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Die Stadt und das Feuer

Nach den Bränden um die griechische Hauptstadt Athen wird im verbrannten Umland zumindest teilweise Bauland entstehen. Laut Alkyone Karamanolis ist es für die Regierung leichter, dem Druck der Bürger nachzugeben und Bauland im Umland zu schaffen, als einen großen Richtungswechsel in der Stadtplanung einzuleiten. Die Innenstadt von Athen werde weitgehend ihrem Schicksal überlassen.

lkyone Karamanolis im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Drei Tage stand Attika in Flammen. Jetzt sind die Brände um Athen eingedämmt. 30.000 Hektar Wald, Olivenhaine und andere landwirtschaftliche Flächen wurden zerstört, auch 150 Häuser. Menschenleben müssen, anders als bei der Katastrophe vor zwei Jahren auf den Peloponnes, nicht beklagt werden. Die ökologische Katastrophe wird, nach Ansicht von Umweltexperten, noch lange fortwirken. Die Kritik am Krisenmanagement der griechischen Regierung – auch wegen der mangelnden Vorsorge – wird von allen Seiten, in der Politik und in den Medien, deutlich formuliert. Bei den Großbränden 2007 waren auch die antiken Stätten von Olympia bedroht. Sind auch beim aktuellen Brand Kulturgüter zerstört worden, habe ich Alkyone Karamanolis gefragt?

    Alkyone Karamanolis: Es sind keine Kulturgüter zerstört worden, aber sie waren bedroht, also es sah kritisch aus die letzten Tage, über längere Zeit. Und zwar betraf das zum einen Rhamnus, eine antike Festung mit einem wichtigen Nemesis-Heiligtum, dem wichtigsten Nemesis-Heiligtum vermutlich in Griechenland, und Marathon war betroffen, die Grabhügel und das archäologische Museum, da ist das Feuer bist fast auf 100 Meter ans Museum herangekommen. Es sind dann Bäume drum herum gefällt worden, es waren auch sehr schnell Leute aus dem Kulturministerium zur Stelle, also anders als in Olympia vor zwei Jahren, wo der Kulturminister so spät ankam, dass er ja mit rohen Eiern empfangen wurde – wobei man immer sagen muss: Wenn die Landschaft zerstört ist, in die solche archäologischen Stätten gebettet sind, wird ihnen auch immer etwas von ihrer Strahlkraft genommen.

    Schmitz: Die Wälder rund um Athen sind ein wichtiger ökologischer Faktor für die Luft und überhaupt die Lebensqualität in der Stadt. Nach mehreren Bränden in den letzten 20 Jahren ist der Boden dort stark in Mitleidenschaft gezogen. Wird jetzt dort überhaupt wieder aufgeforstet oder wird das Brandgebiet zu Bauland?

    Karamaonlis: Das Problem liegt eben darin, wie Sie sagen, dass das Land vermutlich – davon gehen hier alle aus – zumindest teilweise zu Bauland wird. Man muss sich ja auch klar machen, dass diese Vororte, die zerstört worden sind die letzten Tage, vor 15, 20 Jahren entweder überhaupt nicht existierten oder ganz, ganz kleine Dörfer waren, vereinzelte, versprengte Dörfer irgendwo in der griechischen Provinz, muss man fast sagen, die dann eben nach großen Waldbränden der vergangenen zwei Jahrzehnte nach und nach zu Baugrund wurden und besiedelt wurden.

    Schmitz: Woher kommt dieser große Druck zur Erschließung neuen Baulandes?

    Karamaonlis: Griechenland lebt eben seit etwa Anfang der 90er-Jahre seinen Traum von Suburbia. Vorher gab es eine große, was man in Griechenland nennt, Liebe zur Stadt, es sind sehr viele, Anfang, Mitte des 20. Jahrhunderts, sehr viele Menschen gerade nach Athen gekommen. Irgendwann ist die Stadt aus allen Nähten geplatzt und dann wollten die Leute nur noch weg. Und da wird eben klar, dass es ganz, ganz große Versäumnisse gegeben hat und auch immer noch gibt, genau so, also unvermindert, bei der Stadtplanung. Die Innenstadt von Athen ist weitgehend ihrem Schicksal überlassen, also, da leben im Augenblick, in der Innenstadt, im Zentrum leben im Grunde genommen ein paar wackere Idealisten und Intellektuelle und ansonsten nur Menschen, die es sich nicht leisten können, wegzuziehen.

    Schmitz: Welche Hauptfehler wurden in der Athener Stadtplanung gemacht, was fehlt in der Innenstadt, um die Leute dort zu halten?

    Karamaonlis: Wichtig wäre es zum Beispiel, die unkomfortablen Altbauten zu renovieren oder Anreize zu schaffen, sie zu renovieren. Frei- und Grünflächen wären ganz, ganz dringend nötig – beziehungsweise auch da, wo sie vorhanden sind, müsste man sie entweder verteidigen gegen Bauinteressen, denn denen fallen sie auch in der Innenstadt oft zum Opfer, oder man müsste sie pflegen. Es gibt auch immer wieder die Idee, eine autofreie Innenstadt zu schaffen, das traut sich natürlich niemand, aber das wäre ganz, ganz zentral – also, all diese Dinge, um die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern und um das Athener Zentrum wieder attraktiv zu machen.

    Schmitz: Aber war Athen nicht für die Olympischen Sommerspiele 2004 städtebaulich verbessert worden?

    Karamaonlis: Diesen großen Durchbruch, es wird hier immer beklagt – zum Beispiel in Barcelona hätte sich mit den Olympischen Spielen so viel verändert –, den großen Durchbruch hat es in Athen da leider nicht gegeben.

    Schmitz: Und den wird es auch nicht geben in absehbarer Zeit, was meinen Sie?

    Karamaonlis: Ich denke nein. Es droht ja, dass das Klima in Athen noch unerträglicher wird, dass es noch heißer wird, jetzt, wo auch wieder diese Wälder fehlen, die Kühlung verschafften, dass noch mehr Leute wegziehen werden. Und es ist für die Politik auch das Einfachere, also, es ist leichter, den Leuten nachzugeben oder dem Druck der Bürger nachzugeben und Bauland im Umland zu schaffen, als eben diesen großen Richtungswechsel einzuleiten.

    Schmitz: Alkyone Karamanolis aus Athen über das Feuer und stadtplanerische Fehler in der griechischen Hauptstadt.