt und nur schon von dieser strukturellen Änderung, dass man jetzt vielmehr irgendwie am Computer gemacht hat und nun in verschiedensten Studios gearbeitet hat, hat sich das mega geöffnet. Und auch zum Experiment hin."
    Diese Öffnung zeigte sich schon auf ihrer letzten EP "Zoo", bei Songs wie "Bar Franca" oder "Beuteltier", beides Stücke, die sie noch einmal auf ihre aktuelles Album "Fun, fun, fun" gepackt haben. Auch auf der EP haben sie schon mit dem Berliner Produzenten Aaron Ahrends zusammen gearbeitet, den sie inzwischen fast als fünftes Bandmitglied sehen, sagt Silvan Kuntz.
    Die stellenweise orientalische Anmutung im "Вeuteltier" entsteht durch das Notenmaterial und den Einsatz der arabischen Flöte Ney, die indirekt durch Schlagzeuger Moritz ins Spiel kam:
    "Moritz arbeitet auch an Theatern in Bremen und Berlin und hat da eine Flötenspielerin kennengelernt, die ganz viele östliche Instrumente spielen kann. Und wir haben die einfach eingeladen ins Studio, als wir gerade in Berlin waren, und die hat da einfach in Solo drüber gespielt, das so fantastisch war, dass es jetzt im Album drin ist. Und wir haben dann die Flöte auch quasi als Hauptinstrument gemacht. In der instrumentalen Hook, quasi die Gitarre doppelt das eigentlich nur, aber Samuel hat die Melodie auf der Gitarre so komponiert. Und das zeigt auch wieder dieses Soundexperiment, dass wir uns einfach öffnen und nicht nur normale Band Instrumente verwenden."
    Musik: "Beuteltier"
    Studierte Musiker
    Alle vier Bandmitglieder haben professionelle musikalische Ausbildungen: Janos hat Filmkomposition studiert, Moritz Komposition und Musiktheorie, die Kuntz-Brüder Gitarre. Dennoch, so der Sänger und Gitarrist Silvan, habe das Musikstudium ihre Musik nur indirekt beeinflusst.
    "Ich glaube, das ist einfach: Jeder hat sich weiterentwickelt auf seinem individuellen Bereich. Zum Beispiel, ich hab eben klassische Gitarre studiert und ich schreibe jetzt nicht irgendwie - keine Ahnung - Songs, die nach Bach klingen oder so. Sondern dass ist im Unterbewusstsein und das kommt dann schon raus, wenn du irgendwie, wenn du dich hinsetzt und spielst und komponiert. Gut. Naja, jetzt, wenn ich drüber nachdenke - zum Beispiel Janosch und Moritz haben Filmmusik, also Komposition für Film, Theater und Medien studiert. Und wir haben schon auch z.B. jetzt gerade dieses Stück wie "Sakamoto", "Sakafunko" und "Sakautro", dieser Instrumental-Dreiteiler, der hat schon filmmusikalische Komponenten und ist ja auch dem Ryuichi Sakamoto, dem Filmkomponisten, gewidmet und inspiriert von seiner Musik."
    Musik: "Sakafunko"
    "Wir sind nicht ein verkopftes Musikstudium-Band-Gedöns, sondern wir sind wirklich, wenn wir Musik machen, dann geben wir jedem Raum und er kann experimentieren. So, jeder darf erstmal jede Idee sagen und sie wird nicht grad sofort kaputt gemacht, das haben wir auch gelernt, irgendwie das zuzulassen, den Moment und nicht mehr so in Schubladen zu denken. Genau und was sehr wichtig ist: Wir machen ja Musik, schon bevor wir mit diesen Studien angefangen haben und sie beendet haben. Dieses intuitive Zusammenspiel und Zusammenarbeiten. Das ist wie die Grundlage und die gab es schon davor."
    Reizüberflutung und musikalische Klangsuche
    Am Titel "Staub" lässt sich nachvollziehen, wie bei Panda Lux Songs entstehen, wie sie begeistert mit Klängen hantieren.
