Archiv


Die Stimme in der Violine

Wir stellen Ihnen heute die neueste CD des italienischen Geigers Enrico Onofri vor, die er zusammen mit seinem Ensemble Imaginarium unter dem Titel 'La Voce nel Violino' bei dem französischen Label ZigZag Territoires einspielte.

Von Christiane Lehnigk |
    Bereits vor fünf Jahren hatte Enrico Onofri unter dem Titel 'Anno 1630' ein Programm mit virtuoser italienischer Violinmusik des frühen 17. Jahrhunderts vorgestellt. Seine neueste Einspielung, die ein paar dieser "Hits" wieder aufnimmt, aber auch neue Werke hinzu fügt, zeigt, wie sehr Onofri diese lebendige Interpretationsweise weiterentwickelt und bis ins kleinste Detail perfektioniert hat. Wer ein Faible für diese Musik hat, für den dürfte es kaum Vergleichbares geben, und wer damit weniger vertraut ist, dem kann sich eine ganz neue Klangwelt erschließen, die in ihren farbigen Schattierungen geradezu zeitlos erscheint.

    " Musikbeispiel: Giovanni Paolo Cima, Sonata per il Violino "

    Enrico Onofri spielt diese Stücke aus der Frühzeit der solistischen virtuosen italienischen Geigenmusik, wie hier die Sonate von Giovanni Paolo Cima, sehr sinnlich und geradezu betörend. Seine vielfältigen, manchmal geradezu atemberaubenden Verzierungen wie zum Beispiel Glissandi, Triller, Tremolati oder eine Art Ornament-Vibrato, unterstützt von einer aberwitzigen Bogenführung, scheinen sich gleich zu Beginn beim Hörer einzuschmeicheln, ihn aufzurühren und gefangen zu nehmen. Harsche chromatische Passagen wirken zwischendurch geradezu verstörend, mikrotonale Wendungen erinnern an mediterrane Volksmusik.

    "La Voce nel violino" so heißt der Titel dieses Programms, nicht "Die Stimme der Violine" sondern "Die Stimme in der Violine". Die Nähe der Vokalmusik zur sich emanzipierenden Instrumentalmusik der Zeit steht im Vordergrund dieser Einspielung, eine, so Onofri, geradezu "magische Periode". Die Musik war dabei, sich vom Text als Basis aller musikalischen Effekte zu befreien und die Instrumentalisten und Komponisten der damaligen Zeit begannen, eine Art Meta-Sprache zu entwickeln, sozusagen "Lieder ohne Texte". Dabei waren die komplexen Bilder und Gefühle nicht weniger intensiv als die, die von den poetischen Texten suggeriert wurden. In diesen hier vorgestellten Stücken kann die Violine demgemäß mit vier verschienen Saiten/Stimmen 'singen'. Da kann es dann auch folgerichtig sein, dass andersherum, vokale Werke instrumental dargeboten werden, wie hier Madrigale von Monteverdi, Gesualdo oder Frescobaldi. So kann einmal mehr, so Onofri, die "stilistische Nähe der beiden Genres realisiert werden".

    " Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, Mentre vaga angioletta, Madrigal (instr.) "

    Sie hörten Enrico Onofri mit einem Ausschnitt aus der instrumentalen Adaption von Claudio Monteverdis Madrigal "Mentre vaga angioletta", "Da die süße Angioletta mit ihrer Stimme jedes Herz anrührt".

    Onofri hat seine neueste Solo-CD zusammen mit seinem 2000 gegründeten Ensemble Imaginarium konzipiert, einer Formation, in der jedem Musiker sein Freiraum zugestanden wird und die intensive lange Zusammenarbeit exemplarisch gelten kann. Der perfekte akustische Sound dieser Aufnahme unterstützt diese Ausgewogenheit ideal.

    Imaginarium spielt hier in der Besetzung mit Enrico Onofri - Violine und Violino piccolo, Alessandro Tampieri - Violine und Laute, Margret Köll - Doppelharfe, Riccardo Doni - Cembalo und Orgel sowie bei einigen Titeln zusätzlich: Alessandro Palmeri - Violoncello und Maria Cristina Vasi - skordierte Viola.

    Das Programm umfasst unter anderem Sonaten und Vokal-Adaptionen von Cima, Uccellini, Fontana, Rognono, Monteverdi, Castello, Frescobaldi und Veracini.

    Enrico Onofri gehört heute mit zur Spitze der international erfolgreichen Barockgeiger. Geboren in Ravenna, studierte er Violine in seiner Heimatstadt und in Mailand und begann schon früh die Zusammenarbeit mit verschiedenen italienischen Barock-Ensembles, vor allem mit Il Giardino Armonico, dessen Konzertmeister und Solist er seit 1987 ist.

    Er war zudem Konzertmeister bei der Capilla Reial von Jordi Savall und verschiedenen anderen renommierten Ensembles. Seine Aufnahmen mit Musik des 17. und 18. Jahrhunderts wurden mit den bedeutendsten internationalen Musikpreisen ausgezeichnet.

    Mit seinem Ensemble Imaginarium widmet er sich vor allem der italienischen Musik des 17. Jahrhunderts . Onofri lehrt am Conservatorio Bellini in Palermo, dort dirigiert er auch das Orchestra di Dipartimento di Musica Antica . Er half, das portugiesische Barockorchester Divino Sospiro aufzubauen, dessen künstlerischer Leiter er seit 2005 ist und er ist Gastdirigent bei der Academia Montis Regalis, mit der er auch Violinkonzerte von Vivaldi im Rahmen der Vivaldi-Edition aufgenommen hat.

    Seit 2002 hat Onofri sich auch vermehrt der Dirigententätigkeit gewidmet.

    Diese neueste Einspielung mit Imaginarium ist eine ganz außergewöhnliche Aufnahme in der man akustisch einen vielfältigen Einblick in die Welt zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu erhalten glaubt. Noch fehlen die stereotypen Formen barocker Rhetorik und die Melodien scheinen sich mit großer Leichtigkeit frei entfalten zu können. Dadurch erhält die Musik diesen improvisatorischen , modernen Charakter, der sie zeitlos erscheinen lässt.

    " Musikbeispiel: Giovanni Antonio Pandolfi Mealli, Sonata la Cesta "

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Sie hörten heute Ausschnitte aus der neuesten Einspielung von Enrico Onofri und seinem Ensemble Imaginarium mit virtuoser italienischer Violinmusik zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Zuletzt erklang die 'Sonata la Cesta' von Giovanni Antonio Pandolfi Mealli.

    Unter dem Titel 'La Voce nel Violino' erschien diese CD jetzt bei dem französischen Label ZigZag Territoires.