Die Jacobstraße in Brandenburg an der Havel, der Stadt, die dem Bundesland den Namen gab. Eine ruhige Straße in der drittgrößten Stadt Brandenburgs. Die Apotheke an der Ecke steht leer, im Fenster ein Schild mit der Telefonnummer eines Maklers aus Berlin. Die Nummer zwölf, zartgrün gestrichen, ist das Haus der Begegnung. Die "Akademie Zweite Lebenshälfte" ist dort untergebracht, es gibt einen Senioren-Computerklub und den Karnevalsverein "Club Havelnarren e.V." Hauptmieter aber ist die Volkssolidarität.
Der lang gezogene Versammlungsraum im ersten Stock beherbergt die Bibliothek, die Wände stehen voller Bücherregale. Auf den Tischen Kunstrosen in kleinen Tontöpfen mit Aufklebern der Volkssolidarität, Kaffee und halbe belegte Brötchen. Heute gibt es einen Geburtstag eines Mitgliedes zu feiern:
"Herzlichen Glückwunsch, alles, alles Gute, weiterhin erfolgreiche Arbeit in der Volkssolidarität und viele, viele, viele Jahre mit Freunden, Angehörigen und-und-und.
Applaus."
Der Geburtsstunde der Volkssolidarität schlug im Oktober 1945. Als nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland soziale Not und Elend herrschten. Zu DDR-Zeiten widmete sich die VS-abgekürzte Organisation hauptsächlich der Betreuung älterer Menschen. Diese Aufgabe wurde auch nach der Wiedervereinigung beibehalten. Aus Rentnerbrigaden mit "politisch-propagandistischen Implikationen" wie Freundschaft zur Sowjetunion und einer geförderten "Abneigung gegen den Imperialismus" wurde ein Sozial- und Wohlfahrtsverband, der sich um alte Leute kümmert, die zu vereinsamen drohen, medizinische Hilfe vermittelt und regelmäßige Treffen veranstaltet, - quasi ein Reparaturbetrieb des Kapitalismus?
"Nein-nein-nein. Warum ein Reparaturbetrieb? Jawohl, wir setzen uns vorwiegend ein für soziale Belange älterer Menschen, aber sind natürlich auch kritisch, dort wo es unsere Aufgaben oder Vorstellungen nicht erfüllt werden, was die sozialen Belange angeht."
Sagt Wolfgang Leis, stellvertretender Landesvorsitzender und Mitglied im Stadtverband der Volkssolidarität Brandenburg (Havel). Sein Verband gibt sich überkonfessionell und überparteilich, seine Klientel aber ist eigentlich das ideale Wähler-Milieu der Linken:
"Aber ihre Zielstellungen, ihre Vorstellungen, was das Land Brandenburg angeht, sehe ich durch aus sie als einen Partner auch für uns als Volkssolidarität, mit der man gut zusammenarbeiten kann."
Auch Ursula Trautmann vom Landesseniorenrat geht hier aus und ein. Seit 2009 wird das Land Brandenburg rot-rot regiert; das macht sich bemerkbar, sagt sie:
"Wir haben immer wieder das Gefühl, dass sozialer gedacht wird, wir stehen auch zur Politik dieser Landesregierung, das muss ich erstmal sagen, weil sie sozial ist, und sich bemüht, gerecht zu sein."
Auch wenn Trautmann kein Parteimitglied ist, die Befürchtung vieler Westdeutscher, mit der Linken in der Regierung seien in Brandenburg wieder die Kommunisten an der Macht, teilt sie nicht:
"Nein, ich sehe das eher mit Schmunzeln, und eigentlich auch ein bisschen auch mit dem Hintergrund: ihr habt das noch nicht begriffen! Ihr habt die Demokratie noch nicht begriffen. Die ist jetzt da, wir reden alle von Demokratie. Und wir müssen das machen, was das Volk will."
Und das Volk wies bei der letzten Landtagswahl - für viele Westdeutsche unvorstellbar - der Linken in der Wählergunst den zweiten Platz nach den Sozialdemokraten zu. Jüngst aber machte die Linkspartei durch Personalquerelen um die Bundesspitze und heftige Gegensätze zwischen Ost und West auf sich aufmerksam.