    "Den ersten Satz, den ich da hatte, war der Erste, wie der Song anfängt: "Staub in meiner Lunge, Staub in meinem Staubsauger". Und das Bild hat mich so gepackt und das hat auch meinen Seelenzustand so beschrieben, wie ich mich damals gefühlt habe. Dieser Zwang, irgendwie alles in sich einsaugen zu müssen, alle Reize wahrnehmen zu wollen und fast schon so ein exzessiver Lebensstil und eine Reizüberflutung. Und irgendwie war dann wieder die Reflexion da: Fuck, ich kann so nicht weitermachen. Ich bin ja wie so ein Staubsauger. 'Staub in meiner Lunge, Staub in meinem Staubsauger.' Also Staub ist in meiner Lunge, wo er eigentlich nicht hingehört. Der gehört in den Staubsauger und aus dem Satz ist irgendwie der ganze Song entstanden."
    Und dann kamen die Bandkollegen ins kreative Spiel.
    "Dann hatte ich da quasi schon die Akkorde und auch den Rhythmus. Dann bin ich in die Band und hab das vorgespielt. Und das war ziemlich magisch, weil das ist irgendwie in einer Probe ist dann sofort noch die diese Hook-Melodie von der Gitarre im Refrain dazugekommen, die Samuel dann direkt irgendwie dazu gejammt. Dieses (singt Melodie) und so hat sich dann alles verzahnt. Und Janos hat dann noch diesen Bridge-Teil gemacht mit den Celli, die er eingespielt hat. Und Moritz und Aaron haben sich lange unterhalten: Wie könnte man das rhythmisch gut machen? Und wir sind sofort gekommen: Hey, wir brauchen so Claps, die auch so ein bisschen so dieses Flamenco-artige was wir auch bei Rosalia sehr sehr geil finden in der Produktion und haben uns auch da inspirieren lassen."
    Vier Männer stehen vor einer Hochhaussiedlung.
    Fühlen sich inspiriert durch die unterschiedlichsten Genres: Panda Lux (Nils Lucas)
    Rosalia, das ist die spanische Musikerin, die Flamenco mit Hip-Hop, Pop und Dancemusic mischt und damit nicht nur in ihrer Heimat in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erlangt hat. Und zum Ende der Entstehung und Produktion von "Staub" kam noch dieses instrumentale i-Tüpfelchen hinzu:
    "Schlussendlich ist dann, als wir im Studio waren bei Aaron Ahrends, stand da in der Ecke dieser Staubsauger rum. Wir hatten schon länger die Basics von Staub eingespielt und der Song stand schon so im Studio. Dann so: Wir müssen hier einen Staubsauger aufnehmen. Dann haben wir so mit dem teuersten Mikrofon den billigsten Staubsauger wirklich aufgenommen. Und der ist jetzt quasi so als Hintergrund Sound in dieser Hook-Melodie und auch wieder als rhythmisches Element gebraucht."
    Musik: "Staub"
    Ein besonderer Hingucker ist auch das Video zu "Staub". Nicht nur, dass es filmisch gut komponiert und erzählt ist, es hat auch eine zufällige Verbindung zur aktuellen Pandemie-Situation. Geplant wurde es gemeinsam mit Regisseur Yannick Mosimann, Silvan Kuntz als Hauptdarsteller agiert als Einsiedler, der sich freiwillig von der Welt abschottet und sich auf die Apokalypse vorbereitet.
    "Ich sitze da in einem Container. Überall sind die Bildschirme am Blinken und da steht: Evakuieren jetzt. Und ich esse da mein Dosenfutter. Und draußen bin ich mit der Wärmedecke isoliert und einer Gasmaske unterwegs. Das Video haben wir vor dem Ausbruch der Pandemie in Europa gedreht. Und als es dann rauskam, die Bilder, hatten wir nochmal einen viel krasseren Realitätsbezug, weil irgendwie diese Beatmungsgeräte hat man überall in den News gesehen und wir waren auch ultra verunsichert: Können wir das jetzt irgendwie so rausbringen und haben dann uns trotzdem dafür entschieden und das kurz erklärt, die Situation. Tja, wir waren auch perplex, wie auf einmal Fiktion zur Realität wird."
    Die Innenwelten des Silvan Kuntz
    Die Songs auf "fun, fun, fun" haben inhaltlich wenig mit Party, Spaß und Feiern zu tun. Das aktuelle Panda Lux-Album ist vergleichsweise introvertiert, beschäftigt sich mit den Innenwelten des Silvan Kuntz, mit Themen von Selbstfindung, depressiven Verstimmungen, Zurückgezogenheit, Überforderung durch die Sozialen Medien und ihre Informations-Tsunamis, aber auch mit skurrilen Liebes und Anti-Liebessongs, in denen etwa die Geliebte in Salz konserviert wird.
