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Die Soziologie entdeckt den Mann

"Dein Mann, das unbekannte Wesen" so titelte Oswalt Kolle bereits 1970 seinen berühmten Aufklärungsfilm. Noch immer scheint der Mann der Frau Rätsel aufzugeben, wie eine neue Studie belegt. Sie vergleicht die Männerbilder von Männern und Frauen, die sich offenbar gehörig unterscheiden.

Von Anja Arp |
    Wann ist der Mann ein Mann.

    "Wir wissen relativ genau über Frauen Bescheid und wir wissen damit indirekt einiges über Männer. Wir wissen auch einiges über bestimmte männliche Teilgruppen. Wir wissen zum Beispiel relativ viel über Väter, wir wissen relativ viel über Paare mit Kinderwunsch und dann natürlich über Männer mit Kinderwunsch. Wir wissen zum Beispiel relativ viel über jugendliche Gewalttäter, über Gefängnis-Insassen, über Skinheads usw. aber wir wissen relativ wenig über den normal berufstätigen, vollerwerbstätigen Mann."

    Die Soziologin Dr. Nina Bauer wollte es genau wissen und hat 700 erwachsene Männer und Frauen in halbstündigen Tiefen-Interviews nach ihrem Bild vom Mann befragt. Sie hat dabei erstaunliches zu Tage gefördert:

    "Grundsätzlich kann man sagen, wenn man das als Ganzes betrachtet, dass das typische für den deutschen Mann oder das wichtigste gesehen also erstmal Humor als Merkmal, das einen Mann besonders attraktiv macht. Und dann drei Bereiche, der Beruf, Technik und Sport."

    Ein Mann muss also vor allem Humor haben, damit er gut ankommt. Das sehen übrigens Frauen und Männer gleichermaßen. Und was macht einen Mann für Frauen darüber hinaus besonders attraktiv?

    "Es lassen sich grob drei Bereiche rausarbeiten. Der erste Bereich ist so die Partnerschafts- und Familienorientierung, der ist - da sind sich alle Befragten einig - am wichtigsten. Dann ist der zweite Bereich ist der Bereich körperliche Attraktivität und das Aussehen, der ist am zweit wichtigsten und der dritte und unwichtigste Bereich entspricht dem klassischen Männlichkeitsbild, nämlich dass ein Mann Karriere machen soll und viel verdienen soll."

    Die alten Rollenklischees sind offenbar ins Wanken geraten. Der Mann als Ernährer der Familie, wie er in den 50er Jahren stilisiert wurde, ist für Frauen demnach out. Nina Baur zu dem überraschenden Ergebnis:

    "Vor allem was noch verblüffender ist, wenn man dann unterscheidet zwischen Männern und Frauen, dann kommt raus, dass die Mehrheit der Männer glaubt, dass Frauen das besonders wichtig ist, also mal als Beispiel, dass sechs von zehn Männern, dass ein Mann unattraktiv ist, wenn er arbeitslos ist und dass er besonders attraktiv ist, wenn er einen Universitätsabschluss hat. Es glauben sieben von zehn Männern, dass Frauen wollen, dass Männer viel verdienen. Fast jeder zweite glaubt, dass Frauen besonders Wert legen auf teure Geschenke. Und bei den Frauen ist es genau umgekehrt, die Frauen sagen überwiegend, das ist ihnen unwichtig. Das heißt, dass Frauen eigentlich weniger anspruchsvoll sind, als Männer glauben, dass sie es sind."

    "Dein Mann, das unbekannte Wesen" so titelte Oswalt Kolle bereits 1970 seinen berühmten Aufklärungsfilm. In manchen Teilen scheint da immer noch was dran zu sein. Laut Studie hat sich das Wunsch-Bild vom Mann für Frauen im Lauf der Jahre total gewandelt. Für Frauen zählt demnach nicht mehr primär der berufliche Erfolg.

    Auch im Selbstbild der Männer spielt die Karriere nicht mehr die Hauptrolle. Nina Baur:

    "Das heißt, wenn man die Männer fragt, wie wichtig ihnen die Arbeit ist, dann ist sie ihnen zwar wichtig, aber nicht so wichtig wie andere Dinge im Leben, während die Frauen glauben, dass es den Männern wesentlich wichtiger ist, als sie das sagen."

    Trotz Oswalt Kolle und Frauenbewegung scheinen sich Männer und Frauen immer noch wenig zu kennen. Dennoch hat das Klischee aus den 50er Jahren vom Mann als Ernährer der Familie inzwischen ausgedient:

    "In der Praxis können wir das so sehen, dass Frauen wesentlich nachsichtiger sind gegenüber Männern und Männer wesentlich weniger berufsorientiert, als Frauen denken, dass sie das sind."
    Die Rollenerwartung an den Mann hat sich also sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern selbst verändert. So sind zum Beispiel die Ansprüche an den Mann als guten Partner und liebevollen Vater erheblich gestiegen. So mancher Mann fühlt sich davon auch überfordert:

    "Und wenn man sich dieses Bild vorstellt, so diesen Super-Vater, der ne 40 bis 50 Stunden Woche mindestens arbeitet, beruflich sehr flexibel ist, aber dann noch täglich mehrere Stunden aktiv mit seinen Kindern verbringt - ich glaub einfach, dass das praktisch nicht möglich ist. Also das heißt, dass Männer vielleicht auch deshalb relativ spät Kinder wollen oder keine Kinder wollen, weil sie sich überhaupt nicht vorstellen können, wie sie das machen sollen, zumal der Arbeitsmarkt ja immer stärkere Flexibilität erfordert."

    Das fragen sich offenbar relativ viele leicht verunsicherte Männer. Für die Soziologin Nina Baur müsste sich deshalb die öffentliche Diskussion nicht mehr so sehr um den Mann in seiner Rolle als Ernährer drehen. Die anstehenden Fragen lauten:

    "Was macht eigentlich einen guten Vater aus? Oder was macht einen guten Partner aus? Was müssen Männer können? Was gibt es für positive Aspekte über die sich Jungen definieren können. Wir wissen zum Beispiel auch aus anderen Studien, dass Männer sich selber ganz massiv über Sport und Technik definieren. Also das kam ja auch bei uns raus. Eben es bestätigt sich, dass das positive Aspekte sind, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, über die sich Männer definieren können. Aber das ist natürlich auch so, dass Arbeitswelt auch Raum lassen muss, um diese positiven Aspekte der Männlichkeit zu entwickeln."