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Die Stimme der Freiheit

Seit 1978 regiert die Rebellengruppe PKK die Kurdenbewegung in der Türkei mit eiserner Faust. Dabei schreckt sie auch vor Mord nicht zurück. Ein Mann, der sich gegen die PKK auflehnt, ist Sirvan Perwer – ein kurdischer Sänger, der schon für die Sache der Kurden eintrat, als es die PKK noch gar nicht gab.

Von Susanne Güsten | 21.02.2011
    Sie nennen ihn die "Stimme der Freiheit": Sivan Perwer ist der bekannteste und beliebteste kurdische Sänger der Welt. Wie kaum ein anderer hat er zum kulturellen Erwachen der Kurden beigetragen und die kurdische Identität geprägt. Schon 1976 musste er aus der Türkei fliehen, um der Verhaftung zu entgehen. In Bonn ließ er sich nieder, doch seine Lieder fanden stets ihren Weg zurück nach Südostanatolien – auf geschmuggelten Tonbändern zunächst und später per Satellitensender. Seine Musik wurde zur Erkennungsmelodie der kurdischen Befreiungsbewegung.

    Heute ist die kurdische Sprache in der Türkei nicht mehr verboten, und Perwers Lieder werden sogar im Staatssender gespielt, der inzwischen einen kurdischen Kanal hat. Alle Prozesse gegen den Sänger sind längst eingestellt. Als der türkische Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc kürzlich in Köln war, besuchte Perwer ihn in seinem Hotel, um nach 35-jährigem Exil über eine Rückkehr in die Türkei zu sprechen. Es sei ein bewegendes Gespräch gewesen, berichtete Arinc anschließend:

    "Ich habe großes Heimweh in ihm gespürt, eine tiefe Sehnsucht und Verbundenheit mit diesem Land. Wir haben lange über die Türkei gesprochen, und er hatte Tränen in den Augen."

    Bülent Arinc ist der Ko-Architekt der demokratischen Reformen in der Türkei. Er sprach mit Sivan Perwer auch über die Kurdenfrage . Für Sivan Perwer ein fruchtbares Gespräch.

    "Wir waren uns einig, dass die Kurdenfrage im Rahmen dieser Reformen gelöst werden kann. Ich habe angeboten zu tun, was in meinen Möglichkeiten als Künstler steht, um diese Reformen zu unterstützen."

    Konkret sagte Sivan Perwer zu, das kurdische Fernsehprogramm des türkischen Staatssenders zu unterstützen. Der Kanal hat Schwierigkeiten, bekannte kurdische Künstler zu engagieren, weil diese den Zorn der kurdischen Rebellengruppe PKK fürchten. Perwer versprach, in einem Konzert für den Staatssender aufzutreten – und die PKK reagierte schnell. Mit einem Sperrfeuer von Angriffen brandmarkten die PKK-Medien den Künstler als einen Verräter, der die Kurden an den türkischen Staat verkaufe. So viele Drohanrufe gingen bei Perwer ein, dass er ein Konzert in der Schweiz absagen musste.

    Es ist nicht das erste Mal, dass die PKK zu solchen Einschüchterungsmethoden greift. Doch diesmal könnten die Rebellen an den Falschen geraten sein. Sivan Perwer reagierte mit einem Video auf Youtube, in dem er der PKK die Leviten liest:

    "Sie glauben, sie seien die Herrscher von Kurdistan. Niemand soll den Mund aufmachen können, ohne sie gefragt zu haben. Und das von Leuten, die ihrem eigenen Volk keine Meinungsfreiheit zugestehen, die zahllose aufrechte Kurden umgebracht und sich kein einziges Mal beim kurdischen Volk entschuldigt haben. Lasst euch nicht erzählen, dass sie die alleinigen Vertreter der Kurden sind."

    Es ist das erste Mal, dass ein so prominentes Mitglied der Kurdenbewegung die PKK so offen herausfordert. Viele weniger bekannte Dissidenten sind schon aus geringerem Anlass umgebracht worden, doch Sivan Perwer zeigt sich unerschrocken:

    "Ihr seid eine Schande. Wenn hier jemand ein Verräter ist, dann seid ihr das selbst! Eines müsst ihr aber wissen: Ich lasse mich nicht einschüchtern, ich werde mich nicht unterwerfen."

    Dennoch: Aus Sivan Perwers Rückkehr in die Türkei wird vorerst doch nichts , wie sein Manager mitteilte. Die Zeit sei noch nicht reif.