Kerstin Huch, die Vorsitzende des VS-Stadtverbandes vertritt auch in Personalunion die Linken im Stadtparlament. Die Entwicklung der letzten Zeit und die Diskussionen über eine mögliche Spaltung ihrer Partei bereiten ihr Sorgen:
"Das kommt da sicherlich auch weil die aus geschichtlicher Erfahrung andere Lebenszusammenhänge, andere Vergangenheit: die einen kommen aus der Gewerkschaftsbewegung, die anderen direkt aus der PDS, und da gibt's sicherlich Schwierigkeiten, es gibt andere Vorstellungen und wie es halt so ist: es sind alles Menschen."
Das gelte auch für die neue Parteispitze unter Katja Kipping und Bernd Riexinger:
"Einige versuchen sicherlich auch sich zu profilieren und da ist man natürlich nicht begeistert, wenn der Inhalt dann zu kurz kommt."
Politisch gehen Volkssolidarität und LINKE in eine Richtung, sie kämpfen gegen Sozialabbau und Rentenkürzungen. Verband wie Partei tun sich schwer damit, im Westen Fuß zu fassen - und sie leiden unter Überalterung und Mitgliederschwund: In zehn Jahren verlor die VS in Brandenburg fast zwei Drittel der Mitglieder. Durchschnittsalter nun: über 75. Für Wolfgang Leis ist klar:
"Das hohe Durchschnittsalter, wir haben eine hohe Sterblichkeitsrate, Nachwuchs fehlt, Beitragsgelder werden weniger und man hat weniger zum Ausgeben."
Aktuell geht es um die Zukunft des Hauses der Begegnung. Die private Alfred-Flakowski-Stiftung, der das Gebäude gehört, möchte gerne mehr Geld bei den Mietern eintreiben, da der Unterhalt des Hauses langsam das Stiftungsvermögen auffrisst.
Bislang mussten die Vereine und Organisationen lediglich die Betriebskosten zahlen, künftig sollen sie monatlich drei Euro pro Quadratmeter Miete blechen, macht bei 650 Quadratmetern Fläche fast 2000 Euro. Eine Summe, die die Volkssolidarität nicht aufbringen kann. Kerstin Huch:
"Es beruht alles nur auf ehrenamtlicher Basis. Denn wir haben nur zwei hauptamtliche Mitarbeiter für die 1100 Mitglieder und da ist es nicht so einfach, aber wir versuchen eben alles Mögliche."
Der lang gezogene Versammlungsraum im ersten Stock beherbergt die Bibliothek, die Wände stehen voller Bücherregale. Auf den Tischen Kunstrosen in kleinen Tontöpfen mit Aufklebern der Volkssolidarität, Kaffee und halbe belegte Brötchen. Heute gibt es einen Geburtstag eines Mitgliedes zu feiern:
"Herzlichen Glückwunsch, alles, alles Gute, weiterhin erfolgreiche Arbeit in der Volkssolidarität und viele, viele, viele Jahre mit Freunden, Angehörigen und-und-und.
Applaus."
Der Geburtsstunde der Volkssolidarität schlug im Oktober 1945. Als nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland soziale Not und Elend herrschten. Zu DDR-Zeiten widmete sich die VS-abgekürzte Organisation hauptsächlich der Betreuung älterer Menschen. Diese Aufgabe wurde auch nach der Wiedervereinigung beibehalten. Aus Rentnerbrigaden mit "politisch-propagandistischen Implikationen" wie Freundschaft zur Sowjetunion und einer geförderten "Abneigung gegen den Imperialismus" wurde ein Sozial- und Wohlfahrtsverband, der sich um alte Leute kümmert, die zu vereinsamen drohen, medizinische Hilfe vermittelt und regelmäßige Treffen veranstaltet, - quasi ein Reparaturbetrieb des Kapitalismus?
"Nein-nein-nein. Warum ein Reparaturbetrieb? Jawohl, wir setzen uns vorwiegend ein für soziale Belange älterer Menschen, aber sind natürlich auch kritisch, dort wo es unsere Aufgaben oder Vorstellungen nicht erfüllt werden, was die sozialen Belange angeht."
