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Die Stimmen der Amerikanerinnen

US-Präsident Barack Obama verdankte seinen Wahlsieg 2008 vor allem den Wählerinnen. Knapp drei Wochen vor der Wahl rückt die weibliche Wählergruppe in den Fokus der Auseinandersetzung: Obama und Herausforderer Mitt Romney bemühen sich um die Stimmen der Amerikanerinnen.

Von Sabina Matthey |
    Ein sonniger Herbsttag in Denver im US-Bundesstaat Colorado: Vor einem Parteibüro der Demokraten fährt ein Wahlkampfbus vor, drei Dutzend Aktivisten, vor allem Frauen, jubeln.

    "We feel good, don’t we? Obama is gonna win Denver"

    Obama wird Denver gewinnen, erklärt die demokratische Kongressabgeordnete Diana DeGette siegesgewiss und die Wahlhelfer applaudieren.

    Obama habe in den letzten vier Jahren sein Bestes getan, um Amerika voran zu bringen, sein republikanischer Herausforderer Romney gefährde den Fortschritt, meint die Lehrerin Ricarda und schwenkt ein Plakat mit der Aufschrift "Women for Obama".

    Frauen für Obama – 2008 hatten die Wählerinnen ihm die deutliche Mehrheit für das Präsidentenamt beschert. Doch der Wahlkampf 2012 ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Demokraten und Republikaner, Barack Obama und Mitt Romney bemühen sich um die Stimmen der Amerikanerinnen.
    Barack Obama betont immer wieder seinen Einsatz für die Gleichberechtigung, hier vor College-Absolventinnen in New York

    Kämpft um Euren Platz am Tisch, besser noch: kämpft um Euren Platz am Kopf des Tischs, rief der Präsident den Studentinnen zu und erinnerte an Maßnahmen seiner Regierung zugunsten von Frauen, etwa die gesetzliche Verankerung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Und auch Mitt Romney streicht sein Engagement für Frauen heraus:

    Als Gouverneur von Massachussetts habe er mehr Frauen in seinem Kabinett gehabt als jeder andere Gouverneur, so Romney in der zweiten TV-Debatte.

    Hinter dem heißen Werben um die Wählerinnen steht kühles Kalkül, sagt die Politologin Michele Swers:

    "Die Wahlbeteiligung von Frauen ist höher als die von Männern und sie entscheiden sich später als Männer. Bei einer Wahl wie dieser, wo das Land politisch bereits deutlich polarisiert ist, da verstärkt man seine Bemühungen um eine Gruppe, in der möglicherweise noch viele unentschieden sind."

    Es sind Frauen wie Wanda Kos in Florida. In Turnschuhen und T-Shirt räumt sie mit ihrer kleinen Tochter Farbeimer aus der Garage ihres Hauses in Tampa.

    Vor vier Jahren hatte Wanda ihre Stimme Barack Obama gegeben. Diesmal hadert sie mit sich, Obamas Bilanz hat sie nicht überzeugt:

    "Er dachte, er könne so viel bewegen, wir wollten das auch glauben, dachten, es sei möglich, aber es dauert so lange"
    Wandas Mann bangt um seinen Job, der Wertverlust ihres Hauses durch die Immobilienkrise ist längst nicht wettgemacht, Obamas Gesundheitsreform ist Wanda zu kompliziert. Doch der Republikaner Mitt Romney beeindruckt sie auch nicht, an dem habe sie einfach zu große Zweifel:
    "No. I mean, I just question so many things about him."
    Die Parteien versuchen nicht nur, Unentschlossene für sich zu gewinnen, sondern auch, Sympathisantinnen zum Wählen zu bewegen.

    Die Demokraten werben um Alleinstehende und um Frauen mit College Abschluss, erläutert die Politologin Michele Swers. Und sie setzen vor allem auf Chancengleichheit, auf krankenversicherungsgedeckte Verhütung und das Recht auf Abtreibung. Als ein republikanischer Hardliner sich gegen Schwangerschaftsabbruch nach Vergewaltigungen aussprach, war das Wasser auf die Mühlen der Demokraten.

    Niemand hat das Recht, einer Frau zu sagen, was sie mit ihrem Körper tun darf oder nicht, empört sich die Erstwählerin Zoe.


    Die Republikaner konzentrieren sich jedoch nicht auf spezielle Frauenthemen, um unentschiedene Wählerinnen für sich zu gewinnen:

    Eher mit Wirtschaftsthemen als mit Verhütung und Abtreibung, so Michele Swers. Angesichts der nur langsamen Erholung der Wirtschaft und einer Arbeitslosenrate von immer noch fast acht Prozent – hoch für die USA – wägen viele Wählerinnen klassische Frauenfragen mit Wirtschaftsthemen ab.

    In dieser Wahl geht es sicher um wichtige Frauenfragen, die mir am Herzen liegen, sagt die Hochzeitsplanerin Sarah Fairburn, aber letzten Endes werde ich mich wohl nach wirtschaftlichen Überlegungen entscheiden.

    Zwischen diesen beiden Polen setzt auch die Floristin Tiffany Dufresne ihre Prioritäten:

    "Wenn mich beide Kandidaten in Wirtschaftsfragen überzeugen, dann würde ihre Haltung zu Frauenrechten den Ausschlag geben bei meiner Wahlentscheidung."
    Allgemein neigen Wählerinnen in den USA dazu, den Amtsinhaber zu bestätigen. Doch weil Männer sich in großer Zahl von Barack Obama ab- und Mitt Romney zugewandt haben, müssten noch viel mehr Frauen diese Lücke schließen. damit der 44. Präsident noch einmal vier Jahre regieren kann.

    Mehr zum Thema:
    Sammelportal US-Wahl 2012
    DLF-Blog zur US-Wahl