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Die Sopranistin Victoria de los Angeles
Im Reich der Zwischentöne

Nuancenreich, lockend und dennoch diskret, dosiert und trotzdem verführerisch: So sang Victoria de los Angeles 1958 die Titelpartie in Georges Bizets "Carmen". Fast hätte sie die Plattenproduktion unter Thomas Beecham platzen lassen. Denn als sie der bärbeißigen Art des Maestros überdrüssig war, stand sie freundlich auf, packte zuerst ihre Noten, dann ihre Koffer und reiste klammheimlich ab.

Von Christoph Vratz |
    Die Sopranistin Victoria de los Angeles als "Mimi" in Puccinis "La Bohème".
    Ergreifende "Mimi" in Puccinis "Bohème": Victoria de los Angeles (imago / United Archives)
    Erst ein Jahr später konnte das Opernprojekt nach gutem Zureden zu Ende gebracht werden. Dabei war de los Angeles alles andere als eine Rebellin. Als Victoria Gomez Cima kam sie am Allerheiligentag 1923 in Barcelona zur Welt. Für ihren Studiengang benötigte sie nur drei anstatt der sonst üblichen sechs Jahre. Nie besaß die Sopranistin jenes schwindelerregende Bedürfnis nach Rampen- und Blitzlicht wie die Callas.

    Abseits ihrer großen Opernerfolge hat sie sich zeitlebens für das spanische Volkslied eingesetzt und diesem auch außerhalb seiner Landesgrenzen zu großer Popularität verholfen. Vor zehn Jahren ist Victoria de los Angeles in ihrer Geburtsstadt gestorben.