    Musik: "Freunde Sein"
    "Auf alle Fälle habe ich in den letzten Jahren meine depressive Seite kennengelernt und auch dann im Gegensatz die ultra vitale und exzessive Seite, die sich dann so immer im Pendel gegenseitig abgewechselt haben und mir halt krass bewusst geworden, wenn man einsam und isoliert ist, interessiert sich niemanden für einen und man wird auch nicht wahrgenommen. Es fragt niemand: 'Hey, wie gehts?' Und sobald du rausgehst unter die Leute und wieder aktiv bist, dann kommt Feedback von außen und dann bist auf einmal ein Arschloch. 'Und sie sagen Du bist ein Arschloch, ich bin ein Arschloch' usw. Und ja, diese Verschiebung vom Bewusstsein, wie geht es eigentlich einer Person ist krass. Und dass die Leute und ich auch selber oft nicht reflektiere: Wie geht es meinem Gegenüber eigentlich wirklich? Auch wenns grad eben vielleicht mal nix sagt und nicht ein Arschloch ist, dann sollte man eigentlich fragen 'Hey, wie gehts dir so?'. Ja, da geht es um dieses zwiespältige Verhältnis, das ich habe und es eigentlich ein sehr tiefer Song, aber mit einem höchst plakativen Muster natürlich mit diesem ‚Ich bin ein Arschloch‘."
    Und so heißt dieser nachdenkliche, musikalisch elektronisch-experimentelle Song auch "Arschloch". Begonnen hatte alles mit einem kurzen Motiv auf einer alten Trash-Gitarre, die Silvan im Keller gefunden hat und die nur mit einer Seite bespannt war. Dieses auf seinem Smartphone aufgenommene Riff bildete den Ausgangspunkt des Songs.
    Musik: "Arschloch"
    Der Song-Gegenspieler zu "Arschloch" wiederum sei "Optimist", erzählt Silvan – das persönlichste Stück auf dem Album: Mit wavigen Keyboard-Sounds, sehr geradem Groove und roboterhaften Stimmverfremdungen, die an Daft Punk erinnern.
    Im Zoo der Klänge
    "Der Song beleuchtet meine zwei Seelen, die sich auch im Song gegenüberstehen: Wenn ich nicht du wäre, wärst du schon lange nicht mehr bei mir. Und los geht’s mit ‚Ich hab dich nie geliebt. Ich hab dich jahrelang belogen‘ - und da meint man zuerst einmal: Hey, da geht es jetzt wieder um irgendeine Liebesbeziehung oder so, aber es geht um mich selber, um meine zwei Persönlichkeiten. Im Song steckt aber Gott sei Dank auch ein Funken Hoffnung. Weil ich singe am Schluss: 'Es wird nicht schöner, schöner ohne dich' quasi. Ich habe wie auch akzeptiert, mit den beiden Seiten zu leben und ich muss beide zulassen, das ist so ein Einblick in meine Seele, der Song."
    Musik: "Optimist"
    "Also die Lage ist so hier in der Schweiz, dass es von Kanton zu Kanton unterschiedlich ist und es auch deswegen sehr schwer ist für Künstlerinnen und Künstler irgendwie Konzerte zu planen, weil in jedem jeder Stadt sind wieder andere Regeln. Wir haben aber unsere Plattentaufe gemacht im Palas in Sankt Gallen mit Streich-Ensemble. Die Tickets waren stark limitiert. Deswegen haben wir dann zwei Konzerte gemacht."
    "Also es finden Konzerte statt, aber es natürlich finanziell sehr schwierig, dann mit den wenigen Tickets die Kosten für alle zu decken. Das ist eigentlich unmöglich. Also es ist eine sehr schwierige Lage, aber wir wollten einfach unbedingt Konzerte spielen."
    "Nach wie vor muss man immer abwarten, was sind die Änderungen - aber wir wollen spielen und wir wollen die Musik nach außen tragen, die wir jetzt gemacht haben. Aber ja, die Situation ist natürlich nicht einfach."