Beatrix Novy: Seit 1999 die NATO Serbien bombardierte, um die Angriffe auf Kosovo-Albaner zu beenden, ist der Status der Region ungeklärt. In diesen Tagen geht es auf eine Entscheidung zu, über die Unabhängigkeit der Region, der Belgrad nicht zustimmen wird. Eine einseitige Erklärung steht also bevor. Beqe Cufai lebt in Stuttgart, ist aber 1970 in Decan, im Kosovo, geboren. Er ist Schriftsteller, und mit ihm habe ich über die Lage dort gesprochen und über die Stimmung zunächst mit der Frage, ob es seit 1999 eine eigene kosovarische Kulturentwicklung gegeben hat.
Beqe Cufai: Man sollte da sehr aufpassen, wenn man diesen Abschnitt versucht, sozusagen zu machen, was ist da passiert, seitdem, dass die Internationale Gemeinschaft präsent ist, und zwar von Militärpräsenz, also NATO, Stichwort KFOR, bis zur UNO-Administration. Eine Tatsache ist, dass es in diesem Land etwas Furchtbares passiert ist, und das hat angefangen 1989 mit der Aufhebung von Autonomie. Dann aber waren zehn Jahre dazwischen, wo wirklich nichts passiert ist oder nichts sozusagen bewegt hat, auch oder besonders in diesem Kulturleben. Man kann ja mit dem leeren Bauch und mit dem Gewehr über dem Kopf keine Kultur machen, und das war der Fall mit der kosovarischen Gesellschaft während des Regimes von Slobodan Milosevic zehn Jahre lang.
Novy: Eben deshalb könnte man annehmen, dass sich das nach 1999, 2000 geändert hat?
Cufai: Ganz genau. Und da stellt sich jetzt die Frage: Was ist passiert 1999? 1999 waren die jungen Generationen da, die eigentlich dieses virtuelle Leben zehn Jahre lang sozusagen geführt haben durch ein wenig Fernsehen, ein wenig Internet und vor allem ein wenig Fremdsprachen.
Die Ausländer, die vor Ort da sind, die wundern sich immer, dass die jungen Albaner englisch, aber auch vor allem deutsch sprechen können, schreiben können. Und in der Richtung sieht man einerseits die jüngeren Leute, die eigentlich schon die Sprachen können und damit umgehen können und diesen prowestlichen Flair sozusagen haben, aber andererseits die Väter und die älteren Generationen, die stehen geblieben sind, weil die ja zehn Jahre lang außer Betrieb waren und jetzt sehr, sehr schwer es haben, sich zu verknüpfen in diesen Kulturentwicklungen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In diesen Tagen findet in Pristina ein Film- und Theaterfestival statt, und das ist sehr berühmt, sehr bekannt, also nicht nur in Pristina, in Kosova selbst, sondern in der ganzen Region, das nennt man " Skena-up", das ist so was auf Deutsch Universitätsszene. Und da können Sie - Wenn Sie sehen, was da für ein Programm ist, was für Anbietungen da sind, da sollte man sich schon wundern, dass Filme von Israel bis zu Deutschland und auch Serbien, Kurzfilme, Dokumentarfilme, Spielfilme, etwa 100 Stück oder auch Theaterstücke, etwa 30 vom Iran über Deutschland, wieder Amerika, also europaweit - Und das haben alle Jungs und Mädchen aus diesem Pristina, aus diesem kosovarischen Raum, durch diesen virtuellen Wunsch und Möglichkeit, das zu organisieren, weil Sie müssen auch davon ausgehen, dass das ganze Gebiet immer noch in einem Ausnahmezustand ist, weil die Leute nicht verreisen können und trotzdem gibt es ja die Versuche, diesen Teufelskreis durchzubrennen durch solche Organisationen.
Novy: Und die Fühler werden also keineswegs nur in Richtung Westen ausgestreckt. Sie haben kurz gesagt, auch Filme aus Serbien sind dabei, und überhaupt sind ja Kulturschaffende an nationalen Grenzen genuin nicht interessiert, man will ja kosmopolitisch sein. Gibt es aber nun auch Kontakte zu serbischen Kollegen, gibt es Kulturaustausch mit Serbien?
Cufai: Aber natürlich. Also das ist jetzt kein Tabu mehr. Das Problem ist, dass hier, wenn über den Balkan und besonders über Kosova gesprochen wird, man denkt immer an 1999 und an diese schreckliche Zeit, wo zuerst die Serben, also das serbische Regime losgeschossen hat, und die Albaner dann natürlich mit Racheakten zurückgeschossen haben. Es ist aber nicht so. Es haben zahlreiche, ich würde sagen, tausende Treffen und Kulturaustausche in der Zwischenzeit stattgefunden, von Konferenzen und Roundtables in diesem zivilgesellschaftlichen Bereich bis zu Filmfestivals. Also es sind auch serbische Schauspieler im Nationalen Theater aufgetreten.
Das Hauptproblem ... aber da müssen wir den großen Unterschied schon sehen, und der Unterschied liegt darin, dass diese Richtung zwischen urbanen Milieus aus Belgrad, also Kulturschaffenden, und aus Pristina oder eben auch aus Prizren läuft. Das Hauptproblem, das wir haben, ist aber eher eine soziale Geschichte, und zwar es geht darum, was macht man mit ganz gewöhnlichen, serbischen Einwohnern, die immer noch aus Kosova vor allem stehen geblieben sind und überhaupt kein Interesse haben, natürlich, und auch vielleicht die Möglichkeit, sich an Kultur anzuknüpfen.