Sagt Wolfgang Leis, stellvertretender Landesvorsitzender und Mitglied im Stadtverband der Volkssolidarität Brandenburg (Havel). Sein Verband gibt sich überkonfessionell und überparteilich, seine Klientel aber ist eigentlich das ideale Wähler-Milieu der Linken:
"Aber ihre Zielstellungen, ihre Vorstellungen, was das Land Brandenburg angeht, sehe ich durch aus sie als einen Partner auch für uns als Volkssolidarität, mit der man gut zusammenarbeiten kann."
Auch Ursula Trautmann vom Landesseniorenrat geht hier aus und ein. Seit 2009 wird das Land Brandenburg rot-rot regiert; das macht sich bemerkbar, sagt sie:
"Wir haben immer wieder das Gefühl, dass sozialer gedacht wird, wir stehen auch zur Politik dieser Landesregierung, das muss ich erstmal sagen, weil sie sozial ist, und sich bemüht, gerecht zu sein."
Auch wenn Trautmann kein Parteimitglied ist, die Befürchtung vieler Westdeutscher, mit der Linken in der Regierung seien in Brandenburg wieder die Kommunisten an der Macht, teilt sie nicht:
"Nein, ich sehe das eher mit Schmunzeln, und eigentlich auch ein bisschen auch mit dem Hintergrund: ihr habt das noch nicht begriffen! Ihr habt die Demokratie noch nicht begriffen. Die ist jetzt da, wir reden alle von Demokratie. Und wir müssen das machen, was das Volk will."
Und das Volk wies bei der letzten Landtagswahl - für viele Westdeutsche unvorstellbar - der Linken in der Wählergunst den zweiten Platz nach den Sozialdemokraten zu. Jüngst aber machte die Linkspartei durch Personalquerelen um die Bundesspitze und heftige Gegensätze zwischen Ost und West auf sich aufmerksam.
Kerstin Huch, die Vorsitzende des VS-Stadtverbandes vertritt auch in Personalunion die Linken im Stadtparlament. Die Entwicklung der letzten Zeit und die Diskussionen über eine mögliche Spaltung ihrer Partei bereiten ihr Sorgen:
"Das kommt da sicherlich auch weil die aus geschichtlicher Erfahrung andere Lebenszusammenhänge, andere Vergangenheit: die einen kommen aus der Gewerkschaftsbewegung, die anderen direkt aus der PDS, und da gibt's sicherlich Schwierigkeiten, es gibt andere Vorstellungen und wie es halt so ist: es sind alles Menschen."
Das gelte auch für die neue Parteispitze unter Katja Kipping und Bernd Riexinger:
"Einige versuchen sicherlich auch sich zu profilieren und da ist man natürlich nicht begeistert, wenn der Inhalt dann zu kurz kommt."
Politisch gehen Volkssolidarität und LINKE in eine Richtung, sie kämpfen gegen Sozialabbau und Rentenkürzungen. Verband wie Partei tun sich schwer damit, im Westen Fuß zu fassen - und sie leiden unter Überalterung und Mitgliederschwund: In zehn Jahren verlor die VS in Brandenburg fast zwei Drittel der Mitglieder. Durchschnittsalter nun: über 75. Für Wolfgang Leis ist klar:
"Das hohe Durchschnittsalter, wir haben eine hohe Sterblichkeitsrate, Nachwuchs fehlt, Beitragsgelder werden weniger und man hat weniger zum Ausgeben."
Aktuell geht es um die Zukunft des Hauses der Begegnung. Die private Alfred-Flakowski-Stiftung, der das Gebäude gehört, möchte gerne mehr Geld bei den Mietern eintreiben, da der Unterhalt des Hauses langsam das Stiftungsvermögen auffrisst.
Bislang mussten die Vereine und Organisationen lediglich die Betriebskosten zahlen, künftig sollen sie monatlich drei Euro pro Quadratmeter Miete blechen, macht bei 650 Quadratmetern Fläche fast 2000 Euro. Eine Summe, die die Volkssolidarität nicht aufbringen kann. Kerstin Huch:
"Es beruht alles nur auf ehrenamtlicher Basis. Denn wir haben nur zwei hauptamtliche Mitarbeiter für die 1100 Mitglieder und da ist es nicht so einfach, aber wir versuchen eben alles Mögliche."