Archiv


Die Sommeroffensive der Jungkommunisten

Die kubanische Jugend kehrt der Politik immer mehr den Rücken. Schlimmer noch: Den politischen Massenorganisationen laufen die Mitglieder davon. Denn im Jahre 49 der Revolution scheint der Generationswechsel zum ersten Mal nicht stattfinden zu wollen. Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat die höchstoffizielle UJC letzten Monat eine Sommeroffensive gestartet, die bis Anfang September andauern wird. Dabei wird versucht, die Jugend durch Hard-Rock-Konzerte, Lesungen oder Strand-Spiele anzulocken.

Von Guillaume Decamme |
    Wenn es in Havanna dunkel wird, streiten sie um die besten Bankplätze an der "Avenida de los Presidentes". Sie sind 18, 19 Jahre alt, tragen hippe Klamotten und haben sich selbst "Freakies" getauft - die Außenseiter. Dass Sergio, Ruben und ihre Freunde sich einen englischen Namen ausgesucht haben, ist kein Zufall. Zwar verstehen sie nicht, worum es in den Songtexten geht, doch reicht ihr Gedächtnis aus, um die Lieder amerikanischer Bands wie "Nirvana" um 3 Uhr Morgens auf offener Strasse phonetisch wider zu geben. Übermäßiger Alkoholkonsum hat damit allerdings nichts zu tun. Da haben die "Freakies" mit dem Durchschnittskubaner etwas gemeinsam: Sie haben viele Sorgen und wenig Geld. Ruben verdient 400 Pesos monatlich, umgerechnet 15 Euro. Für die beliebte Flasche Rum reicht das meistens nicht.

    " Manchmal tun wir uns zusammen, und werfen unser ganzes Geld in einen Topf. Zu viert kommen wir dann auf 70 Pesos. Das reicht oft schon für eine Flasche Rum. Ja, und irgendwie schaffen wir es immer, genug Kohle zusammenzukratzen."

    Ruben hat nicht viel Geld, dafür aber reichlich Zeit - an oberster Stelle steht die Musik, dann kommen die Freunde. Den letzten Platz nehmen die Computerspiele ein. Etwas anderes finde in seinem Leben nicht statt, sagt der 18jährige. Am Allerwenigsten - Politik. Wozu denn auch? fragt sein Freund Sergio, der 17 Jährige, der nicht mehr daran glaubt, dass die Politiker seine Lebenszustände verbessern können.
    " Kuba ist auf einem sehr schlechten Weg. Früher ging es noch einiger maßen, aber heute geht es uns wirklich nicht gut. Durch die verschärften Polizei-Kontrollen, ist es zum Beispiel nicht mehr möglich, ein paar Groschen illegal zu verdienen. Ja, uns es geht schlechter als je zuvor."

    Doch ist Sergio nach wie vor von den Idealen der Kubanischen Revolution überzeugt. Das kostenlose Gesundheits- und Schulsystem zum Beispiel, das sei beispielhaft.

    Der 29 jährige Jesus, der mit Sergio und Ruben eigentlich nichts zu tun hat und die "Freakies" nur vom Hörensagen kennt, sieht das anders. Als Arzt verdient er 1000 Pesos monatlich. Das ist doppelt soviel wie der Durchschnittslohn. Und doch kann Jesus über die ökonomische Lage Kubas nicht genug klagen.

    " Im Moment sehe ich überhaupt nicht, wie sich die Lage verändern könnte. Alle dachten, dass die Machtübergabe von Fidel an Raul Castro einer kleinen Öffnung nach außen gleichkäme. Da aber Fidel durch seine Meinungsartikel in der Presse weiterhin seinen Senf dazugibt, wird sich nichts ändern. "

    Dass Jesus und ein Teil seiner Generation Politik verdrossen sind, ist sogar Fidel Castro zu Ohren gekommen. Im Juni veröffentlichte das genesende Staatsoberhaupt einen Artikel, in dem er seiner Sorge Luft machte. Die kubanische Jugend könnte der Revolution eine Absage erteilen. Julio Martinez, dem Vorsitzenden der Union de los Jovenes Communistas, kam der Artikel einem dringenden Appell gleich.