Novy: Zum Kosovo war das der Schriftsteller Beqe Cufai.
Beqe Cufai: Man sollte da sehr aufpassen, wenn man diesen Abschnitt versucht, sozusagen zu machen, was ist da passiert, seitdem, dass die Internationale Gemeinschaft präsent ist, und zwar von Militärpräsenz, also NATO, Stichwort KFOR, bis zur UNO-Administration. Eine Tatsache ist, dass es in diesem Land etwas Furchtbares passiert ist, und das hat angefangen 1989 mit der Aufhebung von Autonomie. Dann aber waren zehn Jahre dazwischen, wo wirklich nichts passiert ist oder nichts sozusagen bewegt hat, auch oder besonders in diesem Kulturleben. Man kann ja mit dem leeren Bauch und mit dem Gewehr über dem Kopf keine Kultur machen, und das war der Fall mit der kosovarischen Gesellschaft während des Regimes von Slobodan Milosevic zehn Jahre lang.
Novy: Eben deshalb könnte man annehmen, dass sich das nach 1999, 2000 geändert hat?
Cufai: Ganz genau. Und da stellt sich jetzt die Frage: Was ist passiert 1999? 1999 waren die jungen Generationen da, die eigentlich dieses virtuelle Leben zehn Jahre lang sozusagen geführt haben durch ein wenig Fernsehen, ein wenig Internet und vor allem ein wenig Fremdsprachen.
Die Ausländer, die vor Ort da sind, die wundern sich immer, dass die jungen Albaner englisch, aber auch vor allem deutsch sprechen können, schreiben können. Und in der Richtung sieht man einerseits die jüngeren Leute, die eigentlich schon die Sprachen können und damit umgehen können und diesen prowestlichen Flair sozusagen haben, aber andererseits die Väter und die älteren Generationen, die stehen geblieben sind, weil die ja zehn Jahre lang außer Betrieb waren und jetzt sehr, sehr schwer es haben, sich zu verknüpfen in diesen Kulturentwicklungen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In diesen Tagen findet in Pristina ein Film- und Theaterfestival statt, und das ist sehr berühmt, sehr bekannt, also nicht nur in Pristina, in Kosova selbst, sondern in der ganzen Region, das nennt man " Skena-up", das ist so was auf Deutsch Universitätsszene. Und da können Sie - Wenn Sie sehen, was da für ein Programm ist, was für Anbietungen da sind, da sollte man sich schon wundern, dass Filme von Israel bis zu Deutschland und auch Serbien, Kurzfilme, Dokumentarfilme, Spielfilme, etwa 100 Stück oder auch Theaterstücke, etwa 30 vom Iran über Deutschland, wieder Amerika, also europaweit - Und das haben alle Jungs und Mädchen aus diesem Pristina, aus diesem kosovarischen Raum, durch diesen virtuellen Wunsch und Möglichkeit, das zu organisieren, weil Sie müssen auch davon ausgehen, dass das ganze Gebiet immer noch in einem Ausnahmezustand ist, weil die Leute nicht verreisen können und trotzdem gibt es ja die Versuche, diesen Teufelskreis durchzubrennen durch solche Organisationen.
Novy: Und die Fühler werden also keineswegs nur in Richtung Westen ausgestreckt. Sie haben kurz gesagt, auch Filme aus Serbien sind dabei, und überhaupt sind ja Kulturschaffende an nationalen Grenzen genuin nicht interessiert, man will ja kosmopolitisch sein. Gibt es aber nun auch Kontakte zu serbischen Kollegen, gibt es Kulturaustausch mit Serbien?
Cufai: Aber natürlich. Also das ist jetzt kein Tabu mehr. Das Problem ist, dass hier, wenn über den Balkan und besonders über Kosova gesprochen wird, man denkt immer an 1999 und an diese schreckliche Zeit, wo zuerst die Serben, also das serbische Regime losgeschossen hat, und die Albaner dann natürlich mit Racheakten zurückgeschossen haben. Es ist aber nicht so. Es haben zahlreiche, ich würde sagen, tausende Treffen und Kulturaustausche in der Zwischenzeit stattgefunden, von Konferenzen und Roundtables in diesem zivilgesellschaftlichen Bereich bis zu Filmfestivals. Also es sind auch serbische Schauspieler im Nationalen Theater aufgetreten.
Das Hauptproblem ... aber da müssen wir den großen Unterschied schon sehen, und der Unterschied liegt darin, dass diese Richtung zwischen urbanen Milieus aus Belgrad, also Kulturschaffenden, und aus Pristina oder eben auch aus Prizren läuft. Das Hauptproblem, das wir haben, ist aber eher eine soziale Geschichte, und zwar es geht darum, was macht man mit ganz gewöhnlichen, serbischen Einwohnern, die immer noch aus Kosova vor allem stehen geblieben sind und überhaupt kein Interesse haben, natürlich, und auch vielleicht die Möglichkeit, sich an Kultur anzuknüpfen.
Novy: Zum Kosovo war das der Schriftsteller Beqe Cufai.