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Die Spitze des Piratenschwarms

Der Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, hat seinen Rücktritt angekündigt. Viele in der Partei erhoffen sich nun ein Aufbruchsignal. Denn die Erfolgsaussichten für die Bundestagswahl sind alles andere als rosig.

Von Falk Steiner |
    "Wie Billy Wilder sagte: ernst aber nicht aussichtslos – also ich denke, wenn man die Zeit, die man darein verschwendet, sich aufzuregen, wie schlecht alles ist, mal darein verschwenden würde, zu sagen, was wir Gutes tun, dann wär allen geholfen. Ich denke es gibt genug was läuft, wir haben richtig gute Leute, wir haben gute Themen, aber es verschwindet vieles in diesem Grundrauschen, wo man sich im Kreis rum bemitleidet."

    Grundrauschen ist an diesem Dienstagabend viel zu hören im Berliner Kulturverein Kinski, einer kleinen länglichen Bar mit abgewetzten Möbeln und schummriger Beleuchtung. Hier, im hippen Nordneukölln, unweit des Landwehrkanals, treffen sich Enno Lenze und andere Berliner Piraten wöchentlich, trinken Bier und Mate-Eistee zusammen.

    Es gibt viel zu besprechen in diesen Tagen. Lenze, ein großer Mann mit roten Haaren, ist 2009 den Piraten beigetreten. Ende Februar kandidierte er für die Landesliste der Berliner Piraten zur Bundestagswahl, landete auf dem chancenlosen Listenplatz 9. Sven Hankel steht neben ihm gestellt, nippt an seinem Getränk. Sven Hankel, unter Piraten als Chaosrind bekannt, ist Basispirat seit September 2011. Da zogen die Piraten völlig überraschend ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Auch mit seiner Stimme.

    Doch Sven Hankel ärgert sich schon lange über die ewigen Vorstandsdebatten, um den Streit unter den Führungsfiguren, dem politischen Bundesgeschäftsführer Johannes Ponader, dem Berliner Fraktionsvorsitzenden Christopher Lauer und dem Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer.

    "Die meisten nehmen immer nur diese drei Personen wahr, da sind ja noch andere Leute. Wenn ich unsere Schatzmeisterin sehe, die macht fantastische Arbeit, das wird glaube ich viel zu wenig gewürdigt. Die Leute mit den ruhigen Tönen, die machen im Prinzip einen Top-Job."

    Wer mit oder gegen wen, warum es nicht so läuft, wie sich die Piraten das selbst wünschen, das wird hier im Kinski von der Piratenbasis immer wieder diskutiert. Und oft genug wird die Schuld am Siechtum bei "den anderen" gesucht. Noch wissen sie nicht, dass zeitgleich der umstrittene Geschäftsführer Johannes Ponader seinen Rückzug bekannt geben wird. Der 36-Jährige gibt auf, nachdem ihm die Mitglieder in einer Befragung bescheinigt haben, dass er sein Amt miserabel führt. Jetzt könnte der Führungsstreit endlich ein Ende finden. Der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer freut sich bereits auf die Zeit nach den Vorstandsquerelen:

    "Ich bin ein netter Mensch, ich bin auch immer bereit, mit ihnen ausgiebig zu sprechen, aber aus meiner Sicht wird es keinen Streit und keine Debatten mehr geben, ich will jetzt auch mal Politik machen."

    Auch Bundesvorstand Klaus Peukert ärgert sich, dass das Bild der Piraten bei vielen so schlecht ist – und doch gibt er zu: Viele, viele Probleme sind hausgemacht. Peukert hat die Mitgliederbefragung organisiert – und damit den Abschied von Piratengeschäftsführer Ponader eingeleitet. Er will, dass die Piraten endlich über kluge Inhalte punkten:

    "Wir geben ja viele Antworten. Wir sind nicht mehr die Partei, die kein Programm hat, wir haben Antworten auf die Fragen zur Wirtschaft, zur Rentenpolitik, zur Landwirtschaft, sind sozusagen eine Vollprogrammpartei, und haben zwar immer noch die Herausforderung, ein klareres Profil zu entwickeln."

    Das klare Profil, das fehlt den Piraten an vielen Stellen noch. Und daran wollen sie am kommenden Parteitag im Mai in Neumarkt in der Oberpfalz in Bayern weiter feilen:

    "Wir haben zum Teil Themen, da arbeiten drei-, vierhundert Leute dran, und die überlegen sich aber in Ruhe, aber die überlegen sich jetzt, was ist das Optimale und haben vielleicht drei, vier Lösungsansätze – das heißt dann aber nicht, dass wir nix haben, sondern dass wir drei, vier Lösungsansätze haben und gerade noch überlegen, was der ideale ist."

    Johannes Ponaders Vorgängerin Marina Weisband hat ein Buch geschrieben. "Wir nennen es Politik" heißt es und erscheint kommende Woche. Ein Buch, das einmal mehr erklären soll, was viele potenzielle Wähler immer noch nicht zu wissen scheinen: Wie nämlich die Partei tickt. Die 25-Jährige mischt also immer noch im Hintergrund kräftig mit – auch ohne politisches Amt. Johannes Ponaders angekündigter Rückzug könnte ein Aufbruchsignal werden, das hoffen die Piraten im Kinski – und auch Klaus Peukert vom Vorstand der Piratenpartei:

    "Wir sind gerade in unserem Tal der Tränen angelangt und sind jetzt dabei, auf dem Weg nach oben es wieder besser zu machen."

    Ob sie diesen Weg tatsächlich bereits angetreten hat, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen müssen, davon sind die beiden Berliner Piraten Enno Lenze und Sven Hankel im Neuköllner Kinski überzeugt. Doch beide wissen auch: Vor der Bundestagswahl liegt vor den Piraten noch ein großes Stück Arbeit.

    Und trotzdem: Bei der Personalie Ponader gehen die Meinungen der Berliner auseinander. Die einen schätzen Ponader wegen seines Engagements für bestimmte Themen. Gleichzeitig sei aber auch klar, dass die Piraten mit diesem Vorstand nicht auf einen grünen Zweig kommen. Derzeit stehen sie in Umfragen bei zwei bis drei Prozent – das ist die absolute Kernwählerschaft, zu der auch die Leute im Kinski zählen. Bundestag oder nicht? Sven Hankel jedenfalls ist das gar nicht so wichtig:

    "Wenn wir uns Mühe geben, vielleicht. Wenn wir es schaffen, ist es schön, wenn nicht, wird es uns auch gut tun – aus dem einfachen Grund: Da kommt wieder Ruhe rein."
    Johannes Ponader
    Johannes Ponader hat seinen Rücktritt als Bundesgeschäftsführer der Piratenpartei angekündigt. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)