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Die Schwierigkeiten mit der "Wasserkultur"

Ich kann mir das schwer vorstellen, dass ich jetzt einfach jetzt wieder das Wasser laufen lasse, weil wir ja genug haben, weißt du? Das hat mich echt beeindruckt, das man das auch so sehen kann, weil ich habe noch nie so drüber nachgedacht. Ich habe mich erst gefreut, wir brauchen weniger Wasser.... Ja, das war echt komisch!

Ludger Fittkau |
    Was die aus Belgien stammende Darmstädter Doktorandin Dominique Gillebeert echt komisch fand, war eine These des Vortrages ihres Kollegen Christian Hähnlein, eines Wasserbau-Ingenieurs im Doktorandencamp. Sie lautet: Hierzulande mache es zur Zeit keinen Sinn, Wasser zu sparen, sondern vor allem im ostdeutschen Wassernetz müsse öfter einmal zusätzlich kräftig durchgespült werden, um eine Bakterienbildung in den Leitungen zu verhindern. Der Grund: Teilweise stimme in den neuen Bundesländer der Wasserdruck nicht, das Frischwasser steht manchmal deshalb zu lange im Leitungsnetz.

    Wasserbau-Doktorand Christian Hähnlein arbeitet nun an einem
    computergesteuertes Programm, um die Qualität des Trinkwassers in den Wasserleitungen jederzeit kontrollieren zu können. Denn zum Beispiel die Bakterienbildung kann bisher nicht "online" überwacht werden:

    Es wäre im Prinzip für jeden Wasserversorger, der ein größeres Verteilnetz betreibt, wichtig zu wissen, wie der Zustand im Netz aktuell ist, sprich die Wasserqualität und die hydraulischen Verhältnisse im Netz, um dementsprechend das Netz optimal zu betreiben.

    Die Projektvorstellungen der Wasserbauer und Umwelttechniker im Doktorandencamp fanden nun anderthalb Tage lang unter internationaler Beobachtung statt- auch das ist eine Besonderheit. Der im dänischen Aalborg lehrende amerikanische Technikphilosoph Andrew Jamison war nach Darmstadt eingeladen worden, um die Promotionsprojekte zu beurteilen und Tipps zu geben. Dem amerikanischen Wissenschaftsstil entsprechend sprach Jamison offene Worte und stellte bohrende Fragen –zum Beispiel zum Projekt von Christian Hähnlein:

    Wo sind die potentiellen Nutzer, wo ist der potentielle Markt?
    Wenn da diese großen Probleme sind, das Menschen wegen verschmutzten Trinkwassers sterben, wie kann Ihr Modell dann wirklich zur Anwendung kommen. Beweisen Sie, dass Ihr Modell da wirklich helfen kann! Es ist für mich noch nicht ganz klar!


    Das marode Wassersystem der syrischen Stadt Aleppo nannte der Wasserbauer Christian Hähnlein dann als Beispiel, um den Sinn seiner computergesteuerten Überwachung der Wasserleitungen zu verdeutlichen. Die undichten Leitungen in Aleppo verlieren fast die Hälfte des Frischwassers. Gesundheitsgefährdend wird es dann, wenn wiederum von außen verschmutztes Wasser durch die defekten Rohre in die Leitungen dringt - was durchaus vorkommen könne, so Hähnlein. Deshalb müsse gerade in ärmeren Ländern die Wasserversorgung jederzeit kontrolliert werden können, dazu werde seine Arbeit im Doktorandencamp beitragen – davon ist der Wasserbauer überzeugt.

    Der Amerikaner Andrew Jamison war mit dieser Antwort noch nicht zufrieden.
    Er müsse sich auch darum kümmern, wie seine Technik wirklich in den Ländern der Armen zur Anwendung kommen könne, forderte er von Christian Hähnlein:

    Die Weltgesundheitsorganisation hat ein großes Interesse an diesem Modell. Was könnte also nötig sein für die WHO, um das Modell auch zu benutzen? Um das rauszufinden, haben Sie noch einiges zu tun, zum Beispiel mit der WHO zu reden!

    Im Doktorandencamp wurde auch grundsätzlich über den Begriff der "Wasserkultur" diskutiert. Dabei wurde klar: Wenn man im Umgang mit dem Wasser Verhaltensweisen radikal ändern will, stößt man auf das Problem, dass unser Verhältnis zum Wasser im wörtlichen Sinne unterirdisch und damit oft auch unbewußt ist, so Umweltingenieur Steffen Koch:

    Der Begriff der Wasserkultur existiert schon: Andererseits gibt es auch einen sehr treffenden Buchtitel: Im Bauch der Stadt. Hier wird die Situation in Frankfurt beschrieben, dass es eigentlich Dinge sind, die alle unter der Erdoberfläche ablaufen. Wo man das nicht vor Augen geführt bekommt, was da eigentlich abläuft und was dahinter steckt.

    Was im Bauch der Stadt geschähe, sei aber nicht in erster Linien Sache der Ingenieure, sondern vor allem auch der Kommunen und der zunehmend globalisierten Wasserkonzerne, versuchte vor allem Andrew Jamison im Doktorandencamp zu vermitteln. Diesen Zusammenhang müsse ein Graduiertenkolleg, das "Technisierung und Gesellschaft" heiße, ganz oben auf die Forschungsagenda stellen. Nicht einfach, findet Christian Hähnlein:

    Es ist nur als Ingenieur schwer umzusetzen, weil man von der Bildung her, von der Ausbildung her ganz andere Ansatzpunkte hat, von der Sichtweise her oder von den Themen. Und die gesellschaftliche Relevanz oder die ökonomische Relevanz ist natürlich vom Studium her vernachlässigt worden. Deshalb ist das eine Herausforderung, auf jeden Fall, solche Aspekte mit zu berücksichtigen.