    " Fidel Castro hat der kubanischen Jugend erneut sein volles Vertrauen ausgesprochen. Das ist sehr wichtig, gerade jetzt, da Kuba um seine Weiterentwicklung kämpft und sich für eine bessere Welt einsetzt. Fidel hat die Jugend dazu aufgerufen, sich dafür stark zu machen, dass in Kuba die Revolution und der Sozialismus fortbestehen."

    Da Fidel Castros Wort den Jungkommunisten Befehl ist, wurde in diesem Jahr eine Sommerkampagne aus dem Boden gestampft. Zwar bietet die junge Garde den meist mittellosen Jugendlichen jeden Sommer ein Ferienprogramm an. Doch 2007 sollte etwas Besonderes werden. Bis Anfang September finden Rock und Rapkonzerte, Lesungen, Strandspiele und Sportveranstaltungen auf der ganzen Insel statt. Dabei geht es nicht nur um Kultur und körperliche Ertüchtigung - meint Yoan Cabo Mijarles, der Chef der Jungkommunisten in Havanna.

    " Die Aufgabe der Jungkommunisten besteht größten teils darin, sich um die Jugendlichen zu kümmern und ihnen Unterhaltung anzubieten - ob Mitglieder oder nicht. Natürlich erhoffen wir uns, dass die Nichtmitglieder durch unsere Arbeit auf den Geschmack kommen und unserer Organisation beitreten. Darüber hinaus hat uns Fidel Castro auf unserem letzten Kongress deutlich gemacht, wie wichtig unser Unterhaltungsangebot für die kubanische Jugend ist."

    An diesem Samstagabend bringen die fünf Hardrocker von "Zeus" den Malecon, die Seepromenade der kubanischen Hauptstadt, zum Kochen. Politik hat in den Texten von "Zeus" nicht viel verloren. Und doch. Ein Paar Hundert Meter vor der Bühne sind sie da, die Jungkommunisten. Sie haben das Konzert mitorganisiert. Mit ihren überdimensionalen Che Guevara-Plakaten und roten Fahnen versuchen sie auf ihren Stand aufmerksam zu machen. Mit wenig Erfolg - glaubt man Daniel, einem Konzert-Besucher.

    " Nein, Politik interessiert mich überhaupt nicht. Und die Jungkommunisten...die tun hier, was sie wollen. Sie haben das Sagen. "

    Auch für Juan Carlos gehören Musik und Politik nicht zusammen.

    " Also, wir mischen nie Musik und Politik. Rock muss frei und spontan sein! Ich glaube, man begeht einen großen Fehler, wenn Rock und Politik miteinander gemischt werden. Es ist ja immer so gewesen: Rock ist die spontanste Art, Kunst zu machen. Und ich denke, es ist sowieso schlecht, Politik mit allem zu vermischen."

    Marylin hat an diesem Abend Dienst am Stand. Sie trägt das obligatorische rote T-shirt mit dem Logo der Jungkommunisten. Marylin ist seit zwei Jahren Mitglied in der Organisation - aus Überzeugung, wie sie sagt. Dass der Stand nahezu leer ist, sei normal, meint sie. Schließlich geht es hier um Musik, nicht um Politik.

    " Nein, dieses Konzert ist lediglich eine kulturelle Veranstaltung. Es geht nicht um Politik. Das hier ist Musik."

    Als man Marilyn fragt, wie viele Konzertbesucher am Stand schon Halt gemacht haben, zeigt die junge Frau mit dem Daumen nach unten. Noch ist der Sommer aber nicht zu Ende. Die Jungkommunisten haben bis zum Schulbeginn noch Zeit, um dem kubanischen Nachwuchs das politische Engagement zugunsten der Revolution schmackhaft zu machen.